Jahrelange Gefängnisstrafe droht: Prozess um Bisinger Drogendeals hat begonnen

Von Sabine Hegele

Der gewerbsmäßige Handel mit Betäubungsmitteln bringt zwei junge Männer auf die Anklagebank – und einen ins Gefängnis.

Jahrelange Gefängnisstrafe droht: Prozess um Bisinger Drogendeals hat begonnen

Das Landgericht in Hechingen.

Er wird lange einsitzen müssen – und er weiß es: Nach einem von seinem Verteidiger angeregten nicht öffentlichen Verständigungsgespräch mit dem Vorsitzenden Richter und der Staatsanwältin erwarten den umfänglich geständigen Angeklagten sechseinhalb bis sieben Jahre Gefängnis wegen des gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sowie der Abgabe derselben auch an Jugendliche. Den mit ihm angeklagten 23-Jährigen, dessen Verteidiger ebenfalls an dem Verständigungsgespräch teilnahm, erwartet, weil ebenfalls geständig, eine Bewährungsstrafe zwischen eineinhalb und zwei Jahren wegen Beihilfe.

Marihuana, Kokain, Ecstasy

In der Anklageschrift wird dem älteren der beiden Angeklagten – in Deutschland geboren, aber mit türkischer Staatsangehörigkeit – der „schwunghafte“ Handel mit Betäubungsmitteln in mindestens 300 Fällen vorgeworfen. Bei seiner Festnahme Anfang März dieses Jahres wurden in dessen „Lager“ (eingerichtet in einem leerstehenden Bisinger Gebäude, das ihm vom Mitangeklagten gegen eine Mietzahlung zur Verfügung gestellt worden war) von Rauschgiftfahndern der Balinger Kriminalpolizei 16 Kilogramm Marihuana, mehr als 300 Gramm Kokain und 1000 Ecstasy-Pillen sichergestellt. Er befindet sich seither in Haft.

Schulabbruch, immer mehr Drogen

Vor dem Landgericht führte der 25-Jährige am Montagmorgen aus, dass er (nach erfolgreich absolvierter zweijähriger Berufsfachschule Metall) am Ende der gymnasialen Laufbahn psychische Probleme bekommen, gar eine Art Psychose entwickelt habe. Die Folge: Schulabbruch kurz vor der Reifeprüfung. „Ich kam mit mir selbst nicht mehr klar“, führte der junge Mann aus. Auch habe er zunehmend mehr synthetische Drogen konsumiert. Es folgten Aushilfsjobs – und nach und nach der Weg tief hinein in den Drogenhandel. Dennoch gab er sich vor Gericht überzeugt: „Ich glaube, ich kann die Menschen verstehen…“, weshalb ihm sehr daran gelegen sei, die Hochschulreife zu erlangen und danach zu studieren. Auch zu einer Therapie erklärte er sich bereit. Es wäre seine erste: „Bisher dachte ich, dass ich mir nur selbst helfen kann.“ Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hatte zuvor der psychiatrische Sachverständige empfohlen. Hinweise auf eine verminderte Schuldfähigkeit sah er nicht gegeben, ebenso wenig eine „Beeinträchtigung der Einsicht“.

Network-Marketing: Das Geschäft läuft nicht

Der Mitangeklagte hat selbst nie Drogen konsumiert. Und hatte große Pläne. Nachdem er am kaufmännischen Berufskolleg sein Fachabitur gemacht hatte, absolvierte er in einem Kindergarten einen sechsmonatigen Bundesfreiwilligendienst, um danach Immobilienmarketing zu studieren. Drei Semester hatte er bereits absolviert, dann ließ er sich vom Hauptangeklagten von einer Geschäftsidee überzeugen: Network Marketing, so das Zauberwort.

Der 23-Jährige brach sein Studium ab und richtete sich gemeinsam mit dem 25-Jährigen zunächst in Reutlingen, dann in Tübingen und Pfullendorf in Büroräumen ein, um den Direktbetrieb über selbstständige Vertriebspartner anzukurbeln. Zu Beginn des Jahres 2019 folgte der Umzug ins Kirchspiel. Doch das Geschäft wollte nicht in Schwung kommen. Schließlich machten die Eltern Druck, er möge doch sein Studium wieder aufnehmen oder eine Ausbildung antreten. Letzteres tut er prompt in diesem Monat: in einem Handwerksbetrieb. Als für das Bisinger Büro der Kauf von Heizöl fällig wurde, ihm aber die Mittel fehlten, billigte er den Vorschlag seines Geschäftspartners, in den gemeinsamen Räumlichkeiten für drei Wochen Marihuana lagern zu dürfen – für 75 Euro pro Woche. Zusätzlich half ihm der Freund mit Geld aus, als er Urlaub bei seinen Großeltern im Ausland machen wollte.

Woher kamen die Drogen?

Zurück in der Heimat wurde dem 23-Jährigen bewusst, dass die Räumlichkeiten weiterhin als Drogendepot dienten. In welcher Menge sie dort lagerten, habe er allerdings nicht gewusst – und schon gar nichts von Kokain und Ecstasy. „Ja“, räumte der Angeklagte ein, „ich hatte immer ein schlechtes Gewissen“. Auch wenn er selbst nie gesehen habe, wann die Lieferungen kommen oder welche Kunden bedient wurden. Nicht beantworten konnte er dem Gericht auch die Frage, wo die großen Mengen herkamen und/oder ob diese im Zusammenhang mit dem 80-Kilogramm-Fund in Bisingen stehen.

Seine Zeit in der U-Haft habe ihn geläutert, berichtete der junge Mann. Erst im Gefängnis habe er realisiert, was er eigentlich gemacht habe. Und er schloss für sich aus, je wieder kriminell zu werden, denn: „Ich möchte so was nie wieder erleben.“

Die Verhandlung wird am Donnerstag, 10. September, ab 9 Uhr fortgesetzt.