Loren ja, Gondeln nein: Dotternhausener machen ihrem Ärger um die neue Seilbahn Luft

Von Nicole Leukhardt

Viele Stunden hitziger Diskussion liegen hinter den Einwendern gegen die neue Seilbahn des Dotternhausener Zementwerks. Vor allem an der Personengondel stören sich die Anlieger. Am Dienstag hatten sie Gelegenheit, beim Erörterungstermin im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens ihre Sorgen direkt an die Verantwortlichen von Werk und Behörden zu adressieren.

Loren ja, Gondeln nein: Dotternhausener machen ihrem Ärger um die neue Seilbahn Luft

So sieht die Materialseilbahn des Dotternhausener Zementwerks heute aus: 68 Loren an einem Zwei-Seilsystem. In Zukunft sollen hier 119 Loren an einem Seil tal- und bergwärts schweben. Auch eine Personenkabine soll dabei sein.

„Es geht heute um die neue Seilbahn“ – mit diesen Worten stieg Dr. Kornelia Sauter vom Tübinger Regierungspräsidium in den Erörterungstermin ein, der am Dienstag im Dotternhausener Rathaus stattfand. Es waren Worte, die die Mitarbeiterin des Referats 24 an diesem Dienstag noch oft wiederholen sollte. Eingeladen waren die Einwender, die Anregungen und Bedenken zum geplanten Bau der Seilbahn des Zementwerks vorgebracht haben. 37 Einwendungen von 41 Privatpersonen lagen dem RP vor, 16 Träger öffentlicher Belange hatte man befragt, elf davon haben Bedenken und Anregungen eingereicht.

„Heute dürfen Sie ihre Einwände artikulieren“, wandte sich Dr. Sauter an die Gäste. Mit ihr am Podium: Referatsleiter Dr. Alexander Wolny, Matthias Haasis, Instandhaltungsleiter der Firma Holcim, ein Vertreter der Schweizer Seilbahnfirma Bartholet, eine Gutachterin vom TÜV-Süd, Dr. Ulrich Tränkle vom Landschaftsplanungsbüro AGLN sowie ein Bauingenieur.

Personenbeförderung – nein danke

Ein wesentlicher Knackpunkt rückte gleich zu Beginn in den Fokus der Diskussion. Mehrere Einwender möchten sich nicht damit abfinden, dass Holcim mit der neuen Seilbahn nicht nur Material, sondern auch Personen in einer eigens dafür geeigneten Kabine befördert. „Ich fühle mich in meiner Privatsphäre sehr eingeschränkt“, erklärte Manfred Brugger. Er wohne unmittelbar an der Seilbahntrasse. „Aus der Perspektive kann mir jeder in meinen Garten gucken“, fügte er an.

Ähnlich sieht das auch Wolfgang Wochner. Dass hin und wieder ein Holcim-Mitarbeiter zu Wartungszwecken im Korb per Seilbahn befördert werde, könne er hinnehmen. „Sie geht seit 60 Jahren an unserem Haus vorbei“, sagte er. Aber für Personenbeförderung sehe auch er keinerlei Notwendigkeit.

Holcim indes begründete die Entscheidung für die Personengondel mit Sicherheitsaspekten. „Diese Bahn hat ihr Lebensende erreicht, wir bauen jetzt nach größtmöglichen Sicherheitsstandards“, erklärte Matthias Haasis. Denn auch für die Mitarbeiter von Holcim, die täglich in zwei Schichten auf den Plettenberg fahren und die neue Bahn zu Wartungsfahrten nutzen, sei die Gondel wesentlich sicherer als die Straße.

Dass ein Scopingtermin von Behörden und Naturschutzverbänden im August vergangenen Jahres schlussendlich ergeben hatte, dass auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung verzichtet werden kann, wollten die Einwender nicht gelten lassen. „Die Bürger von Dotternhausen kommen sich nicht wertig genug vor, überhaupt gehört zu werden“, bemängelte Wolfgang Wochner. „In solchen Entscheidungen liegt der Zündstoff, der unseren Dorffrieden gefährdet“, betonte er.

Die alte Bahn ist ein Risiko geworden

Dass der Bau der neuen Bahn absolut notwendig ist, daran ließ Matthias Haasis in seiner kurzen Vorstellung keinen Zweifel. „Das Stahlkonstrukt der 40 Jahre alten Bahn ist an seinem Lebensende angekommen“, erklärte er und wandte sich im selben Atemzug gegen den Vorwurf von Siegfried Rall, man habe die Wartung der Bahn schleifen lassen. „Wir haben die Seilbahn immer gewartet, repariert und erneuert, aber jetzt ist einfach die Sicherheit nicht mehr gewährleistet“, so Haasis.

Bisher schaukeln 68, sich nach unten öffnende Loren über 11 Stützen an einem Zweiseilsystem berg- und talwärts. Sie fördern 300 Tonnen pro Stunde vom Berg ins Werk.

Künftig sollen 119 Loren über 16 Stützen an einem Seil befördert werden. Zum Entleeren werden sie in der Talstation gekippt. Sie sollen 450 Tonnen pro Stunde befördern können. „Dafür verkürzen wir die Laufzeit der Bahn deutlich und verzichten auf Sonntags- und Feiertagsbetrieb“, erklärte Werksleiter Dieter Schillo.

Die Fördermenge, auch das betonte er mehrere Male, erhöhe sich nicht. „Unser Werk ist an seinem Limit angekommen, mehr schaffen wir gar nicht“, betonte er.

Dass der Neubau jetzt angegangen werde, noch bevor das endgültige Ja zur Süderweiterung vorliegt – auch das kam den Einwendern komisch vor. „Es geht uns hauptsächlich um die Sicherheit“, wiederholte Schillo, der einräumte, dass eine solche Investition eigentlich nur sinnvoll sei, wenn Planungssicherheit gegeben sei. „Der Scopingtermin zur Süderweiterung hat uns gezeigt, dass es keine unüberwindbaren Probleme mehr gibt“, wagte er eine positive Prognose.

Auch die Planungs- und Bauzeit einer solchen Bahn gelte es zu bedenken. „Wir wollen sie 2023 in Betrieb nehmen, ein Jahr Vorlauf ist zu wenig“, sagte auch Matthias Haasis. „Diese Jahreszahl ist sachlich nicht zu rechtfertigen“, entgegnete Jürgen Hess. Auch er war einer der Einwender. Unstrittig schien allein diese eine Zahl: Würde die Süderweiterung nicht kommen, wäre in zehn Jahren mit dem Abbau auf dem Berg Schluss, beantwortete Dieter Schillo die Frage von Dr. Kornelia Sauter.

Das Argument, dass mit einer neuen Seilbahn weniger Verkehr auf der Plettenbergstraße unterwegs sei, täglich nämlich mindestens vier bis sechs Fahrten, wollten vor allem die direkten Anlieger nicht als stichhaltig gelten lassen. „Ginge es dem Zementwerk um die Ökologie der Transporte, würde man heute schon den Zement auf die Schiene verlagern“, fand Anton Scherer. „Die Bahn ist ein reines Alibiprojekt, dass sich für eine bessere Akzeptanz gut verkaufen lässt“, monierte auch Siegfried Rall vom Verein NUZ.

Begünstigt der Seilbahnbau die Süderweiterung?

Jürgen Hess, einer der Einwender, sah hinter dem Bau sogar noch einen ganz anderen Aspekt: „Die Genehmigung dieser Seilbahn erhöht massiv den psychologischen Druck auf die Behörden, die die Süderweiterung zu genehmigen haben. Dort findet so ein Neubau sicher eine Würdigung, somit tragen Sie auch zur Süderweiterungsgenehmigung bei“, wandte er sich an die Vertreter des Regierungspräsidiums, die sich zuvor für eine deutliche Trennung der beiden Themen ausgesprochen hatten.

Aus naturschutzfachlicher Sicht, dies legte Dr. Ulrich Tränkle in seinem kurzen Abriss dar, sind mit wenigen, notwendigen Ausgleichsmaßnahmen keine massiven Beeinträchtigungen in die Tier und Pflanzenwelt zu befürchten.

Und auch die Schallimmissionsprognose des TÜVs Süd gab keinen Anlass zur Sorge für die Anwohner: „Selbst konservativ mit Puffer gerechnet bleibt die neue Bahn sechs Dezibel unter den Grenzwerten“, urteilte die Gutachterin.

Dass die Bahn zu hören ist, daran hatte jedoch auch sie keinen Zweifel.

Gibt es bereits Pläne für den Abbau auf dem Ortenberg?

Und dann fand Wolfgang Wochner doch noch versöhnliche Worte: „Wir sind mit dem Zementwerk groß geworden und wollen auch weiter mit ihm leben.“ Er bitte die Verantwortlichen schlicht inständig um Transparenz und Nachhaltigkeit.

Dazu gehörten auch Pläne des Zementwerks, die eine Erweiterung der Seilbahn bis auf den Ortenberg nach Deilingen bereits vorsähen, wie Jürgen Hess behauptete.

Dieter Schillo wies solche Pläne weit von sich und widersprach dem Einwender entschieden, der es jedoch befremdlich fand, „dass solch unumstößliche Planungen, die beim Regionalverband bereits vorliegen, angezweifelt werden.“ Beim für den Ortenberg zuständigen Regionalverband Schwarzwald-Baar-Heuberg, das haben ZAK-Recherchen ergeben, ist dort ein Sicherungsgebiet für Rohstoffe ausgewiesen. Dies sei, so heißt es, ein Bereich, der irgendwann ein mal für den Abbau in Anspruch genommen werden kann aber nicht muss.