„Klimaschutz mit wirtschaftlicher Vernunft“: Bareiß will Heimat weiter in Berlin vertreten

Von Pascal Tonnemacher

Thomas Bareiß will Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen bleiben. Doch so sicher wie einst scheint das Direktmandat für den CDU-Mann nicht mehr zu sein – auch weil bundesweit Kritik an ihm laut wird. Was sind die großen Themen, die ihn umtreiben? Wofür steht er und was könnte die Region in den kommenden vier Jahren von ihm erwarten?

„Klimaschutz mit wirtschaftlicher Vernunft“: Bareiß will Heimat weiter in Berlin vertreten

Heimatverbunden: Thomas Bareiß sitzt auf einer Bank am Aussichtspunkt des Tieringer Hörnles.

„Sind Sie net der Bareiß?“ Was freilich eher eine rhetorische Frage ist, hört man nicht selten, wenn man mit Thomas Bareiß unterwegs ist. Der CDU-Mann hat die letzten vier Bundestagswahlen haushoch gewonnen und vertritt den Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen seit 16 Jahren im Bundestag – also so lange wie Angela Merkel Kanzlerin gewesen sein wird.

Wer sich mit ihm in der Heimat am Tieringer Hörnle zum Gespräch trifft, wird hier für einen Plausch oder da für ein kurzes Grüß Gott an potenzielle Wählerinnen und Wähler unterbrochen.

Die Heimat ist „immer eine ganz wichtige Basis“ für ihn. Gerade in den vergangenen Krisenmonaten („für jeden von uns eine außergewöhnliche Zeit“). Und seit er für Wirtschaftsminister Peter Altmaier als Staatssekretär und als Mittelstands- sowie Tourismusbeauftragter in der Regierung mitarbeitet, ist die Arbeit in Berlin oder Brüssel nicht weniger geworden.

Freude an der Arbeit als Staatssekretär

„Was früher vor Ort war, war jetzt digital“, fasst Bareiß zusammen. Während der Corona-Lockdowns war Bareiß auch gefragter Interviewpartner im Fernsehen.

„Mir macht die Arbeit als Wirtschaftsstaatssekretär sehr viel Freude. Ich kann meine beruflichen Erfahrungen einbringen und hatte die Chance, sehr viel umzusetzen“, sagt Bareiß.

Prominente Unterstützer im Wahlkampf

Gestalten, etwas für die Region bewegen, das war schon immer sein Wunsch, das gefällt ihm, wie er sagt. Und das will er auch weiterhin. Dafür rührt er in den vergangenen Wochen kräftig die Werbetrommel und zieht politische Schwergewichte der CDU an Land, die ihn unterstützen.

Dass der Wahlkreis seine Basis ist, habe er gerade in der Pandemiezeit wieder gespürt: „Als Abgeordneter brauchst du den Kontakt zu den Menschen, musst rausgehen, das Gefühl bekommen für Stimmungen. Das geht nur, wenn man die Leute vor Ort trifft und ins Gespräch kommt“, sagt Bareiß.

Was den Wahlkreis bewegt

Die Themen, die auch seinen Wahlkreis bewegen, liegen auf der Hand. Bareiß weiß das, kennt sie und will sie weiter beackern: den Ausbau der Schiene, Ortsumfahrungen und Bundesstraßen-Ausbau, der Wandel der Mobilität, die oftmals alles überschattende Klimakrise oder die Digitalisierung auf allen Ebenen des Lebens.

Wichtig sei ihm die direkte Anbindung der Strecke Sigmaringen – Albstadt – Balingen – Hechingen an Tübingen und der direkte Anschluss an Stuttgart 21. „Unsere Region wird damit zum großen Gewinner von Stuttgart 21“, meint Bareiß.

Digitalisierung vorantreiben

Und wie wichtig das schnelle Internet und die Breitbandversorgung ist, habe man in den vergangenen zwei Jahren besonders deutlich gespürt.

Die Sorgen der Bürger im Oberen Schlichemtal in der Plettenberg-Causa verstehe er und bedauere, dass die Mediation gescheitert ist. Er sagt: „Das Naherholungsgebiet Plettenberg, in dem ich oft wandere, muss erhalten bleiben. Deshalb brauchen wir einen Interessensausgleich zwischen den Bürgern, dem Erhalt der Natur und Arbeitsplätzen – unter Einhaltung von hohen Umweltstandards und den besten technischen Anlagen zur Vermeidung von Gesundheitsgefahren.“

Zement soll klimaneutral werden

Der Holcim-Konzern wird für sein Produkt, den ‚Klimakiller‘ Zement, kritisiert. Bareiß sagt dazu: „Zement ist sehr CO2-intensiv. Das heißt, wir brauchen in Zukunft auch Verfahren, die klimaneutral funktionieren. Da stehen wir erst am Anfang der Entwicklung.“ Bauen müsse in Zukunft aber auch für jedermann bezahlbar bleiben. Auch Holz als Baumaterial nehme an Bedeutung zu.

Effizientes Bauen und Heizungssysteme würden mit viel Fördergeld unterstützt, was jedem zugute komme, betont Bareiß. Man habe bei der Sanierung und Modernisierung von Heizungssystemen enorme Erfolge erzielt.

Bareiß fordert Mix bei Heizungen

Auf die Kritik daran, dass Holzpelletöfen nicht CO2-frei arbeiten und Schadstoffe freisetzen, sagt Bareiß, dass man generell einen Mix brauche: „Ob Solarthermie, Wärmepumpen, Photovoltaik, Holzpellets, Hackschnitzel oder ein hocheffizienter Brennwertkessel. Das muss man vor Ort entscheiden.“

Zur weltweiten Müllproblematik sagt Bareiß auch: „Recycling und die Kreislaufwirtschaft spielen eine immer größere Rolle. Das ist wichtig.“

Noch kein Postengeschacher

Bereits über Ministerposten oder seine Stelle als Staatssekretär reden in einem Kabinett Laschet? Eher ungern. Politik sei unberechenbar, sagt Bareiß. „Jetzt kämpfen wir erstmal für ein starkes Wahlergebnis, danach schauen wir weiter.“

Die Frage kommt verfrüht – auch wenn er Armin Laschet gut kenne und schätze. Bei den Koalitionsverhandlungen 2017 habe er mit dem CDU-Kanzlerkandidaten das Thema Energie beackert – ohnehin eines von Bareiß‘ Steckenpferden. „Seither haben wir auch einen guten Draht zueinander. Wir schätzen uns gegenseitig“, sagt Bareiß.

Geschätzt ist bei Bareiß auch Friedrich Merz, der es als Wirtschaftsexperte in Laschets Zukunftsteam geschafft hat – und so bei einer neuerlichen Regierungsbeteiligung Bareiß‘ neuer Chef werden könnte.

Thomas Bareiß tritt zum fünften Mal als Direktkandidat an, ist nicht über die Landesliste abgesichert. Zwar wird der CDU-Kandidat seit Jahr und Tag mit großem Abstand direkt in den Bundestag gewählt, doch von einstigen Traumergebnissen nahe der 70 Prozent kann Bareiß seriöserweise nur träumen.

Kritik an Umfrageergebnissen

Wie die kürzlich von „Campact“ in Auftrag gegebene Umfrage ergab, lag er mit dem Grünen-Kandidat Johannes Kretschmann sechs Wochen vor der Wahl gleichauf. Doch auf diese Umfrageergebnisse gibt man keinen Pfifferling bei der Kreis-CDU. In den letzten Tagen vor der Wahl sollen nur Inhalte und Erfolge der vergangenen Jahre zählen.

Genauso wenig gibt man dieser Tage auf die Kritik, die er von Organisationen wie „Greenpeace“, in Büchern oder in der Presse in den vergangenen Monaten zu hören bekam.

Mehrere Vorwürfe wurden laut

Bisweilen wird er als „Klimaschutz-Bremser“ oder Teil des „Bermudadreiecks der Energiewende“ bezeichnet, in dem jeglicher Fortschritt beim Klimaschutz und beim Ausbau erneuerbarer Energien verschwinden würde. Strafrechtlich relevant war Bareiß‘ Wirken bislang aber nie.

Auch nicht in der „Aserbaidschan-Affäre“. Die Verbindung mit dem von Diktator Ilham Alijew regierten Land mit riesigen Ölreserven klebt Bareiß jedoch weiterhin am Schuh.

Die große Twitter-Blase

Vor allem in den sozialen Netzwerken: Doch Twitter sei „oft eine große Blase“, meint Bareiß. Viel zu oft halte sich die Berliner Politik in diesen Internet-Blasen auf. Gerade er selbst übrigens auch. „Mit dem richtigen Leben hat das aber meist wenig zu tun“, sagt Bareiß. Deshalb wisse er mehr denn je jedes persönliche Gespräch vor Ort zu schätzen.

Aserbaidschan als Partner

Doch Geschäfte machen mit Aserbaidschan? Deutschland als Export-Nation brauche Partner, sagt Bareiß. Nicht in jedem Land herrsche Freiheit, Demokratie und Wohlstand wie in Deutschland. „Ich habe auch im Ausland immer unsere Werte und Anliegen verteidigt und mich zum Beispiel für Rechtsstaatlichkeit eingesetzt“, sagt Bareiß.

Ruhig blieb es in den vergangenen Monaten bei den meisten deutschen Politikern, wenn es um den Bergkarabach-Konflikt geht. Auch im Gespräch schlägt Bareiß sich auf keine Seite. Denn „das ist ein ganz schwieriger Konflikt und die Ursprünge liegen schon viele Jahrzehnte zurück.“

Vorwürfe seien widerlegt worden

„Ich bin mit beiden Seiten im Kontakt, mit Armenien und Aserbaidschan und weiß, wie tief die Wunden da sind.“ Auch Russland, der Iran und die Türkei würden da eine nicht immer gute Rolle spielen. Deshalb sei eine schnelle Lösung leider nicht in Sicht.

In der „Aserbaidschan-Affäre“, so betont er, seien alle Vorwürfe und Behauptungen widerlegt und entkräftet worden. „Ich habe mich in den letzten Jahren in vielen Ländern für die deutsche Wirtschaft und den Mittelstand eingesetzt“, sagt Bareiß.

Kritik an Lobbyarbeit

Dieses Engagement kritisierte vor einigen Tagen der ‚Spiegel‘, der titelte, dass CDU-Abgeordnete, darunter Bareiß, Lobbyarbeit für die ‚dubiose Münchner Firma‘ Varex in der Ukraine gemacht hätten. Auf Twitter nimmt Bareiß daraufhin ausführlich Stellung und erklärt den Fall aus seiner Sicht. Dass er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bedrängt habe, weist er aufs Schärfste zurück.

„Ich bin entsetzt und schockiert über diese Unterstellungen und persönlichen Angriffe auf meine Person. Diese haben inzwischen ein unerträgliches Ausmaß angenommen, das ich als demokratieschädigend empfinde“, schreibt Bareiß abschließend.

Wahlkampf soll ehrlich und fair bleiben

Auch bei „den grünen Klimaaktivisten“ beobachtet Bareiß „eine immer stärker werdende Radikalisierung“, was ihm große Sorgen mache. Er wolle jedoch weiterhin die großen Themen gemeinsam, nicht gegeneinander lösen. Zudem lasse er sich nicht nervös machen.

„Ich bleibe bei einem ehrlichen, offenen und fairen Wahlkampf“, sagt Bareiß, der sich jedoch auf sämtlichen Kanälen in den vergangenen Wochen die ein oder andere Spitze in Richtung SPD oder Grüne nicht verkneifen konnte. Auch auf Twitter wehrt er sich gelegentlich mit heftigen und deutlichen Worten gegen Kritik.

„Campact“-Kampagne sei Skandal

In der Kampagne von „Campact“, die die Abwahl von Bareiß als Ziel hat, sieht Bareiß einen Skandal. Der CDU-Mann sagt: „Wer unseren Wahlkreis in Berlin vertritt, entscheiden die Wähler, und nicht ‚Campact‘, das mit seinen Aktionen die Axt an unsere demokratische Gesellschaftsform anlegt.“

Der Verein wiederum sieht darin eine legitime öffentliche Meinungsäußerung. Auf die Kritik an den Umfrage-Ergebnissen antwortet Campact, dass sie „keinerlei Einfluss“ gehabt hätten.

Der Kritik an Klimapolitik widersprochen

Auf Kritik an seiner Klimapolitik angesprochen, sagt Bareiß, dass er diese nicht nachvollziehen könne. Kein anderes Land in Europa sei so erfolgreich beim Klimaschutz wie Deutschland. Fast 50 Prozent des Stroms stamme zwischenzeitlich aus erneuerbaren Energien.

Dass er Klimaschutz-Bremser genannt wird, findet er „nicht nur unfair, sondern unverschämt“, wie er sagt. „Das Gegenteil ist der Fall.“ Denn: „Ich selbst habe mich für den Ausbau der Energieeffizienz und der Energiespeicher eingesetzt, war an der Entstehung der Wasserstoffstrategie beteiligt und habe für den Stromleitungsausbau geworben.“

Kohleausstieg nicht vorziehen

Die Folgen der menschengemachten und unumkehrbaren Klimakrise sind weltweit spürbar. Das Bundesverfassungsgericht hatte das Klimaschutzgesetz der Großen Koalition als in Teilen verfassungswidrig bezeichnet. Der Weltklimarat hatte jüngst das Fazit gezogen, dass der angestrebte Klimaschutz nicht ausreiche und eine Erderwärmung von 1,5 Grad bereits deutlich früher als bislang angenommen 2030 erreicht werden könnte.

Deshalb will Bareiß aber nicht den Ausstieg aus der Kohleverstromung vorziehen. „Die nächsten vier Jahre werden eine extrem große Kraftanstrengung“, sagt er. Das Ergebnis der Kohle-Kommission, 2038 auszusteigen, solle man nicht laufend in Frage stellen, sondern umsetzen. „Alles andere macht Politik unglaubwürdig“, meint Bareiß.

Gas bleibt wichtig

Auch wenn „erneuerbare Energien eine immer wichtigere Rolle spielen“ werden, könne man „nicht von heute auf morgen auf Gas verzichten“. Deshalb brauche es auch eine Verbreiterung und Absicherung der Gaszugänge.

Klimaschutz sieht Bareiß als ein sehr wichtiges Thema, wie er sagt – und eine weltweite Aufgabe. „Mein Antrieb ist, dass wir in Deutschland zeigen, es funktioniert, und man kann Klimaschutz mit wirtschaftlichem Erfolg verbinden“, sagt Bareiß.

Vorbildfunktion Deutschlands

Nur dann würden andere Länder in Asien und Amerika Deutschland auf diesem Weg folgen. „Deshalb müssen wir Klimaschutz mit wirtschaftlicher Vernunft und Augenmaß machen“, sagt Bareiß, der auch den Blick in die Heimat richtet: „Wir in unserer Region dürfen dabei nicht abgehängt werden.“

„Auch die tägliche Fahrt zur Arbeit muss bezahlbar bleiben“, so Bareiß. „Ich will, dass wir in allen Technologien vorne sind: Elektro, Brennstoffzelle, aber auch bei einem sparsamen Verbrenner mit synthetischen Kraftstoffen.“ Ladezeiten bei E-Autos und Akkukapazitäten würden in zwei oder drei Jahren seiner Meinung nach kein so großes Problem mehr darstellen.

Impfen ermögliche normales Leben

Wie lückenhaft das Netz an Wasserstofftankstellen, aber auch Schnellladesäulen und normalen Ladesäulen für Elektroautos ist, erlebe er derzeit tagtäglich. Bareiß ist nicht nur mit einem Verbrenner-Citroen, sondern im Wahlkampf auch mit einem vollelektrischen Mercedes eVito unterwegs.

Doch auch die Coronakrise beschäftigt Bareiß noch immer. Wegen der vergleichsweise schlechten Impfquote in der Region Zollernalb-Sigmaringen bittet er jeden, sich schnell impfen zu lassen, „denn dann ist ein normales Leben bald wieder gesichert“.