Junger Mann bedroht Rettungssanitäterin mit dem Tod – Gericht verurteilt ihn zu Sozialarbeit

Von Stephanie Apelt

Die Richterin am Amtsgericht Hechingen machte in der Verhandlung klar: Das geht gar nicht. Der Angeklagte muss deshalb 20 Arbeitsstunden für einen gemeinnützigen Zweck ableisten.

Junger Mann bedroht Rettungssanitäterin mit dem Tod – Gericht verurteilt ihn zu Sozialarbeit

In öffentlicher Sitzung verurteilt wurde ein junger Mann, der eine Rettungssanitäterin bedroht hatte. (Symbolfoto)

Wenn du ihm nicht hilfst, wirst du sterben.“ Ein junger Mann soll eine Rettungsassistentin bei einem Einsatz in Bisingen bedroht haben. Der Angeklagte, der deutschen Sprache nicht allzu mächtig, bestreitet dies. Doch die zuständige Richterin, Irene Schilling, glaubt ihm nicht, dafür den Zeugen. Und verurteilt den jungen Mann.

Schnittwunde am Handgelenk

Zumindest über den ungefähren Hergang des Einsatzes, der nun zu der Verhandlung vor dem Amtsgericht Hechingen führte, waren sich Angeklagter und fünf Zeugen einig: Der ältere Bruder des Angeklagten hatte sich eine tiefe Schnittwunde am Handgelenk zugefügt, die Familie wollte ihn so schnell wie möglich ins nächste Krankenhaus bringen. Auf der Fahrt dorthin aber machte der Verletzte schlapp. Er könne nichts mehr sehen, klagte er.

Ersthelfer schnell vor Ort

Die Familie hielt an, bat einen Passanten, den Notruf zu tätigen. Noch bevor der Rettungswagen eintraf, war ein Ersthelfer vor Ort, verband die stark blutende Wunde am Handgelenk. Nur wenig später war auch der Rettungswagen da. Von hier nun gehen die Schilderungen des Angeklagten und seiner Familie auf der einen Seite, der Zeugen auf der anderen weit auseinander.

Die Situation eskaliert

Die Rettungssanitäterin stieg aus, sie war die erfahrenere Einsatzkraft, wie ihr Kollege vor Gericht schilderte. Sie wollte den Verletzten untersuchen, dann eskalierte wohl die Situation. „Als wir kamen, war die Stimmung schon sehr aufgebracht“, sagte die Frau im Zeugenstand aus. Ich wollte mich um den Patienten kümmern, und wurde angeschrien.“

Bei Frau nicht gut aufgehoben

Der Angeklagte und sein Bruder, der Verletzte, fühlten sich, wie sie sagten, bei der Frau nicht gut aufgehoben. „Sie hat meinen Bruder grob am Arm gepackt, ihm dabei Schmerzen zugefügt.“ Er gab zu, laut geworden zu sein. Die Rettungssanitäterin sah sich nicht in der Lage, sich, so wie sie es für richtig hielt, um den Patienten zu kümmern. „So kann ich nicht helfen“, habe sie gesagt. Das ließ den Angeklagten wohl ausrasten: „Mach jetzt endlich, wenn nicht, wirst du sehen, was du davon hast, du wirst sterben.“ Dieser Satz soll laut Sanitäterin, und darauf stützte sich auch die Anklage, gefallen sein.

Sanitäterin fühlte sich bedroht

Die Frau fühlte sich bedroht, „mir war sehr mulmig“. Der Ersthelfer hatten den Eindruck: „Sie ist regelrecht in sich zusammengefallen.“ Die Rettungssanitäterin rief die Polizei. „Die Frau lügt“, sagte der Angeklagte. Die Rettungssanitäterin habe von vornherein etwas gegen seinen Bruder und ihn gehabt. Der junge Mann versicherte: Er habe nicht gesagt „du wirst sterben“, sondern „der wird sterben“, und damit seinen Bruder gemeint.

Nur ein Missverständnis?

Sein Bruder bestätigte das – und sah sich selbst als Opfer des ganzen Vorfalls, schließlich sei er es doch gewesen, der geblutet habe. War also alles nur ein sprachliches Missverständnis? Nein, sagten der Kollege der Rettungssanitäterin und der Ersthelfer aus. Die Frau sei bedroht worden. Der Staatsanwalt sah den Tatbestand der Bedrohung bestätigt. Er forderte für den jungen Mann, der bis dahin strafrechtlich nicht aufgefallen war, dem es aber auch, wie es die Jugendhilfe festhielt, schwer falle, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen, 20 Arbeitsstunden in einer gemeinnützigen Einrichtung. Die Kosten des Verfahrens müsse er nicht tragen.

Warum lügen?

Die Richterin schloss sich an. Sie zeigte sich bei der Urteilsbegründung überzeugt, dass der Angeklagte die Rettungssanitäterin mit dem Tod bedroht habe. Es könne nur eine Version des Vorfalls richtig sein. Angeklagter: Warum sollte ich lügen?“ Richterin: „Warum sollten das der Ersthelfer und der Rettungskollege tun?“ Zugute hielt die Richterin dem Angeklagten, dass er in Sorge um seinen Bruder gewesen sei, Angst gehabt habe, „sonst wäre die Strafe noch viel höher ausgefallen.“ Denn: „Rettungsleute zu bedrohen ist untragbar, nicht tolerabel.“

Bei Arbeitsverweigerung droht Knast

Und sie schob nach: „Sie haben den Rettungsdienst gerufen. Diese Leute wissen, was zu tun ist.“ Es sei Sache des Angeklagten – und seines verletzten Bruders gewesen – diese Anweisungen zu befolgen. „Sie tun der Rettungssanitäterin großes Unrecht.“ Diese habe helfen wollen. Für den jungen Mann gab es neben den 20 Arbeitsstunden noch eine deutliche Warnung mit auf den Weg: Leistet er diese nicht ab, wird er eingesperrt.

Jetzt ist der Bruder dran

Ein Nachspiel hat die Verhandlung übrigens noch für den Bruder des Angeklagten. Der Staatsanwalt will diesen jetzt wegen Falschaussage vor Gericht bringen.