Zollernalbkreis

Landratsamt sucht im ganzen Zollernalbkreis nach weiteren Unterkünften für Geflüchtete

08.11.2021

Von Klaus Irion

Landratsamt sucht im ganzen Zollernalbkreis nach weiteren Unterkünften für Geflüchtete

© Klaus Irion

Weitere Gebäude, in denen Geflüchtete und Asylbewerber untergebracht werden können, wie hier in der Balinger Beckstraße, werden dringend benötigt.

Die Zahl der Flüchtlinge, die vom Zollernalbkreis aufzunehmen sind, steigt an. Doch die bestehenden Unterbringungsmöglichkeiten sind bereits jetzt überbelegt. Von Seiten des Landratsamts besteht kein Zweifel, dass im Zollernalbkreis „weitere und auch größere Unterkünfte geschaffen und betrieben werden müssen“.

Die Notwendigkeit der Unterbringung wird von der Kreisverwaltung also gesehen, die Kritik an den Verantwortlichen auf Landesebene ist gleichwohl deutlich. „Das Innenministerium weist darauf hin, dass die Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen jederzeit gewährleistet bleiben muss. Auf die speziellen Gegebenheiten in den einzelnen Stadt- und Landkreisen wird in der Regel keine Rücksicht genommen“, heißt es in der Vorlage für die Sitzung des Schul-, Kultur- und Sozialausschusses des Kreistags, der am kommenden Montag, 15. November, um 18 Uhr in der Mensa der Sprachheilschule auf Schmiden tagt.

Eine Quasi-Kompensation

Zu Zeiten der Landeserstaufnahmestelle im Kasernengelände auf dem Meßstetter Geißbühl war die Situation noch eine etwas andere. Quasi als Kompensation für den solidarischen und humanitär gebotenen Betrieb der LEA musste in den Kommunen des Zollernalbkreises eine geringere Anzahl von Flüchtlingen und Asylsuchenden in vorläufiger Unterbringung beziehungsweise Anschlussunterbringung versorgt werden.

Kein LEA-Privileg mehr

Nach der Schließung der LEA vor einigen Jahren und dem damit verbundenen Wegfall dieses sogenannten „LEA-Privilegs“ füllten sich die vorhandenen Wohnungen und Häuser, in denen Flüchtlingen untergebracht werden konnten, jedoch wieder. Inzwischen gibt es landkreisweit keine Einrichtung mehr, die nicht jetzt schon mehr Flüchtlinge beherbergt, als maximal vorgesehen.

163 Wohnheimplätze

Nun aber gilt es weitere Flüchtlinge aufzunehmen. Dem Landkreis stehen im Rahmen der vorläufigen Unterbringung, für die aus den Erstaufnahmeeinrichtungen (LEA) nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) zugewiesenen Personen derzeit 163 Wohnheimplätze zur Verfügung (Stand Oktober 2021).

Überbelegung bei 12 Prozent

Es werden nach Angaben der Kreisbehörde derzeit in Albstadt, Balingen, Haigerloch, Meßstetten, Ratshausen und Rosenfeld sechs vorläufige Unterkünfte betrieben. „Im Moment sind diese Unterkünfte mit 185 Personen ausgelastet, womit man rund 12 Prozent über der eigentlichen Aufnahmekapazität liegt.“

Entwicklung ungewiss

„Derzeit ist keine seriöse Einschätzung möglich, wie sich der Flüchtlingszugang in den kommenden Monaten oder darüber hinaus entwickeln wird“, betonen die Zuständigen beim Landratsamt Balingen. Es könne jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass sich der grundsätzliche Trend kurz- und mittelfristig umkehrt.

Mehrere Gründe für Anstieg

Als Gründe hierfür werden wieder durchlässigere Grenzen auf der sogenannten Balkanroute, das Flüchtlingsdrama an der weißrussisch-polnischen Grenze, aber auch die Aufnahme afghanischer Ortskräfte genannt. Aktuell sollten monatlich rund 51 – 55 Geflüchtete vom Zollernalbkreis aufgenommen werden.

Aufnahme-Polster schrumpft

Da die Wohnraumkapazitäten des Landkreises, wie bereits dargelegt, mehr als ausgeschöpft sind, können derzeit wohl nur vereinzelt Personen aufgenommen werden. „Dies hat zur Folge, dass das, während des LEA-Betriebs vom Landkreis aufgebaute, Aufnahme-Polster auf aktuell unter 90 Personen gesunken ist.“ So steht es in der Ausschussvorlage. Es werde aller Wahrscheinlichkeit nach bis zum Jahresende aufgebraucht sein. „Die angespannte Wohnraumsituation erschwert die Gesamtlage zusätzlich.“

Gleiches Bild in Kommunen

Auf die vorläufige Unterbringung der geflüchteten Menschen folgt die Anschlussunterbringung, für die wiederum die jeweiligen Kommunen eines Landkreises verantwortlich sind. Laut der Kreisverwaltung ergibt sich hier das gleiche Bild. „Auch hier ist die Gesamtlage angespannt, da den Kommunen der benötigte Wohnraum fehlt.“

Notfalls in Obdachlosenunterkunft

Wenn aber kein weiterer privater Wohnraum vorhanden ist, werden die Betroffenen von den Städten und Gemeinden in Obdachloseneinrichtungen untergebracht. Im Moment befinden sich kreisweit rund 360 Personen in der Anschlussunterbringung.

Abstimmung mit dem RP

Die Landkreisverwaltung befindet sich nach eigenen Angaben derzeit in Abstimmung mit dem Regierungspräsidium Tübingen in Verhandlungen mit Vermietern und Verkäufern, um weiteren Wohnraum im Rahmen der vorläufigen Unterbringung zu schaffen. Und wirbt bei ihren Gesprächen damit, dass „die Kostenerstattung vonseiten des Landes zugesichert wird“. Man weist von Balinger Landratsamtsseite aber in Richtung der Kommunen vorsorglich auch explizit darauf hin, dass „die Landkreisverwaltung Personen, deren Wohnverpflichtung in der vorläufigen Unterbringung endet, in die Anschlussunterbringung zuweist“.

Appell der Kreisverwaltung

Die Vorlage für den Ausschuss endet mit einem Appell der Kreisverwaltung an die unterschiedlichen Verwaltungsebenen in Baden-Württemberg: „Land, Kreise und Kommunen müssen auf allen Ebenen eng zusammenarbeiten, um die Stärken eines atmenden Aufnahmesystems voll auszuschöpfen.“ Gerade wenn belastbare Prognosen über zukünftige Zugänge nicht vorlägen, gelinge die Flüchtlingsaufnahme nur dann, „wenn alle Ebenen ihre Kapazitäten fortlaufend an die aktuelle Zugangslage anpassen“.

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