Zollernalbkreis

Jahresbilanz der Staatsanwaltschaft Hechingen: Corona-Millionenbetrug ist der Gipfel des Justizjahre

17.06.2021

von Andrea Spatzal

Jahresbilanz der Staatsanwaltschaft Hechingen: Corona-Millionenbetrug ist der Gipfel des Justizjahre

© Pixabay

550.000 Packungen Schutzhandschuhe wollte ein Betrüger aus Albstadt verkaufen, ohne dass er je welche besessen hätte.

Die Staatsanwaltschaft Hechingen hatte es 2020 wieder mit Rauschgift- und Waffenhandel, Mordversuch, Betrug und Untreue zu tun. Aber der Schutzhandschuh-Coup eines 31-Jährigen war Neuland.

Was hochdotierte Abgeordnete können, kann ein 31-jähriger Albstädter auch: mit der Not anderer Kasse machen. Keine Corona-Schutzmasken, sondern medizinische Schutzhandschuhe wollte der Ganove, zusammen mit seiner Frau als Komplizin in der Türkei, verticken.

Im Sommer 2020, als die Nachfrage am größten war. Und zwar gleich eine halbe Million Packungen. Die geschädigte Firma überwies zwei Millionen Euro auf sein Konto – nur als Anzahlung. Erhalten hat sie die Lieferung freilich niemals.

Die Anklage gegen den 31-jährigen Beschuldigten wurde vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Hechingen verhandelt.

Dass jemand durch dreisten Betrug aus der Corona-Pandemie Profit schlagen will, war für die Staatsanwaltschaft Hechingen bislang noch Neuland. Aber mal sehen, was da noch hinterherkommt.

Fokus auf Drogendealer

Die Jahresbilanz 2020 der Staatsanwaltschaft Hechingen hat wieder die ganze Bandbreite der Kriminalität zu bieten.

Ein Schwerpunkt lag auf der Rauschgiftkriminalität. Hier konnten mehrere Dealer und erhebliche Mengen an Betäubungsmitteln von Marihuana bis Ecstacy, von Kokain und Heroin, aus dem Verkehr gezogen werden, darunter der bislang größte Drogenfund im Zollernalbkreis: 77 Kilogramm Marihuana holte die Polizei aus einem Auto, das in einer Lagerhalle in Bisingen abgestellt war.

Der Drahtzieher wurde zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt. Ebenfalls im Raum Bisingen trieb monatelang ein Dealer sein Unwesen, der Stoff sogar an Minderjährige verkaufte. Bis er geschnappt und schließlich zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten verurteilt wurde.

Staatsanwälte in Unterzahl

Etwa ein Drittel (27 Prozent) aller Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Hechingen münden in einer Anklage oder einem Strafbefehl.

Über zwei Drittel der Verfahren werden eingestellt, die meisten, weil der Tatverdacht nicht hinreichend ist, andere wegen Geringfügigkeit oder „Sonstigem“, wie zum Beispiel die Angabe der Akte an andere zuständige Behörden.

Der Aktenberg, den ein einzelner Staatsanwalt im Laufe des vergangenen Jahres abzuarbeiten hatte, ist enorm: Im Schnitt landeten 884 Ermittlungsverfahren auf nur einem Schreibtisch. 40,3 Tage betrug die durchschnittliche Verfahrensdauer.

21.175 Verfahren betrug der Geschäftsanfall in der Summe. Etwa die Hälfte davon sind Ermittlungsverfahren gegen namentlich bekannte Tatverdächtige, das Kerngeschäft der Staatsanwälte.

11.230 Verfahren wurden abgeschlossen, aber es bleiben immer auch unerledigte Fälle offen, doch selbst die wurden im vergangenen Jahr von 1611 auf 1238 reduziert.

Arbeitsanfall auf hohem Niveau

Der Arbeitsanfall ist also auf anhaltend hohem Niveau, die Personalausstattung ist es weiterhin nicht. Mit zwölf Vollzeitstellen und zwei Teilzeitkräften war der Dezernentenbereich der Staatsanwaltschaft Hechingen im vergangenen Jahr besetzt.

Das sind zwei Stellen unter der vom Justizministerium errechneten Sollzahl. Im Bereich der Justizangestellten sieht es ähnlich aus.

Aber immerhin wurde Hechingen zum 1. Januar 2021 eine weitere Dezernentenstelle zugewiesen, was die Unterdeckung nun etwas abmildert.

Zigaretten und Rohrputzer

Zurück zu den Straftaten. In 35 „schweren“ Fällen hat die Staatsanwaltschaft Anklage zu den Strafkammern des Landgericht erhoben. Herausragend waren dabei ein besonders schwerer Fall von Stalking und ein schwerer Bandendiebstahl, bei dem es um Zigaretten in großen Mengen und hohe Werte ging.

Zwei Mal hatte es die Hechinger Justiz vergangenes Jahr mit versuchtem Mord zu tun: Da war zunächst ein 60-Jähriger, der in einer Hechinger Kneipe aus einer Sprühflasche Benzin auf Wirt und Gäste sprühte und dann sein Feuerzeug entzünden wollte. Er wurde zu fünf Jahren und vier Monaten Haft verurteilt.

Dann war da der 40-Jährige aus Haigerloch, der mit einem Messer auf seine Mutter eingestochen hatte. Er wurde aber für schuldunfähig erklärt und in eine Psychiatrie eingewiesen.

Pflegerin mit Lottoschein

Wirtschaftskriminalität, Waffenhandel, Betrug und Untreue gab es wieder zuhauf, sogar eine Geiselnahme im Landratsamt Sigmaringen füllt Akten.

Aber ähnlich dreist wie der Schutzhandschuh-Fall ist nur noch der Lotto-Coup einer Pflegedienstbetreiberin.

Sie hatte im Auftrag eines pflegebedürftigen alten Mannes Lotto gespielt und den Gewinn von über 700.000 Euro dann einfach in die eigene Tasche gesteckt.

Weitere Stärkung des JustizstandortesEine nicht alltägliche, jedoch in die Zukunft gerichtete Aufgabe kam den Verantwortlichen der Staatsanwaltschaft Hechingen mit der Planung des neuen Behördengebäudes in den Räumlichkeiten des ehemaligen Vermessungsamtes in der Fürstin-Eugenie-Straße zu. Die Staatsanwaltschaft befand sich 2020 stets im konstruktiven Kontakt vor allem mit dem Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg.

Die Bauarbeiten mit einem Volumen von über sechs Millionen Euro wurden nun im Februar dieses Jahres begonnen. „Der avisierte Bezug Ende 2022 wird eine Stärkung des Justizstandorts Hechingen sein, der die Attraktivität der Behörde und auch der Stadt heben wird“, stellt Oberstaatsanwalt Beiter in seinem Resümee fest.

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