Kölner Kammeroper macht in Balingen das Land des Lächelns zum Land des Lachens

Von Thomas Meinert

Das Gastspiel der Kammeroper Köln in der Balinger Stadthalle präsentierte sich als eine moderne und zudem komödiantische Inszenierung der 1929 in Wien uraufgeführten Operette von Franz Lehár. Regisseur Joachim Goltz – im „Hauptberuf“ Sänger im Nationaltheater seiner Heimatstadt Mannheim – verwirklichte mit der weltweit bekannten Lehár-Operette seine erste große Operetten-Inszenierung, die durch Einfallsreichtum und Kreativität überzeugte.

Kölner Kammeroper macht in Balingen das Land des Lächelns zum Land des Lachens

Die Darsteller der Kölner Kammeroper, hier Burkhard Solle und Esther Hilsberg in den Titelrollen, beeindruckten in Balingen.

Perfekt war das Zusammenspiel mit Bühnenbild und Kostümen der ebenfalls am Nationaltheater Mannheim engagierten Bühnen- und Kostümbildnerin Jodie Fox: Zentrales Element des Bühnenbildes war ein überdimensionaler Fächer auf einer Drehscheibe, der in Verbindung mit der wechselnden Beleuchtung von Niklas Überschär mal als Bühnenbild, mal als Hintergrund und mal als Trennwand zwischen Zeiten, Szenen und Kulturen fungierte.

Die Kölner Symphoniker beeindrucken von Anfang an

Die „Kölner Symphoniker“ – das Orchester der Kammeroper unter der Leitung von Inga Hilsberg – erwies sich als professioneller Klangkörper, der das Geschehen auf der Bühne mit orchestraler Klangfülle teilweise monumental untermalte. Schon die Ouvertüre beginnt mit den Melodien, die diese Operette bekannt gemacht haben: „Immer nur Lächeln“ und „Dein ist mein ganzes Herz“ sind die beiden bekanntesten Lieder des chinesischen Prinzen und gehören zum Standardrepertoire zahlreicher Startenöre.

Esther Hilsberg ist die Schwester der Orchesterchefin und sang die Weibliche Hauptrolle der „Lisa“, die sich als emanzipierte Wienerische Adelstochter in den chinesischen Prinzen Sou-Chong (Burkhard Solle) verliebt, ihm in sein Heimatland folgt und dort mit den strengen Traditionen Chinas konfrontiert wird. Graf „Gustl“ (Tyler Steele) verliebt sich – nachdem Lisa seinen Heiratsantrag ignoriert – in die Schwester des chinesischen Prinzen, die sich ihrerseits vom „modernen“ Europa und insbesondere vom Tennisspiel fasziniert zeigt.

Die Handlung hat Bezug zur Gegenwart

Das Hin- und Hergerissensein zwischen gegensätzlichen Kulturen und Traditionen, Männern und Frauen ist das Kernthema der Handlung und damit auch heute noch aktuell. Regisseur Goltz versetzt die Handlung in die Gegenwart, würzt sie mit aktuellen Dialogen zur Corona-Problematik; so wird der „Tanz im Garten“, zu dem Graf Lichtenfels (Hans-Arthur Falkenrath) die Gäste seiner Gesellschaft im ersten Akt einlädt, um seiner Tochter die ungestörte Zweisamkeit mit ihrem Prinzen zu ermöglichen, zu „sozialer Dis-Tanz“; im zweiten Akt, in dem Gustl seiner angebeteten Lisa nach China nachreist, erhält er erst nach Vorlage seines digitalen Impfnachweises Einlass, da er aus Österreich kommt, das gerade mal wieder „Hochrisikogebiet“ ist.

Die Dialoge sind tagesaktuell

Seine Enttäuschung, nicht in die Frauengemächer eingelassen zu werden, wird mit dem Gefühl von Tennisprofi Djokovic verglichen. Träger der tagesaktuellen Dialoge ist Schauspieler Markus Lürick in der Rolle des „Eunuchen“, der in einer Soloeinlage nicht nur das Publikum zum Mitmachen anfeuert, sondern auch sein Vertrauen in den Pharma-Konzern Pfizer zum Ausdruck bringt, der nicht nur innerhalb kürzester Zeit einen neuartigen Impfstoff entwickelt hat, sondern als Hersteller von „Viagra“ dafür sorgen könne, seine „Familientradition“ aufrecht zu halten – schließlich seien schon sein Vater und sein Großvater Eunuchen gewesen, und dank Viagra hoffe er darauf, etwas fehlendes aufrecht erhalten zu können, um die Tradition an seine Kinder weitergeben zu können.

Die gelbe Jacke ist der rote Faden

Dabei ist die Inszenierung nicht nur zeitgemäß, sondern greift auch Historisches auf: Lehárs Operette erschien ursprünglich unter dem Titel „Die Gelbe Jacke“ – als Amtstracht des zum Ministerpräsidenten ernannten Prinzen, und endete mit einem Happy-End: In der ursprünglichen Version gibt der Prinz seine Traditionen auf, um Lisa heiraten zu können.

Das spätere Original „Land des Lächelns“ hat hingegen kein Happy-End mehr: Der Prinz bleibt seinen Traditionen treu, und seine Liebe zu Lisa geht ebensowenig in Erfüllung wie Gustls Liebe zur Prinzessin Li; die Inszenierung der Kammeroper Köln greift die gelbe Jacke des Prinzen im Kostümbild auf; am Ende findet sich der Prinz in einem Zwiespalt zwischen der Tradition seines Landes und seinen Gefühlen – er beauftragt Gustl, Lisa in ihre Heimat zurückzubringen und hofft auf ein Wiedersehen – ebenso wie Gustl und Prinzessin Mi.

Der jüngste Darsteller ist 2013 geboren

Und auch das Balinger Publikum dürfte auf ein Wiedersehen mit dem Ensemble der Kammeroper Köln hoffen, das auch sein jüngstes Ensemble-Mitglied aus der Domstadt mit auf die Schwäbische Alb gebracht hat: Den 2013 geborenen Lucas Schaarmann, der zu Beginn des ersten Aktes die Ankunft der Grafentochter ankündigt, nachdem diese ein Reitturnier gewonnen hat und ihr zur Ehre das Fest veranstaltet wird, das auch den chinesischen Prinzen nach Wien gelockt hat.

Die Philosophie des Opernhauses, ein lebendiges und publikumsnahes Musiktheater mit jungen Talenten zu bieten, wurde in der Balinger Stadthalle jedenfalls bestens erfüllt.