Zollernalbkreis

Lockdown: Deshalb rebellieren die Stadtchefs im Zollernalbkreis

29.10.2020

Von Michael Würz

Lockdown: Deshalb rebellieren die Stadtchefs im Zollernalbkreis

© Holger Much

Das Rathaus in Albstadt: Nicht nur hier ist das Unverständnis groß.

Mehrere Bürgermeister im Kreis begehren gegen den Teil-Lockdown auf. Auch Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut kritisierte die Maßnahmen scharf – rudert nun jedoch etwas zurück.

Auf die von Bund und Ländern beschlossenen Maßnahmen reagierte die Wirtschaftsministerin zunächst verschnupft. „Aus meiner Sicht hätten auch weniger einschneidende Maßnahmen, etwa eine Erweiterung der Sperrstundenregelung, ausgereicht“, hatte sie zunächst mitgeteilt. Kurzum: Die Maßnahmen gingen Nicole Hoffmeister-Kraut zu weit.

Exponentielles Wachstum wäre für die Wirtschaft verheerend

Auf ZAK-Anfrage – unter anderem nach einer Alternativstrategie – äußerte sich die Ministerin am Donnerstagabend jedoch spürbar differenzierter. Zuvor hatte sie innerhalb der Landesregierung der Umsetzung der Maßnahmen zugestimmt. Und zwar: „Weil ich in dieser Situation stark steigender Infektionszahlen in ganz Deutschland ein im Grundsatz bundeseinheitliches Vorgehen als sinnvoll ansehe und die für die besonders betroffenen Branchen angekündigten Hilfen eine Existenzgefährdung vieler Betriebe abwenden können.“

Dass die dramatisch steigenden Infektionszahlen schnell eingedämmt werden müssen, „stelle ich überhaupt nicht infrage“, betont die Ministerin. Auch weil eine exponentielle Entwicklung für die Wirtschaft verheerende Auswirkungen hätte, wie sie schreibt. Gleichwohl müsse im Einzelfall mit größtmöglicher Sorgfalt abgewogen werden. „Es stehen Existenzen auf dem Spiel. Deshalb sind die jetzt vom Bund angekündigten großzügigen Hilfen so wichtig.“

Maßnahmen müssen rechtssicher sein

Sie gibt zu bedenken: „Die ergriffenen Maßnahmen müssen rechtssicher – insbesondere verhältnismäßig – sein.“ So halte sie etwa das Verbot touristischer Übernachtungen „nur deshalb noch für akzeptabel“, weil ein umsatzbezogener Ausgleich erfolgen soll. Übernachtungen seien bisher nicht als größere Infektionsquelle aufgefallen, schreibt sie. „Wichtig für die Wirtschaft bleibt, dass Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen geöffnet bleiben.“

Die Ministerin wolle sich nun persönlich dafür einsetzen, dass auch Branchen, die mittelbar betroffen sind, in den Blick genommen werden. „Ich denke dabei zum Beispiel auch an weite Teile des Einzelhandels, der durch die geringe Kundenfrequenz in den Innenstädten massiv in Mitleidenschaft gezogen wird.“

Unverständnis im Albstädter Rathaus

Generelle Zweifel am neuen, „kleinen“ Lockdown äußert Albstadts Oberbürgermeister Klaus Konzelmann. Er schreibt auf ZAK-Anfrage: „In Albstadt wurden die Hygienekonzepte bisher in der Gastronomie und im Kulturbereich sehr gut umgesetzt und kontrolliert.“ Laut Konzelmann sei es dort bislang zu keinerlei Ausbrüchen gekommen. „Aufgrund der neuen Regelungen befürchte ich aber, dass sich vieles in den privaten Bereich verlagert – wo keine Konzepte vorliegen und die Kontrolle überaus schwierig oder nahezu unmöglich ist.“ Zumal, wie Konzelmann mitteilt, die Arbeitsbelastung bei der Ortspolizeibehörde schon jetzt enorm sei. „Weitere Kontrollen werden diese Situation noch verschärfen.“

Auch in Balingen befürchtet man: Verlagerung ins Private

Exakt so sieht das auch Balingens Oberbürgermeister Helmut Reitemann. „Wird die Gastronomie komplett geschlossen, besteht die Gefahr, dass sich Begegnungen mehr in den privaten Bereich verlagern, wo sie kaum kontrollierbar sind“, schreibt er. Reitemann ist sicher: „Veranstaltungen mit Hygienekonzept oder Gastronomiebesuche unter Auflagen sind überschaubarer.“ Mit entsprechenden Vorgaben, einer zeitlichen Begrenzung und entsprechenden Kontrollen könne dem Infektionsgeschehen entgegengewirkt werden, meint er. „Ohne dass die Gastronomie in Existenznöte gerät.“

Hechingens Stadtchef fürchtet verheerende Folgen durch Corona-Maßnahmen

Als undifferenziert bezeichnet Hechingens Bürgermeister Philipp Hahn die neuen Entscheidungen. Er fürchtet gar „verheerende Folgen“. Deshalb hat Hahn, genau wie Klaus Konzelmann in Albstadt und Helmut Reitemann in Balingen, auch sofort den vom Tübinger OB Boris Palmer initiierten Appell an den Landesvater mitunterzeichnet. Dessen Titel: „Das Leben in den Städten schützen.“ Und Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut gibt zu bedenken: „Ich halte die Menschen für vernünftiger als manchmal unterstellt.“ Die große Mehrheit lasse Vorsicht walten und halte sich an die Regeln. Das gelte auch für die große Mehrzahl der Unternehmen, die in den vergangenen Monaten verlässliche Hygienekonzepte umgesetzt hätten.

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