Keime auf Wilke-Wurst in Balingen: Warum die hiesigen Behörden nichts veröffentlicht haben

Von Pascal Tonnemacher

Bereits Mitte April haben Lebensmittelkontrolleure – wie berichtet – in Balingen in einem Großmarkt Listerien auf Wurst der Firma Wilke entdeckt. Das Verbraucherschutzministerium Baden-Württemberg erklärt nun auf ZAK-Anfrage, weshalb weder sie noch das Landratsamt bis vor wenigen Tagen den Vorfall berichtet haben.

Keime auf Wilke-Wurst in Balingen: Warum die hiesigen Behörden nichts veröffentlicht haben

In Balingen wurde bereits im April gesundheitsschädliche Wurst der Firma Wilke entdeckt. Diese symbolische Wurstplatte ist vermutlich unbelastet (Symbolfoto).

Das Wörtchen Balingen fiel in einem Statement des Verbraucherschutzministers Peter Hauk nur beiläufig. Erbost äußerte es sich vor einigen Tagen zu dem sich nun langsam lichtenden Wirrwarr des (Nicht-)Handelns der hessischen Behörden im Wilke-Wurstskandal.

Bereits Mitte April sei ebendiesen durch den Fund in Balingen das Listerien-Problem eigentlich bekannt gewesen. Auch aus Hamburg wurde bereits im März ein solcher Fall berichtet.

Dass Lebensmittelkontrolleure in einem Balinger Großmarkt also bereits Monate vor Bekanntwerden des Wurst-Skandals Keime festgestellt hatten, kam also eher zufällig ans Tageslicht.

Warum die Behörden nicht schon im April an die Öffentlichkeit gingen

Werden beispielsweise Gammelfleisch oder Ratten in einem hiesigen Restaurant entdeckt, veröffentlicht das Gesundheitsamt des Zollernalbkreises das qua Gesetz auch direkt abrufbar auf mehreren Webseiten. Wieso nicht in diesem Fall?

Beim Verbraucherschutzministerium heißt es dazu auch im Namen des Landratsamtes auf ZAK-Anfrage, dass zuallererst der schnelle und bestmögliche Schutz der Verbraucher sowie die Verhältnismäßigkeit im Fokus des Handelns stehen, ohne Verbraucher unnötig zu verunsichern.

Denn ohne sich generell schützend vor Unternehmen stellen zu wollen: Für ein kleines Unternehmen kann eine Veröffentlichung stigmatisierend sein und schon fast den Ruin bedeuten.

Verbraucherschutzministerium erklärt den Ablauf

Im April habe man deshalb wie folgt reagiert: Es gab ein betroffenes Produkt, die 500-Gramm-Packung 3-fach-sortierte Wurst, insgesamt eine überschaubare Anzahl von 40 Packungen, das Mindesthaltbarkeitsdatum war schon fast abgelaufen.

Der Kundenstamm des Großmarkts, der vor allem aus Gastronomen besteht, sei auf direktem Wege erreicht worden. „Eine öffentliche Informationen hätte in diesem Fall Mitte April den Verbrauchern nichts gebracht“, heißt es aus dem Ministerium. „Wir hätten rückblickend zu diesem Zeitpunkt nicht anders reagiert.“

Hessen hätten schneller und deutlicher reagieren müssen

Weshalb es Landratsamt und baden-württembergisches Ministerium dabei belassen hatten, ihre Pendants in Hessen auf doppeltem Wege über den hiesigen Vorfall zu informieren.

Der Fall Balingen, der nun eben eher zufällig bekannt wurde, zeigt jedoch: „Die Hessen hätten deutlicher und schneller reagieren müssen“, sagt Ministeriumssprecherin Isabel Kling rückblickend.

„Spätestens im August“, fügt Kling an. Damals soll das hessische Verbraucherschutzministerium, so behauptet deren Ministerin, von Listerien im Zusammenhang mit Wilke erstmals erfahren haben.

Listerien sind ein gängiges Problem

Vor allem, da das Listerien-Problem die Behörden bei mehreren Produkten laufend beschäftigt, wie der zuständige Referatsleiter beim Verbraucherschutzministerium, Dr. Edwin Ernst, sagt. Listeriose ist zwar in der Regel relativ ungefährlich, kann aber bei gesundheitlich angeschlagenen Betroffenen auch tödlich verlaufen.

Ein reiner Nachweis von Listerien allein reiche nicht für einen Rückruf aus. Entweder müssen sie sich vermehren können oder es muss ein gesundheitsgefährdender Grenzwert überschritten sein.

Ging alles zu langsam voran?

Im Laufe des Augusts kam alles gemächlich ins Rollen, vieles bleibt aber bis heute noch unklar. Es wurden Verkaufsstellen bekannt, von Bundesebene aus wurde ein eines Zusammenhangs zwischen Listerien-Fällen aus 2014 und der Firma Wilke weitergegeben. Beinah zwei Monate vergingen bis die Produktion bei der Firma Wilke gestoppt wird.

Nach und nach hatte sich das Unternehmen – offenbar vergeblich – darum bemüht, das Problem in den Griff zu kriegen, das womöglich mehrere Jahre in die Vergangenheit, aber zumindest bis zu einem ersten Verdachtsfall ins Jahr 2018 zurückreicht.

Und ebenfalls erst nach und nach wird bekannt, wie weit verbreitet Wilke-Produkte im Handel sind. Denn diese gelangten unter verschiedenen Namen auch in Großküchen und in den Einzelhandel.

Bei Fällen im Einzelhandel wird öffentlich gemacht

Bei einem vergleichbaren Fall im Einzelhandel, so informiert das baden-württembergische Ministerium, hätte man üblicherweise die Ware aus dem Regal genommen und Kunden über einen Aushang informiert. Die Behörden hätten über die entsprechende bundesweite Plattform eine Lebensmittelwarnung herausgegeben.

In diesem speziellen Fall und zu diesem Zeitpunkt, als das Ausmaß des Problems den hiesigen Behörden noch nicht bekannt war, wäre eine Lebensmittelwarnung auch nicht die beste Lösung und verhältnismäßig gewesen, sagt die Ministeriumssprecherin.

System ist in Baden-Württemberg sicherer

Dass der Fall Wilke so hätte nicht in Baden-Württemberg passieren können, will Isabel Kling nicht in aller Deutlichkeit sagen. Deutlich wird laut der Ministeriumssprecherin im Rückblick jedoch, dass das hiesige System sicherer ist.

Im Gegensatz zu Hessen, wo das Land den Landkreis nur zum Handeln bitten konnte, hat das Land hier ein Weisungsrecht gegenüber dem Landkreis und mehr Möglichkeiten in schwierigen Situationen die Fäden in die Hand zu nehmen.

Ministerium hat nach eigenen Angaben richtig reagiert

Heißt konkret auch: Rückblickend hätten die baden-württembergischen Verantwortlichen mit dem damaligen Wissensstand nicht anders reagiert, als sie es getan haben.

Denn es gab damals keine weiteren Funde, keine Krankheitsfälle. Der Fall Balingen war an das Land Hessen und den Landkreis Waldeck-Frankenberg, wo das Unternehmen Wilke seinen Standort hat, abgegeben worden.

Hessen muss nun wichtige Fragen klären

Auch wenn aus solchen Fällen (länderübergreifend) immer versucht werde zu lernen, liegt der Ball nun in Hessen. Dort wartet Verbraucherschutzministerin Priska Hinz auf den Aufklärungsbericht des Landkreises Waldeck-Frankenberg.

Jetzt gilt es Folgendes zu klären: Wieso hat es mit der Schließung so lange gedauert? Gab es Fehler in der Kommunikation? Waren Kontrollen zu ungenau? Und: Muss die gesamte Meldekette bei solchen Fällen bundesweit auf den Prüfstand?