Klimaziele nicht verhandelbar: Moritz Rothacher aus Albstadt kandidiert für die KlimalisteBW

Von Jasmin Alber

Mit 18 Jahren ist Moritz Rothacher der jüngste Kandidat, der im Wahlkreis Balingen antritt. Der Abiturient aus Lautlingen hat große Ziele und steht voll hinter dem Programm der Klimaliste Baden-Württemberg, für die er in den Landtag einziehen möchte. Im Gespräch informiert er über seinen politischen Werdegang, die Ziele und nimmt Stellung zur aktuell aufkeimenden Kritik an seiner Partei.

Klimaziele nicht verhandelbar: Moritz Rothacher aus Albstadt kandidiert für die KlimalisteBW

Moritz Rothacher mit Huhn. Die Rothachers halten 15 bis 20 Hühner, die sie mit frischen Eiern versorgen. „Aber es macht auch Spaß, ihnen zuzuschauen“, sagt der Landtagskandidat.

Moritz Rothacher ist 18 Jahre alt und damit der jüngste Kandidat im Wahlkreis 63 Balingen. Er tritt für die Klimaliste Baden-Württemberg an. Die Partei wurde erst im Sommer 2020 gegründet. Der gebürtige Balinger, der mit seiner Familie in Lautlingen lebt, hat während seiner Schulzeit im Hochbegabtenzug am Tübinger Uhland-Gymnasium täglich selbst Pendlererfahrungen gesammelt.

Nicht zuletzt deshalb liegen ihm Klimaschutz und die Ausmaße des Klimawandels in klaren Grenzen zu halten am Herzen. Zu der Fridays-for-Future-Bewegung hat er in Tübingen durch die Schule gefunden. Bei den Streikterminen war er immer dabei. Nach und nach sei der Kontakt zur Albstädter Gruppe geknüpft worden. Sobald es die Coronalage wieder zulässt, „werde ich mich auch dort wieder einbringen“.

In verschiedene Parteien geschnuppert

Nach dem Abitur im vergangenen Jahr hat er sich ein Jahr Auszeit genommen, um sich in Sachen Klimaschutz weiter politisch zu engagieren. In verschiedene Parteien habe er bereits „reingeschnuppert“, aber keine habe ihn mit ihrem Programm überzeugt. Als dann die KlimalisteBW aus der Taufe gehoben wurde, war für den Abiturienten schnell klar: „Da will ich auf jeden Fall mitmachen.“ Von Anfang an war er deshalb mit dabei, unter anderem als die „Taskforce Wahlkreiserschließung“ der sehr jungen Partei anstand.

Schnell war auch geklärt, dass der damals 17-Jährige der Direktkandidat für den hiesigen Wahlkreis werden sollte. Dass der Lautlinger keine halben Sachen macht, zeigt sich auch in einem früheren Projekt. Er hat mit 15 Jahren das „Hefterheft“ erfunden. Der junge Mann heimste Preise ein und war zu Gast in der Pro7-Sendung „Das Ding des Jahres“, um seine Innovation dem deutschen Fernsehpublikum zu präsentieren.

Die erste Hürde – die Unterschriftensammlung, um für die Wahl zugelassen zu werden – wurde trotz pandemiebedingten Einschränkungen geschafft. Im Bekanntenkreis, mit Maske und Abstand in den Fußgängerzonen und auf den Albstädter Wanderparkplätzen waren er und seine Mitstreiter dafür unterwegs, erinnert er sich. Auch beim Wahlkampf mussten die Mitglieder und Kandidaten der KlimalisteBW sich den Gegebenheiten anpassen. „Man muss einfach umdenken im Lockdown“, sagt Rothacher.

Wahlkampf online

Der Parteitag war am 7. Februar online – wenn auch mit digitalen Abstimmungshürden, sodass ein neuer Termin zur finalen Verabschiedung des Wahlprogramms am 8. März noch ansteht. Auch die Kandidatenvorstellung und die Präsentation der Partei laufen online sowohl auf den üblichen Social-Media-Kanälen als auch via Youtube. Plakate und Flyer wurden über das Parteibudget und Spenden finanziert, erläutert der 18-Jährige.

„Wir sind keine Gegner der Grünen, wir kämpfen für das gleiche Ziel. Aber was die Grünen selbst hier im Ländle, als stärkste Kraft, beim Thema Klimaschutz erreicht haben, ist bestenfalls überschaubar“, sagte Moritz Rothacher bereits kurz nach seiner Wahl als Direktkandidat im vergangenen Dezember. Ein Standpunkt, den er immer noch vertritt. Die Parteilinie ist klar: „1,5 Grad ist nicht verhandelbar!“ Damit ist gemeint, dass es einschneidende und vor allem konkrete Maßnahmen geben muss, um die Erderwärmung auf höchstens 1,5 Grad zu begrenzen.

„Die Klimaliste steht in erster Linie dafür, dass wir unsere Lebensgrundlagen erhalten und auf konsequente Weise schützen, was wir zum Leben benötigen: eine funktionierende Umwelt und ein funktionierendes Ökosystem.“ Man wolle auch nicht auf Kosten anderer leben, führt er zudem den Aspekt der Klimagerechtigkeit auf. „Da muss man auch Rücksicht auf andere Menschen auf diesem Planeten nehmen“, sagt er. Das erfordere, dass man sich als Industrienation etwas zurücknehmen müsse und die Emissionen nicht in dem Maße wie bisher ausstoßen könne.

Reaktivierung der Talgangbahn ist ein „großes Herzensanliegen“

Für das Erreichen des Parteiziels erachtet Rothacher als notwendig, dass das Ende des Verbrennungsmotors in zehn bis 15 Jahren geschafft sein muss. Ebenso ist der ÖPNV ein großes Thema für ihn. Die Reaktivierung der Talgangbahn ist eines seiner „großen Herzensanliegen“. Insbesondere, aber nicht nur auf dieser Trasse eigne sich die Schiene bestens dafür, die Leute von der Straße zu holen, und lege den Grundstein für autofreie Innenstädte. Rothacher wirft auch den Blick über den Landkreis hinaus. So müsse beispielsweise bei der Bahnlinie Rottweil – Schömberg Druck aufgebaut werden.

Der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien ist für den Kandidaten unabdingbar, gerade wenn es um die Autoantriebswende geht. Potenzial sieht er in Wasserstoffantrieben. „Diese Technik fasziniert mich“, beschreibt der Lautlinger. Ein Ansatzpunkt, um diesen realisieren zu können, ist die Schaffung der notwendigen Infrastruktur. Auch im Hinblick auf klimaneutrales Fliegen sieht er hier einen möglichen Technologiefortschritt.

„Der Wahlkreis Balingen ist ein heißes Pflaster“, sagt Moritz Rothacher und meint damit die starken Kandidaten der anderen Parteien. Die Resonanz aus der Wählerschaft sei aber gut, so seine Erfahrung aus Gesprächen. „Wir möchten eine Alternative sein: für Nichtwähler oder Wähler, die mit ihrer Partei unzufrieden sind. Deswegen sind wir da.“ Regelmäßige digitale Infoveranstaltungen, Ankündigungen und viele Informationen auf der Website sollen die Partei und deren Mitglieder bekannter machen. Und vor allem eines schaffen: „Wir möchten transparent darlegen, wofür wir stehen.“

„Wollen den Grünen keine Stimmen wegnehmen“

Als Partei hat sich die KlimalisteBW zum Ziel gesetzt, bei der Landtagswahl die Fünf-Prozent-Hürde zu knacken. Das Fundament steht: In 67 von 70 Wahlkreisen im Land kann die junge Partei Landtagskandidaten stellen. „Wir wollen den Grünen keine Wähler wegnehmen, sondern den Klimaschutz in die Politik bringen und priorisieren“, stellt sich Rothacher der Kritik, die zuletzt landesweit an seiner Partei aufgekeimt ist. Mehrere Vorstandsmitglieder legten ihr Amt nieder, verzichteten auf ihre Kandidatur bei der Landtagswahl oder sind gar komplett aus der Partei ausgetreten.

Als Grund dafür gaben sie an, dass die Lücke gefüllt sei, Parteien den Klimaschutz mit ins Parteiprogramm aufgenommen haben und damit die Initiative der Klimaliste hinfällig geworden ist. „Die KlimalisteBW hat sich dieser Frage gestellt. So gab es beispielsweise bereits vor dem Rücktritt der genannten Vorstände eine basisdemokratische Abstimmung über den Antritt zur Landtagswahl“, erläutert der 18-Jährige, aus dessen Sicht die Grünen momentan zwei Probleme haben: „Ihr neues Wahlprogramm passt weder zu ihrer Realpolitik der letzten zehn Jahre noch zu ihrer aktuellen Wähler-Zielgruppe.“

Man müsse die Errungenschaften der grünen Landesregierung beim Klimaschutz „mit der Lupe suchen, wenn sie denn überhaupt zu finden sind“, so der Abiturient. „So lag etwa der Anteil erneuerbarer Energien in Baden-Württemberg 2019 bei gerade einmal 31,5 Prozent. Dabei kamen alle unsere Nachbar-Bundesländer, also Rheinland-Pfalz, Hessen und Bayern auf über 50 Prozent.“ Zum anderen seien die Grünen unter Kretschmann immer weiter in die politische Mitte gerückt.

Reaktion auf Kritik an der Partei

„Die Grünen haben den Platz der ‚radikalen‘ Klimapartei geräumt und beschweren sich nun, dass andere ihn füllen möchten“, kritisiert er, relativiert aber: „Nichtsdestotrotz sind die Grünen natürlich auf Basis ihres Wahlprogrammes unsere Verbündeten im Kampf gegen den Klimawandel.“ Zudem habe sich in Städten wie Erlangen, in denen es die Klimaliste in den Stadtrat geschafft hat, gezeigt, „dass wir das ökologische Lager eher stärken als schwächen“. Eine Koalition sei aus diesem Grund nicht ausgeschlossen. „Und ohne Regierungsbeteiligung würden wir die zukünftige Landesregierung kontinuierlich an die Forderungen der Wissenschaft und ihre Verantwortung gegenüber zukünftiger Generationen erinnern und natürlich auch unsere Ideen einbringen, die dann vielleicht von den Grünen aufgegriffen werden“.

Da Baden-Württemberg seit Jahrzehnten ein Ein-Stimmen-Wahlsystem hat, können die Wähler, anders als bei der Bundestagswahl, nicht ihrem bevorzugten Kandidaten vor Ort die Erststimme, aber gleichzeitig eventuell einer anderen Partei ihre Zweitstimme geben. Das bedeutet, dass der Wähler bei der Landtagswahl auch automatisch das Programm des Kandidaten mitwählt, dem er seine Stimme gibt. Grund genug für die ZAK-Redaktion, einen zusammenfassenden Blick auf das zu werfen, was sich die jeweilige Partei, in diesem Fall die Klimaliste Baden-Württemberg, vorgenommen hat.

„Die Klimakrise ist jetzt. Die KlimalisteBW erkennt die Bedeutung dieser Klimakrise als dringendstes Menschheitsproblem des 21. Jahrhunderts an“, lauten die ersten beiden Sätze der Präambel des Wahlprogramms für die anstehende Landtagswahl. Die globale Mitteltemperatur habe sich im Vergleich zur vorindustriellen Zeit um etwa 1,2 Grad erhöht.

Die KlimalisteBW verfolgt das ambitionierteste Modell, nach dem die Erderhitzung mit einer Wahrscheinlichkeit von 66 Prozent auf 1,5 Grad begrenzt werden kann. Dieses Modell basiert auf mathematischen Sigmoid-Berechnungen: „Bei einem gleichmäßigen Rückgang der Neuemissionen wäre das Budget Anfang 2026 aufgebraucht. In der Realität wird es eine gewisse Vorlaufzeit benötigen, bis die Maßnahmen ihre volle Wirkung auf die Neuemissionen entfalten“, wird im Parteiprogramm erklärt. Klimaabgabe, Rückholprämie und Klimageld sind für die KlimalisteBW drei wesentliche Hauptmaßnahmen, damit der Umschwung hin zur Lösung des Problems gelingt.

Kernziel: die langfristigen Ziele der Menschheit

Die Partei strebt „ein ökonomisches Denken an, das als Kernziel die langfristigen Ziele der Menschheit hat“. Langfristige sowie kurzfristige Maßnahmen für ein zukunftsfähiges Wirtschaften dienten gleichermaßen dazu, die akute Bedrohung der Erderhitzung über 1,5 Grad zu mindern.

Ein wesentlicher Ansatz: die Notwendigkeit einer ökonomischen Neuausrichtung hin zum care-zertifizierten Wirtschaften. Dabei verstehe man „care“ im Sinne der global verstandenen Fürsorge. Die KlimalisteBW fordert eine konsquente Energiewende in allen Bereichen. Das Land soll Planung und Genehmigung von Wind- und Solaranlagen zügig erleichtern. Das Klimaschutzgesetz des Landes soll überarbeitet, Sanktionen für die Nichteinhaltung sollen verschärft werden.

Gremien sollen beraten und mitreden

Denn die „Klimawende birgt enormes Potenzial, vor allem für mielständische Unternehmen in Baden-Württemberg in der Energiewirtschaft, im Maschinen- und Anlagenbau und in weiteren Hochtechnologiesektoren, weltweit führende Positonen einzunehmen“. Zur Beratung soll ein Klimarat in Form eines interdisziplinären wisschaftlichen Expertengremiums eingerichtet werden.

Ebenfalls auf der Agenda hat die KlimalisteBW, sich für einen „Bürger*innen-Rat“ einzusetzen, in dem ein repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung abgebildet wird. Dieser Rat erarbeitet Gesetzesvorschläge zur Lösung der Klimakrise. Ein weiteres Handlungsfeld ist die Verkehrswende, bei dem die KlimalisteBW vorrangig auf Fuß-, Radverkehr und ÖPNV setzt.

Damit korrespondiert auch das städtebauliche Leitbild der Partei: die Stadt der kurzen Wege. Klimaneutrales Wohnen müsse zur Selbstverständlichkeit werden, das unter anderem durch öffentliche Förderung für die Umstellung auf nachhaltige Wärmeerzeugung möglich sein soll.

Keine Klima- ohne soziale Gerechtigkeit

Einhergehend sind auch die Bereiche nachhaltige Landwirtschaft und Ernährungswende, bei denen sowohl der Ressourcenverbrauch als auch das Tierwohl eine große Rolle spielen. Die Klimagerechtigkeit kann laut Parteiprogramm zudem nicht ohne soziale Gerechtigkeit erreicht werden – in allen Bereichen: „Eine wesentliche Grundlage dafür bildet die gerechte Verteilung von Ressourcen und Leistungen.“

Die KlimalisteBW setzt sich für bezahlbare Wohnungen, die Bekämpfung der Kinderarmut sowie die Stärkung der Gesundheits- und Pflegeberufe, ein gerechtes Steuersystem zur Entlastung von Personen mit niedrigem und mittlerem Einkommen und die Verbesserung der Situation von Fliehenden und Geflüchteten ein. Auch eine grundlegende Weiterentwicklung des Bildungssystems hin zu Nachhaltigkeits- und Verantwortungsbewusstsein wird angestrebt.