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Kreistag lenkt ein: keine Arztpraxen im alten Krankenhaus

Von Hardy Kromer

Die Hechinger haben im Kreistag ihren Willen bekommen: Im Anbau an der Stelle des Westflügels werden keine Arztpraxen geduldet. Mit Kommentar.

Raus aus dem Container: Die „Sonnen-Apotheke“ darf bauen, wo heute noch der Westflügel des alten Krankenhauses steht (im Hintergrund). Allerdings: Arztpraxen als Mieter werden gemäß dem Kreistagsbeschluss vom Montagabend nicht geduldet.

Spannende Debatte, verwirrende Anträge, aus Hechinger Sicht rundum erfreulicher Ausgang: Eine von Freien Wählern und Teilen der CDU getragene Mehrheit des Kreistages hat am Montagabend entschieden, dass auf dem Gelände des früheren Hechinger Krankenhauses zwar ein Neubau für eine Apotheke entstehen darf, aber sonst nichts. Damit ist das erreicht, was der Hechinger Gemeinderat einstimmig gefordert hat. Und dem Hautarzt vom Kirchplatz sowie dem Internisten vom Stockoch ist der Weg an den Fürstengarten versperrt.

Landrat Günther-Martin Pauli, der sich vorigen Mittwoch im Hechinger Rat noch für das Gesamtpaket aus Apotheke und Ärzten verkämpft hatte, bemühte sich im Kreistag um eine Entschärfung des Konflikts. Er räumte zwar ein, dass die Kreisverwaltung das, was sie im Zentrum am Fürstengarten „mit viel Mühe und Arbeit“ in allseits gelobter Weise aufgebaut habe, „gerne abgerundet“ hätte. Aus Hechingen seien im vergangenen Sommer aber „klare Stoppsignale“ gekommen. „Ich sagte daraufhin: Wir legen die Bremse ein.“ Aber den „Bremsweg“, so Pauli, wollten er und sein federführender Dezernent Christoph Heneka noch abarbeiten. Auf die Schnellbremsung setze nun der Hechinger Gemeinderat, der einstimmig den Verzicht auf weitere Arztpraxen wünsche.

Für diesen „ganz klaren Schnitt“ plädierte in der Diskussion als Erster Freie-Wähler-Fraktionschef Lothar Mennig. Das einstimmige Votum aus Hechingen dürfe man nicht ignorieren, lautete sein Appell. Mennig zeigte volles Verständnis für die Hechinger Sorge, dass durch den Abzug zweier Arztpraxen die Frequenz in der Innenstadt leide.

Genau dasselbe stellte auch CDU-Fraktionschef Lambert Maute fest, um freilich ein „Aber“ nachzuschieben: „Es muss dann klar sein, dass das Zentrum für den Landkreis abgeschlossen ist.“ Das bekräftige Landrat Pauli: „Damit sind unsere Pflichten für die Nachnutzung des Klinikgebäudes erfüllt.“

Der Hechinger Freie-Wähler-Stadt- und -Kreisrat Werner Beck erläuterte die Hechinger Position. Er begann mit ganz viel Lob für das, was der Landkreis mit einer Gesamtinvestition von 15 Millionen Euro im Zentrum am Fürstengarten geschaffen hat. Ebenso deutlich machte Beck aber, dass der an der Stelle des Westflügels geplante Neubau mit zwei Arztpraxen „für die Stadtentwicklung schädlich“ wäre.

Die jüngste Konfrontation mit dem Landrat erklärte Beck so: Erster Beigeordneter Philipp Hahn habe im Juli 2017 eine enge Abstimmung mit der Stadt bei weiteren Ausbauschritten gefordert. Pauli habe diese öffentlich zugesagt. Im November, als der Landkreis auf Anfrage der Freien Wähler seine Pläne offenbart habe, sei deutlich geworden, dass diese Abstimmung nicht erfolgt sei. Auch deshalb jetzt das klare Nein aus Hechingen.

Landrat Pauli wiederum wollte von Wortbruch nichts wissen: „Ich habe nichts versprochen, außer dass wir nicht mehr aktiv werben.“

Nicht alle Kreisräte waren vom Kompromiss – Apotheke ja, Ärzte nein – angetan. Ob denn der Apotheker überhaupt noch Interesse habe zu bauen, wenn er keine Ärzte in Miete nehmen könne, wollte Martin Frohme (SPD) wissen. Christoph Heneka antwortete: „Ich bin da guter Dinge.“

Dr. Andrea Metzger (Grüne) warnte vor einer Abwanderung der Ärzte, wenn sie nicht am Fürstengarten unterkämen: „Die gehen dann bei nächster Gelegenheit.“ Dr. Dietmar Foth (FDP) bezweifelte die These von Ärzten als Frequenzbringer und sprach von einem bedenklichen Eingriff in den Markt: „Wenn die Ärzte von auswärts kämen, hätte man es anders gesehen.“ Foth war es auch, der den Hechinger Korruptionsbedenken eine Absage erteilte, unterstützt von Peter Seifert (Grüne): „Der Apotheker zahlt die Miete für den Arzt mit. Das ist ein ganz normales Marktprinzip.“

Ernsthafter Widerstand gegen die Hechinger Linie formierte sich aber nicht. Und doch wurde es am Ende völlig unübersichtlich: Darf nur eine Apotheke mit einem Stockwerk gebaut werden? Oder sollte doch eine zweite Etage erlaubt werden (weil es architektonisch besser passt)? Und was soll dann ausgeschlossen werden? Der Einzug von Ärzten? Oder auch jegliche andere „medizinnahe Nutzung“? Wirrnis pur.

Am Ende ließ der Landrat über den Hechinger Antrag abstimmen – und der ging mit 25:12 (bei 13 Enthaltungen) durch. Ergebnis mithin: Es darf nur eine Apotheke gebaut – und sonst nichts. Das wiederum rief bei vielen, die es gerne liberaler gehabt hätten, Proteste und Kritik an der Abstimmungsregie hervor.

Jetzt geht die Arbeit erst los – Kommentar von Hardy Kromer

Da schau her! Worauf noch vor wenigen Tagen niemand gewettet hätte, ist eingetreten: Den Hechinger Stadt- und Kreisräten ist es mit Unterstützung der Rathausspitze gelungen, die Pläne der Kreisverwaltung für eine weitere Zentralisierung des Hechinger Ärztewesens im und ums ehemalige Krankenhaus abzuwenden. Zu würdigen ist das zuallererst als politische Meisterleistung des führenden Freien Wählers der Stadt: Werner Beck hat monatelang dicke Bretter gebohrt, um zunächst den kompletten Hechinger Gemeinderat, dann die Freien Wähler im Kreistag und schließlich die Mehrheit des Kreisparlaments davon zu überzeugen, dass es der Hechinger Innenstadt schadet, was das Landratsamt plant. Gestern Abend hat er auf ganzer Linie obsiegt. Anerkennung verdient aber auch, dass Landrat Pauli nach dem denkwürdigen Zusammenstoß der Positionen im Hechinger Ratssaal nicht auf stur gestellt, sondern auf Deeskalation gesetzt und den Weg für den jetzt gefundenen Kompromiss frei gemacht hat. Alles gut? Noch lange nicht. Jetzt geht die Arbeit erst richtig los. Der Ball liegt nun wieder im Feld der Hechinger Rathauspolitik. Es gilt dafür zu sorgen, dass die Hechinger Innenstadt so attraktiv wird, dass die umkämpften Ärzte gerne da bleiben. Würden sie die Stadt ganz verlassen, wäre der Schaden doppelt groß.