Lehrermangel und Corona: Kultusministerin Theresa Schopper zu Gast beim Online-Bürgerdialog

Von Jelena Marjanov

Wieso kommt es zu Unterrichtsausfällen, was kann gegen die fehlenden Fachkräfte an den Schulen unternommen werden und wie sieht es mit der Impfquote bei den Jugendlichen aus? Diesen Themen, und ob eine vierte Impfung in naher Zukunft nötig sein wird, haben sich Landrat Günther-Martin Pauli und Kultusministerin Theresa Schopper von den Grünen am Freitagnachmittag bei Online-Bürgerdialog gestellt. Fragen kamen, wie immer, aus der Bevölkerung.

Lehrermangel und Corona: Kultusministerin Theresa Schopper zu Gast beim Online-Bürgerdialog

Kultusministerin Theresa Schopper und Landrat Günther-Martin Pauli beim 33. Online-Bürgerdialog.

Landrat Günther-Martin Pauli lud am Freitag erneut zum Online-Bürgerdialog ein. Seit geraumer Zeit veranstaltet die Landkreisverwaltung die Live-Fragestunde auf ihren Kanälen in den sozialen Medien. Nach einer rund dreimonatigen Pause waren zuletzt Prof. Dr. med. Boris Nohé, Chefarzt am Zollernalb Klinikum in Balingen, sowie Dr. Rita Ziebach, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin in Hechingen, zu Gast.

Für den 33. Bürgerdialog am Freitag konnte Theresa Schopper, baden-württembergische Ministerin für Kultus, Jugend und Sport, gewonnen werden. Vorab konnten interessierte Bürgerinnen und Bürger ihre Fragen zum Thema „Unsere Schulen in Corona-Zeiten: Herausforderungen, Erkenntnisse und Chancen“ an die Pressestelle des Landratsamts richten. Doch auch während der Live-Veranstaltung war es möglich, eigene Anliegen an Landrat Pauli und seinen prominenten Gast zu richten.

Warum es zum Unterrichtsausfall kommen kann

An Fragen hat es beim 33. Bürgerdialog keinesfalls gemangelt, weshalb der Landrat gleich zu Beginn anmerkt, dass seine Verwaltung praktisch mit Fragen überhäuft worden war. Ob die Zeit ausreiche, diese alle befriedigend zu beantworten, sei fraglich.

Ein Schüler eines Gymnasium beklagte beispielsweise, dass es zu vielen Unterrichtsausfällen komme, weil Lehrkräfte zusätzlich am Regierungspräsidium oder im Ministerium tätig seien. Fortbildungen, außerschulische Tätigkeiten sowie pädagogische Tage müssten seiner Meinung nach in der unterrichtsfreien Zeit stattfinden.

Schopper widersprach teilweise. Außerschulische Tätigkeiten, pädagogische Tage und weitere solcher Veranstaltungen finden demnach im unterrichtsfreien Zeitraum statt. Bei Fortbildungen hingegen könne es tatsächlich dazu kommen, dass diese in die Schulzeit fallen: „Das sind zum Beispiel Digitalisierungsfortbildungen, von denen wir momentan sehr viele haben.“

„Wir sind da ziemlich auf Kante genäht“

Insgesamt gebe es ein Problem bei der Lehrerversorgung, stellt Schopper klar. „Wir sind da ziemlich auf Kante genäht“, sagte sie. Im Gymnasium sei die Situation noch mit am besten, Sorgen mache sie sich im Grundschulbereich und bei der Sonderpädagogik. Schwangere Lehrkräfte dürften aufgrund der Corona-Pandemie nicht mehr im Präsenzunterricht eingesetzt werden. Das und Krankheitsausfälle stelle viele Schulleitungen vor eine Herausforderung. An dieser Thematik sei man dran, die Schulämter und Regierungspräsidien seien soweit dafür gerüstet, Ersatz für längerfristige Ausfälle stellen zu können.

Ein Live-Zuschauer fragte daraufhin, welche Maßnahmen man ergreifen wolle, um den Lehrermangel im ländlichen Raum zu bewältigen. Er bezog sich auf die Unbeliebtheit des Zollernalbkreises als Wohnort bei Lehrkräften. „Da muss man ehrlich sagen, das können wir Zollernälbler überhaupt nicht verstehen“, stellte Pauli klar. „Der Focus hat vor vier Jahren ein Ranking der 401 Stadt- und Landkreise festgestellt, dass in der Kategorie Lebensqualität der Zollernalbkreis den Platz Nummer 1 eingenommen hat – das wissen halt viele nicht.“

Lehrermangel hält auch in der Großstadt Einzug

Kultusministerin Schopper ergänzte, dass das nicht nur ein Problem im Zollernalbkreis sei: „Das haben wir auch in Tuttlingen, aber auch in Stuttgart haben wir große Nachwuchssorgen.“ In der Landeshauptstadt sei das jedoch sicherlich dem Wohnungsmarkt und den teuren Mieten geschuldet.

Die vergangenen Jahre hatte man bereits reagiert, und Neueinsteigern im Schulwesen die Möglichkeit gegeben, sich mit Verträgen zu binden. „Für die Schulämter ist es jedes Jahr eine Herausforderung die Versorgung in den weißen Flecken gerecht hinzubekommen“, sagte sie.

Schulschließungen sollen vermieden werden

Vorab war Landrat Pauli bereits mit einem Bürger in Kontakt, um über die Angst vor der Schließung kleinerer Schulen aufgrund von wenigen Schülern zu sprechen. „Ich habe gesagt, dass zunächst einmal auch die Schulträger in der Verantwortung sind“, so der Landrat. Das finde er auch ein gutes Konstrukt, jedoch sei ein größeres Kollegium eher in der Lage etwaige Ausfälle aufzufangen.

Wenn dies über mehrere Etappen koordiniert werden müsse, sei das komplizierter. „Doch es bleibt dabei – die Landesregierung wird daran auch nichts ändern – das letzte Wort für die Schulschließung ist in kommunaler Hand“, betont Pauli.

Für viele sei das Thema „kurze Beine, kurze Wege“ ein Argument sich an einem Ort niederzulassen, einen Bauplatz zu kaufen oder in eine Wohnung zu ziehen, sagt Schopper.

„Die kleinste Schule in Baden-Württemberg hat 12 Kinder.“ So viele kleine Schulen wie das Ländle habe im Bundesvergleich niemand. „Wir wären schon froh, wenn manche sich zusammenschließen würden – ohne Schulen schließen zu müssen – auch, um größere Möglichkeiten zu haben“, ergänzte sie.

„Ohne lüften geht es nicht“

Weiter ging es mit den Luftfiltern an den Schulen. Zwar habe man auch im Landratsamt Geräte angeschafft, doch vor allem das Lüften sei das effektivste Mittel, um der weiteren Ansteckung mit Corona und der Verbreitung des Virus Herr zu werden, so Pauli. Bezüglich der Raumluftfilter sieht Pauli zunächst wieder die Schulträger mitverantwortlich: „Aber wir sagen ganz offen, wenn nicht gerade so starke Minustemperaturen sind wie in den letzten Tagen, dann ist es sicherlich machbar, dass durch regelmäßiges Lüften die Sicherheit am größten ist.“

Stück für Stück werde man bei Renovierungen oder Neubauten versuchen CO2-Ampeln und ähnliche Geräte in den Schulen einzubauen. Zuschüsse gibt es dafür nämlich schon: „Bisher konnten alle Anträge für Filter und CO2-Ampeln, die bei uns eingegangen sind, bewilligt werden“, fügt Schopper an. Dennoch: „Ohne lüften geht es nicht, auch wenn man einen Luftfilter hat.“ Laut Schopper sei es ein Irrglaube, dass einem der Luftfilter mehr oder weniger Corona aus der Nase zieht.

Über 50 Prozent der Jugendlichen voll immunisiert

Eine Bürgerin hatte im Vorfeld gefragt, wie man die Bereitschaft der Eltern, ihre Kinder gegen Covid impfen zu lassen, steigern könne, wenn – kaum dass die Kinderimpfkampagne startete – die Hürden für die Kinder von der Testpflicht befreit zu werden ausschließlich mit einer Boosterimpfung zu erreichen sei. „Wir sind bei den Zahlen, finde ich, gar nicht schlecht“, so Kultusministerin Schopper. „Fast 52 Prozent der Kinder von 12 bis 17 Jahren in Baden-Württemberg sind schon doppelt geimpft.“ Eine Erstimpfung hätten rund 59 Prozent dieser Altersgruppe bereits erhalten.

Das mutmaßlich fehlende Benefit der Impfung sei momentan der Omikron-Variante geschuldet: „Wenn wir sehen, das mit der neuen Variante so umgegangen werden kann, dass wegen der Quarantäne oder der Krankheitsverläufe nicht alles auf links gedreht werden muss, werden wir das sicherlich nochmal ins Auge fassen.“ Ob die 5- bis 11-Jährigen von der Testpflicht in der Schule befreit werden können, konnte die Politikerin nach aktuellem Stand noch nicht zusichern. Für Pauli ist die Einstellung des Elternhauses entscheidend: „Wenn man natürlich alles schlecht redet, dann ist auch der Sonnenschein gefährlich.“

Aktuelle Zahlen aus dem Zollernalbkreis

Unter anderem lieferte der Landrat die Zahl der aktuell Infizierten im Zollernalbkreis ab: „Aktuell haben wir 1.500 Menschen, die infiziert sind.“ Von den auf der Intensivstation behandelten Patienten sei einer vollständig geimpft, drei teilweise geimpft und fünf Patienten ungeimpft.

Wie es trotz Impfung zu erhöhten Inzidenzzahlen kommt, erklärte Pauli bei einer späteren Frage: „Wir befinden uns in einer weiteren Welle, jetzt ist gerade die Omikron-Variante da, sie greift viel stärker um sich als die Virenarten vorher.“ Der Krankheitsverlauf sei jedoch nicht ganz so dramatisch, weshalb auf der Intensivstation des Zollernalbklinikums weniger Patienten liegen würden als zu Zeiten, bei denen die Inzidenz niedriger war. Das zeige, dass man möglicherweise noch viele Überraschungen und Lerneffekte zu erwarten habe.

„Und über die kann man sicherlich sachlich diskutieren, und da bitte ich auch darum im Zollernalbkreis niemand gewalttätig wird oder meint, er muss jetzt alles in Frage stellen“, so der Landrat. Man solle sich an Recht und Ordnung halten: „Auch wenn Sie jetzt meinen, Spaziergänge organisieren zu müssen, gilt es Spielregeln einzuhalten, nämlich dass man solche Veranstaltungen ordnungsgemäß anmeldet.“

Kommt die vierte Impfung?

Weiter ging es mit der Frage, ob das Land Vergleichszahlen für die einzelnen Landkreise bezüglich der Corona-Infektionen an Schulen und in den Kindertageseinrichtungen erhebt. Die Zahlen der Landkreise lägen dem Ministerium vor. Zusätzlich erhalte man tägliche Meldungen über die jeweiligen Fälle aus den Schulen. Landkreisspezifisch hätte man die Zahlen bisher nicht im Kultusministerium eingepflegt.

90 bis 95 Prozent der Lehrkräfte im Land seien geimpft. Gleichzeitig würden sich immer mehr Schülerinnen und Schüler impfen lassen. Zu Impfdurchbrüchen sei es nicht gekommen, da sich die Jugendlichen erst im August haben impfen lassen. „Die sind noch zu frisch geimpft, die kommen jetzt langsam in die Boosterung“, sagte sie.

Gegen Ende kam die Frage auf, ob eine vierte Impfung kommen wird. „Das wissen wir heute noch nicht“, erklärte Schopper. Momentan habe man mit dem Booster den größten Schutz vor dem, was Omikron mit sich bringt. „Wir werden auf Sicht fahren müssen und wenn es aus der Wissenschaft heißt ‚Wir brauchen eine vierte Impfung‘, dann wird es auch eine vierte Impfung geben.“

Der 33. Online-Bürgerdialog kann nachträglich auf der Homepage sowie auf dessen sozialen Kanälen des Landratsamts angeschaut werden.