Legal, illegal, scheißegal? Spontispruch wird bei „Revolte“ kunsttheoretisch hinterfragt

Von Jennifer Dillmann

Welchen Einfluss hat Illegalität, welchen Legalität bei der Umsetzung von Graffitis? Im Rahmen der „Revolte“-Ausstellung fand am Donnerstagabend eine Diskussion zum Thema „Graffiti als Widerstand“ statt. Das Gespräch führten Kurator Roman Passarge und Thomas Stelling, Trainer für gewaltfreie Kommunikation.

Legal, illegal, scheißegal? Spontispruch wird bei „Revolte“ kunsttheoretisch hinterfragt

Was macht Illegalität, was Legalität mit Grafitti-Künstlern? Wie werden deren Werke je nach Situation beeinflusst. Zu diesem Thema diskutierten Steffi Eschler, Frank Türke, Skadi Türke, Roman Passage und Thomas Stelling im Rahmen der Graffiti-Ausstellung „Revolte“ in der Frommerner Schwelhalle.

„Ich bin neugierig, in welche Richtung sich die Diskussion entwickelt“, schickte Thomas Stelling voraus. Wie sich wenig später herausstellen sollte, entwickelte das Gespräch eine eigene Dynamik, wobei offensichtlich wurde, wie vielfältig und kontrovers das Thema ist.

Von illegalem Wesen geprägt

Roman Passarge bezog Stellung: „Ich lese Graffiti immer mehr als politischen Widerstand. Es sucht neue Wege. Für mich ist der Begriff von seinem illegalen Wesen geprägt. Alles andere ist lediglich Streetart.“

In der Ausstellung sind Werke aus verschiedensten Städten der Welt gezeigt. Passarge unterzog München und Istanbul einem Vergleich. In München wurden dem Künstler einige Flächen zum Besprühen zur Verfügung gestellt. Es sei aber nicht abgesprochen worden, was am Ende darauf zu sehen ist. Thematisiert wurden schließlich vier Anarchisten in Bayern.

In Istanbul wurden die Werke genehmigt und abgesprochen. „Das ist große Kunst“, kommentierte Passarge, „Aber es passiert nichts Politisches. Die Werke verlieren ihren revolutionären Charakter und die Kraft, die damit einhergehen würde.“

Graffiti als Ausdruck von Bedürfnissen

Stelling betonte, wie wichtig für ihn die innere Haltung des Graffiti-Künstlers ist. „Wenn jemand mein Auto besprüht hätte, würde mich am meisten stören, dass am Ende niemand da ist, mit dem ich darüber reden kann“, eröffnete er.

Im Verlauf der Diskussion zeigt sich, dass Graffiti als Protest und Ausdruck von Bedürfnissen verstanden werden kann. In Brooklyn beispielsweise äußerten die Menschen mit Graffiti, dass sie sich von den Industriemächten nicht vertreiben lassen würden. Man gestalte eine Wand nur dort, wo man bleiben möchte.

Alleine oder in kleinen Crews

„Eine Menge Macht taucht dort auf, wo die Angst verloren geht“, warf Stelling ein, „Wenn sich zwischen einer Menschenmenge Verbindungen von besonders inniger Qualität zeigen, wird es für Außenstehende schwierig, dazwischenzugehen und sie wegzuschicken.“

Passarge stimmte ein: „Das Angst-Ding ist sichtbar bei den Werken, die wir als ‚Schmiererei‘ bezeichnen. Momentan sind die Künstler alleine oder in kleinen Crews unterwegs. Eine richtige Kraft würde erst aus einer riesigen Demonstrationsbewegung hervorgehen.“

Botschaft sorgt für Kommunikation

Weitere Themenkomplexe, die aufgeworfen wurden waren die Problematik der Gesichtslosigkeit. Graffiti hat meist kein Gesicht und die Intention des Sprayers bleibt damit verborgen. Die Täter können sich gar nicht erst zeigen, da es rechtlich gesehen einen illegalen Tatbestand darstellt. Andererseits ist eben diese Offenheit fördernd. „Läge jede Botschaft klar im Bild, gäbe es keine Kommunikation über das Werk“, so Passarge.

Durch Ausdauer Lösungen finden

Skadi Türke brachte sich ins Gespräch ein: „Sobald die Menschen dauerhaft etwas tun, regt es andere zum Nachdenken an. Durch Ausdauer erst werden Lösungen gefunden und ein Platz für Ausdruck geschaffen.“

Das Schlusswort betonte, wie wichtig der Kontakt und eine offene Haltung sowohl von Wirkendem als auch Betrachter sei. „Ein tieferes Gespräch ergibt sich erst, wenn sich der Dialog von der Frage nach der (Il)Legalität in die Perspektive der Bedürfnisse begibt. Entscheidend ist das Interesse am Anderen. Der Stempel ‚Das ist Unrecht‘ beendet jedes Zusammenkommen“, formulierte Stelling.

Frank Türke ruft mit seiner Ausstellung dazu auf, Ängste zu überwinden und der eigenen Kreativität freien Lauf zu lassen.