FUSSBALL

Jüngere Kaderstruktur: Der neue personelle Kurs der TSG Balingen in der Regionalliga

16.01.2021

Von Marcel Schlegel

Jüngere Kaderstruktur: Der neue personelle Kurs der TSG Balingen in der Regionalliga

© Sören Herl

Luca Kölsch (links) und Felix Heim kamen im Sommer zur TSG Balingen

Die neue Transferpolitik der TSG Balingen (spielt heute in Stadtallendorf) in der Fußball-Regionalliga Südwest ist sinnvoll, notwendig und vor allem erfolgreich. Sie birgt aber auch ein Risiko.

Unter Trainer Martin Braun hat die TSG Balingen ihre Transferpolitik an die Gegebenheiten des Halbprofi-Bereichs der Regionalliga Südwest angepasst. Das heißt: Noch nie zuvor holten die Verantwortlichen des Amateurklubs aus der Kreisstadt mehr Talente, die ihre Jugendfußballzeit in professionalisierten Nachwuchsleistungszentren von Bundesliga-Vereinen verbrachten, aber nach der U19-Bundesliga den Sprung in eine der drei Lizenzligen oder zumindest in den Profistatus nicht auf Anhieb schafften. Das bedeutet auch: Diese Spieler sind jung, meist um die 20, noch formbar – auf alle Fälle aber topp ausgebildet.

Die TSG Balingen wird heute um 14 Uhr beim Regionalliga-Letzten Eintracht Stadtallendorf erwartet. Lesen Sie hier den Vorbericht.

Felix Heim etwa spielte zuletzt genauso wie Ivan Cabraja (beide 19), der schon zur letzten Saison nach Balingen wechselte, beim VfB Stuttgart in der A-Jugend. Die im Sommer verpflichteten Simon Klostermann (20), Tim Wöhrle (21) und Luca Kölsch (20) gingen allesamt durch die renommierte Nachwuchsakademie der TSG 1899 Hoffenheim. Auch Jonas Fritischi (20), zur vergangenen Runde aus der U19 des SC Freiburg gekommen, gehört auf die Liste jener Neulinge, die sich selbst noch mit mindestens einem Bein auf dem Sprung sehen – auf dem Sprung in eine höhere Liga.

Jugend auf dem Sprung?

Einen Hehl machen die Jungs daraus nicht: Wöhrle, Klostermann oder Kölsch, sie alle bekräftigten kürzlich, dass sie die 4. Liga als Bühne und die TSG Balingen als Sprungbrett sehen, dass sie es über den Umweg auf die Schwäbische Alb doch noch ins Profigeschäft packen wollen. Dem einen dürfte dieses Ziel wichtiger sein, der andere will sich mit Studium oder Ausbildung absichern und wählte deswegen den Amateurklub aus der Eyachstadt.

Dass diese hochqualifizierten Youngster den Profi-Traum noch träumen, ist nachvollziehbar. Schließlich ordneten sie dem Fußball schon in jungen Jahren alles unter. Kölsch als Beispiel wechselte zur U14 nach Hoffenheim und musste dafür schon als Teenager in eine Gastfamilie nach Sinsheim ziehen. 2019 zog es den Pforzheimer an ein US-College nach North Carolina, wo er mit hochdotiertem Stipendium beim dortigen Hochschulteam Leistungssport betrieb. Kölschs Rückkehr nach Deutschland und seinen Wechsel nach Balingen verdankt die TSG ebenso wie den letztjährigen Klassenerhalt ironischerweise der Corona-Pandemie.

Kurzvisite oder doch längerer Aufenthalt?

Und genau hierin liegt das Risiko dieses neuen Transferkurs, den die TSG genau genommen schon in den Vorjahren unter Ex-Coach Ralf Volkwein einleitete, aber unter Braun nun forcierte: Es bleibt die Frage, ob diese Spieler langfristig zu halten sind. Auch, weil derlei Fußballer in der Kürze der Zeit keine allzu große Identifikation mit Verein und Gegend aufgebaut haben dürften – anders als Eigengewächse, auf die sich die Balinger zu Oberliga-Zeiten verlassen konnten.

Realistisch ist, dass sich der ein oder andere nach einer oder zwei Spielzeiten wieder verabschiedet. Zumal die Balinger, die Laufzeiten und Konditionen von Spielerverträge geheim halten, meistens Ein-Jahres-Verträge anbieten. Besonders spannend dürfte sein, ob die Schwaben am Saisonende Wöhrle halten können. Der Neuzugang, der sich zuvor beim Profiklub FC 08 Homburg schwergetan hatte, spielt bislang eine grandiose Runde.

Mit der 4. Liga lässt sich werben

Natürlich bleibt den Balingern derzeit eigentlich keine andere Wahl, als auf externe Kräfte zu setzen. Zwar klopfen etwa mit Alexej Storm, Harut Arutunjan oder Elias Wolf mal wieder Eigengewächse an die Tür der Regionalliga-Mannschaft, aber zumeist ist der Sprung aus der eigenen Jugend in die 4. Liga zu groß. Die geplante Fußballakademie und Jugendkoordinator Henry Seeger, für den eine weitere hauptamtliche Stelle geschaffen wurden, sollen das ändern. Und bisher profitiert die Mannschaft, die in den vergangenen beiden Jahren eine Verjüngungskur erfuhr, von den jungen Neuzugängen und dem neuen Kurs.

Doch was, wenn mit den Abgängen auch der sportliche Erfolg abhandenkommt? Denn dem Angebot aus 4. Liga und beruflicher Perspektive, einem Studien-, Ausbildungsplatz oder Nebenjob beim Sponsor, dürften junge Spieler folgen und auch bereit sein, dafür mal eine Stunde zum Training zu fahren. Mit der Regionalliga also lässt sich werben, mit der Oberliga jedoch weniger.

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