Winterlingen

Leiterin des Schulamtes der polnischen Partnergemeinde Izbica hat Winterlingen besucht

12.07.2019

von Volker Schweizer

Leiterin des Schulamtes der polnischen Partnergemeinde Izbica hat Winterlingen besucht

© Volker Schweizer

Dicht gedrängt war der Terminplan von Anna Oleck-Barton (Zweite von links), der Leiterin des Schulamtes aus Izbica. Trotzdem reichte es aber für ein Erinnerungsfoto vor dem Rathaus.

Anna Oleck-Barton war eine Woche zu Gast. Besonders die Montessori-Pädagogik an der Grundschule in Harthausen hat ihr gefallen.

Es gibt viele Unterschiede zwischen dem deutschen und polnischen Bildungssystem. Ein gemeinsames Ziel sei es aber, Kindern und Jugendlichen den bestmöglichen Start in die Schule zu gewähren und sie dann gut auf die Zukunft vorzubereiten, betonte Anna Oleck-Barton am letzten Tag ihres Besuches.

Eine Woche unterwegs

Die Leiterin des Schulamtes in Izbica durfte eine Woche lang die Winterlinger Schulen kennenlernen und in den Unterricht schnuppern. Begleitet wurde sie dabei von der Dolmetscherin Beata Ortyl, Hauptamtsleiter Ludwig Maag und Lea Weihing, der Enkeltochter des verstorbenen Altbürgermeisters Klaus Weihing, die die Waldorfschule in Frommern besucht und sich das Rathaus in Winterlingen für ihr zweiwöchiges Berufspraktikum ausgesucht hat.

Für rund 600 Kinder zuständig

Die Unterschiede zwischen dem deutschen und polnischen Bildungssystem beginnen schon in der Verwaltung. Es gibt in Polen zum Beispiel keine Schulämter. Um die gesamte Organisation und die Finanzen kümmern sich die Kommunen selber. Anna Oleck-Barton ist für rund 600 Kinder und Jugendliche in sechs Schulen in Izbica und den weit verstreuten Ortsteilen zuständig. Aufgrund der Aufgabenfülle kann die Lehrerin und Mutter selber nicht unterrichten.

Zwei Fremdsprachen

Bis zur achten Klasse werden die Kinder in Polen gemeinsam unterrichtet. Mehr als 26 Schüler sollten in keiner Klasse sein. Nur in Ausnahmefällen darf die Zahl überschritten werden, dann gibt es für den Fremdsprachen- und Sportunterricht zwei Gruppen. Englisch wird schon im Kindergarten gelernt. Ab der siebten Klasse kommt eine zweite Fremdsprache dazu – in der Regel Deutsch.

Viele neue Ideen

Anna Oleck-Barton ist besonders aufgefallen, dass deutschen Schülern viel Praxiswissen vermittelt wird: „Sie dürfen ausprobieren und kreativ sein.“ Von der Montessori-Pädagogik an der Grundschule in Harthausen zeigte sie sich besonders begeistert. Sie nehme viele neue Ideen nach Polen mit.

Jedes Tag ein warmes Essen

In der Regel beginnt der Unterricht um 8 Uhr und endet zwischen 13 und 14 Uhr. Ähnlich wie in Deutschland gibt es auch eine Ganztagesbetreuung von 7 bis 16 Uhr. Familien, in der beide Elternteile arbeiten, nutzen dieses Angebot. Die Schüler essen dann auch in der Schule – für umgerechnet einen Euro. Dem Bilungsministerium sei es wichtig, dass jeden Tag ein warmes Essen auf den Tisch komme, betont Anna Oleck-Barton.

Zehn Wochen Sommerferien

Und wie sieht es mit den Ferien aus? Im Sommer sind die Schulen zehn Wochen zu, im Februar nochmals zwei Wochen. „Früher mussten die Kinder bei der Heuernte helfen“, begründet Hauptamtsleiter Ludwig Maag die lange Urlaubszeit von Mitte Juni bis August. Maag kennt die polnischen Gepflogenheiten gut, er hat seit der Gründung der Partnerschaft die Gemeinde Izbica schon 17 Mal besucht.

Lehrerin aus Polen

Stolz berichtet er, dass im Rahmen der Gemeindepartnerschaft eine Pädagogin aus Izbica eine Stelle als Grundschullehrerin auf der Alb gefunden hat. Justyna Franczak unterrichtete dreieinhalb Jahre in Winterlingen, jetzt ist sie in Bitz tätig.

Freundliche Menschen

Auf die Frage, wie es ihr in Winterlingen gefallen hat, kommt Anna Oleck-Barton ins Schwärmen: „Die Menschen sind alle so freundlich, und die Landschaft ist wunderschön.“ In der Kindertagesstätte in der Friedrichstraße ist ihr aufgefallen, dass es Puppen mit schwarzer Hautfarbe gibt. „Für mich ist das ein Zeichen für Toleranz und Vielfalt in Deutschland.“

20 Jahre Schulpartnerschaft

„Die Partnerschaft lebt“, freut sich Hauptamtsleiter Ludwig Maag. So hat eine polnische Delegation – daunter die stellvertretende Bürgermeisterin und drei Gemeinderatsvorsitzende – an der 100-Jahr-Feier des Musikvereins Winterlingen teilgenommen. Bis gestern waren acht Realschüler zusammen mit ihrem Lehrer Stefan Kohler und Rektorin Brigitte Schmid-Glowiak in Izbica. Heiner Schuler, der Vorsitzende des Partnerschaftskomitees, und Patrizia von Briel aus der Kämmerei hatten sie begleitet. Von Briel durfte im Rathaus mitarbeiten. „Der Austausch von Hospitanten ist seit Jahren ein ganz wichtiges Standbein der Partnerschaft“, betont Ludwig Maag. Mitte Juli 2020 wird das 20-jährige Bestehen der Schulpartnerschaft in Winterlingen groß gefeiert. Das Abkommen auf kommunaler Ebene wurde 2008 besiegelt.

Leidvolle Geschichte

Izbica liegt im Südosten Polens, zwischen Zamosc und Lublin. Der Fluss Wieprz fließt westlich des Ortes. Die Landgemeinde, welche zirka 8800 Einwohner in 26 Ortsteilen hat und knapp 140 Quadratkilometer umfasst, blickt auf eine leidvolle Geschichte während der NS-Zeit zurück. Während des Zweiten Weltkrieges wurde Izbica 1942 von den Nationalsozialisten zu einem Durchgangslager für die Judendeportationen in die Vernichtungslager nach Belzec und Sobibor gemacht. Nach der Ermordung der polnischen Juden, die fast die gesamte Bevölkerung ausmachten, war der Ort nahezu entvölkert. Heute zeichnet sich die Region durch die Vielfalt ihrer malerischen Landschaft und teilweise unberührten Natur aus.

Diesen Artikel teilen: