Balingen

Leere Gesichter: Brigitte Stein zeigt ihre Flüchtlingsskulpturen in Balinger Stadtkirche

07.10.2020

von Alica Brückmann

Leere Gesichter: Brigitte Stein zeigt ihre Flüchtlingsskulpturen in Balinger Stadtkirche

© Alica Brückmann

Brigitte Stein präsentiert ihre Flüchtlingsskulpturen in Balingen in der Stadtkirche.

„Ich habe mir meine Emotionen von der Seele modelliert“: Im Rahmen der interkulturellen Woche im Zollernalbkreis stellt Brigitte Stein aus Albstadt ihre Skulpturen zum Thema Flucht und Vertreibung zur Verfügung.

In ihrer Kindheit wurde die Künstlerin selbst mit Themen wie Flucht, Krieg und Verfolgung konfrontiert. Ihre Eltern waren aus dem Banat vertrieben worden, sogenannte Rucksackdeutsche.

Als 2015 die geflüchteten Menschen aus Syrien, gezeichnet von Schwermut und Lethargie, im Secondhand-Laden der Caritas in Albstadt vor ihr standen, in dem sie viele Jahre arbeitete, wurden bei Stein alte Emotionen aus Kindheitstagen geweckt, erzählt sie.

Verarbeitung von alten Erinnerungen

In jungen Jahren lernt Stein den Beruf der Bekleidungstechnikerin. Im Alter von 50 entscheidet sie sich dazu, ihrer lebenslangen Leidenschaft der Kunst nachzugehen und studiert Tonbildhauerei in Nürtingen.

Die katastrophalen Zustände im Flüchtlingslager Moria und anderen Lagern auf den griechischen Inseln waren ein erneuter Auslöser für die 64-Jährige ihre persönlichen Erfahrungen mit Flucht und dem Kummer, den diese mit sich bringt, zu verarbeiten.

Beitrag für die interkulturelle Woche

Im Rahmen der interkulturellen Woche vom 2. bis 18. Oktober präsentiert sie ihre Werke in der Stadtkirche. „Das ist ein Beitrag für die Menschen, den ich als Künstler leisten kann“, erklärt Stein. Die Skulpturen können in diesem Zeitraum immer dienstags bis samstags, von 10 bis 15.30 Uhr, besichtigt werden.

Leere Gesichter: Brigitte Stein zeigt ihre Flüchtlingsskulpturen in Balinger Stadtkirche

© Alica Brückmann

Eine der Flüchtlingsskulpturen in der Stadtkirche Balingen.

Warten auf eine bessere Zukunft

Insgesamt drei Kreationen kann man im hinteren Raum der Kirche bewundern, den Stein als „Kirchenasyl“ bezeichnet. Die erste zeigt eine Mutter mit ihren Kindern. Im Gesicht der Mutter zeigt sich Erschöpfung und Angst. „Aber eine Mutter kämpft bis zum Schluss für ihre Kinder und die Kinder folgen ihr überall hin“, so Stein.

Die zweite Skulptur besteht aus mehreren Geflüchteten, die sich hinter einem Zaun befinden. Sie soll die Stationen beschreiben, durch die die Menschen während ihrer Flucht gehen müssen.

Man erkennt ein Ehepaar mit Kind, welches vielleicht noch Hoffnung in sich trägt. Auch sieht man ältere Flüchtlinge, die nicht in Richtung Zaun, sondern zurück auf ihre Heimat schauen. „Es ist ein Kunstwerk mit vielen Geschichten. Aber alle warten vor der Grenze auf eine bessere Zukunft“, berichtet die Erschafferin der Skulpturen.

Leere Gesichter: Brigitte Stein zeigt ihre Flüchtlingsskulpturen in Balinger Stadtkirche

© Alica Brückmann

Eine der Flüchtlingsskulpturen in der Stadtkirche Balingen.

Im dritten Kunstwerk sind Flüchtlinge in einer Gruppe dargestellt. Sie fühlen sich in der Gruppe geschützt, was die häufige Isolation von Geflüchteten begründen könne.

Betroffenheit soll die Denkweise ändern

Ihr Hauptaugenmerk widmete Stein der Gestik, Mimik und Haltung der Skulpturen: „Die Traurigkeit, Lethargie und Angst ist ihnen ins Gesicht geschrieben. Sie sind wie leer“. Doch trotzdem möchte sie die Stärke symbolisieren, die die Flüchtlinge dazu motiviert, niemals aufzugeben.

Das Ziel der Künstlerin ist es, bei den Betrachtern Betroffenheit auszulösen, um bei manchen vielleicht die Denkweise zu ändern.

Leere Gesichter: Brigitte Stein zeigt ihre Flüchtlingsskulpturen in Balinger Stadtkirche

© Alica Brückmann

Eine der Flüchtlingsskulpturen in der Stadtkirche Balingen.

In der Kirche befinden sich auch eine kurze Lebensgeschichte von Brigitte Stein und ihr Gedicht mit dem Titel Warten. In diesem thematisiert sie ebenfalls die Schicksalsschläge einer Flucht und das ewige Warten auf Sicherheit, Anerkennung und eine bessere Zukunft.

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