Balingen

Kabarett und Impro: Zwei wandelbare Künstler begeistern die Schwoba vo dr Alb in Balingen

04.02.2020

Von Thomas Meinert

Kabarett und Impro: Zwei wandelbare Künstler begeistern die Schwoba vo dr Alb in Balingen

© Thomas Meinert

Die beiden Künstler auf der Stadthallenbühne.

„Ab durch die Mitte“ heißt das Programm, in dem sie sich mit den „Midlife-Crisis“ der Lebensmitte auseinandersetzen: Seit 28 Jahren kennen sich Mirjam Woggon und Udo Zepezauer – genug Zeit, um gesammelte Erfahrungen des Lebens in ein Kleinkunstprogramm einzubetten, das die Aspekte des Älterwerdens von Mann und Frau in vielen Facetten beleuchtet. Eine muntere Mischung aus Liedern, Monologen, Dialogen und Spielszenen sorgt für einen kurzweiligen Abend in der Balinger Stadthalle.

Bekannte Melodien sind es, die die beiden Comedians mit neuen Texten unterlegen. So wird „Aber bitte mit Sahne“ von Udo Jürgens als Programmauftakt zum Mottolied „Ab durch die Mitte“, Udo Lindenbergs „Sonderzug nach Pankow“ zu einer Persiflage auf den Jargon der 80er, „Dshingis Khan“ zu „und dann fing es an“, „ti amo“ zu „unsichtbar“, „Du kannst nicht immer 17 sein“ zum musikalischen Finale des knapp zweistündigen Programms.

Improvisation ist alles

Eine besondere Stärke des Duos ist die Improvisation: Udo Zepezauer – Urgestein der Disziplin „Theatersport“ – läuft zur Höchstform auf, wenn er in die Rollen eines senilen Opas, eines genervten Lehrers, eines Patienten beim Nervendoktor, eines Moderators oder eines afrikanischen Stammeshäuptlings schlüpft.

Mirjam Woggon brilliert mal als Gebärden-Dolmetscherin, mal als Aktionskünstlerin, mal als geschiedene Mutter oder gestresste Ehegattin, Tochter und Hausfrau. Die Zuschauer im voll besetzten Kleinen Saal der Balinger Stadthalle werden aktiv in das Programm einbezogen: Marlene und Helmut, Andrea, Wolfgang und Tim werden zu Helden der Show, und immer wieder liefert das Publikum Stichworte und Vorgaben für die Improvisationen der beiden Schauspieler, die diese Herausforderung mit sichtlichem Spaß genießen und sich immer wieder gegenseitig die Bälle zuspielen.

Wiedererkennungswert für die Besucher

Das Programm ist ein Erfolg, denn irgendwann erkennt sich jeder Zuschauer in den gespielten Szenen wieder, wird an eigene Lebenserfahrungen erinnert, die von Zepezauer und Woggon aufgenommen und widergespiegelt werden. Sie sprechen „nicht nur über Krankheiten, sondern auch über den allgemeinen Verfall“, den das zunehmende Alter mit sich bringt, wobei Frauen mehr unter dem Älterwerden leiden als Männer.

Dabei schrecken die beiden auch vor Selbstironie nicht zurück: So beschreibt Mirjam Woggon eine Flirt-Situation im Alter, in der sie das „ich suche nichts festes“ des Mannes selbstbewusst mit „dann werden dir meine Oberschenkel gefallen“ kontert. Auch Zepezauer nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er offen über Glatzenbildung und Potenzprobleme spricht oder über seine Abhängigkeit von Hörgerät, Brille und Dritten Zähnen philosophiert.

Gefangen zwischen renitenten Generationen

Das Leben in den 50ern beschreiben sie als „Generationen-Sandwich“, eingebettet zwischen den renitenten und dementen Eltern und den ebenso renitenten pubertierenden Kindern, die „schon alles wissen und sich nichts mehr sagen lassen wollen“. Zwischendurch gibt es gereimte Texte wie die „Ballade von der gestressten Sabine“ oder der Beschreibung des vergeblichen Versuchs, gemeinsam etwas zu kochen, der schließlich in der Lösung endet, gemeinsam zu fasten.

Zu einem schauspielerischen Höhepunkt wird die „Kunstinstallation mit Alltagsgegenständen“, bei der eine rote Mütze und Taschentücher aus dem Publikum zu Requisiten und Hauptdarstellern der improvisierten Performance werden.

Den „Schwoba vo dr Alb“ gefällt das Bühnenspektakel

Rasant wechseln die Spielszenen: Vom Steh-Blues in der Disko ins „Studierenden-Café“, vom „Yoga-Resort“ auf Fahrer- und Beifahrersitz des Familienautos, vom Klassentreffen ins heimische Wohnzimmer. Auch der lokale Bezug wird nicht ausgelassen – so wird Balingen als Stadt der „Holzhacker-Aktivisten“ in die Spielhandlung aufgenommen und der besondere Charakter des „Schwoba vo dr Alb“ aufs Korn genommen.

Das Publikum ist begeistert und fordert zwei Zugaben, die das Duo mit Improvisationen über „Rücken, Verdauung und Dritte Zähne“ auf Kisuaheli und einem improvisierten Liedermacher-Song gerne gibt.

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