Industrie- und Handelskammer Reutlingen verzeichnet leichtes Plus in der Lehrstellen-Bilanz

Von Jelena Marjanov

Wie erging es eigentlich den Auszubildenden in der Region während der Corona-Pandemie? Das hat sich die IHK Reutlingen gefragt und ihre Lehrlinge aus den Landkreisen Reutlingen, Tübingen und Zollernalb zu Themen rund um ihre Ausbildung befragt.

Industrie- und Handelskammer Reutlingen verzeichnet leichtes Plus in der Lehrstellen-Bilanz

Eine von vielen Statistiken zur Umfrage der Auszubildenden in der Region. Die Mehrheit findet die Qualität der Ausbildung im eigenen Ausbildungsbetrieb gut.

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Reutlingen führte im Zeitraum vom 4. bis 26. März eine Online-Umfrage bei den Auszubildenden aus der Region durch. Themen waren unter anderem die Zufriedenheit der Auszubildenden und die Qualität der Ausbildung während ihrer Lehrzeit.

Azubis aus mehreren Landkreisen beteiligt

Insgesamt wurden 6300 Lehrlinge aller IHK-Berufe aus den Landkreisen Reutlingen, Tübingen und Zollernalb per E-Mail zur Teilnahme an der Umfrage eingeladen. Die rund 2500 zuständigen Ausbilder waren dafür verantwortlich, die jeweiligen Einladungen an ihre Auszubildenden weiterzuleiten. Dadurch sollte gewährleistet werden, alle Auszubildenden zu erreichen und dennoch den Datenschutz zu wahren.

Ergebnisverkündung per Online-Konferenz

In der Online-Pressekonferenz am Donnerstag verkündeten IHK-Vizepräsident Johannes Schwörer und Ida Willumeit, Leiterin Ausbildungsmarketing, die Ergebnisse der Umfrage. Ebenso mit dabei: Bereichsleiter Christoph Heise und IHK-Sprecherin Stefanie Walker.

Breites Berufs-Spektrum bei den Teilnehmenden

Zunächst die Fakten: Rund 1000 Azubis aus über 70 Berufen nahmen die Möglichkeit zur Stimmenabgabe wahr. Knapp die Hälfte von ihnen ist in kaufmännischen Berufen tätig. Das Durchschnittsalter der Befragten lag zwischen 18 und 21 Jahren. „Wir wollten von der Zielgruppe direkt hören, wir zufrieden diese in der Ausbildung ist und wie sie die aktuellen Herausforderungen meistert“, so Schwörer.

Corona hinterlässt auch bei der Lehrstellenbilanz spuren

Einen kleinen Rückblick lies sich der Vizepräsident nicht nehmen und berichtete, dass Corona auch für die betriebliche Ausbildung gravierende Folgen hatte, welche teilweise immer noch andauern würden. „Im vergangen Jahr erlebten wir einen Rückgang der Lehrstellenbilanz auf minus 16,6 Prozent per 1. September 2020“, sagt er. Jedoch sei es gelungen, selbst im Pandemiejahr 2020, genau 2164 Bewerbenden in der Region eine Perspektive zu bieten.

„Eine Krise historischer Dimension“

Laut Schwörer sei das „eine Krise historischer Dimension gewesen“, welche auf die Schulschließungen zurückzuführen sei. „Damit waren die Angebote zur Berufsorientierung weitgehend ausgesetzt“, heißt es. Besonders Schülerinnen und Schüler in den Vorabgangs- und Abgangsklassen seien davon betroffen gewesen. „Sie hatten kaum Möglichkeiten, sich beruflich zu orientieren und tun sich teilweise noch immer schwer“, erklärt er.

Erschwerte Kontaktaufnahme für Betriebe

Aber auch die Betriebe selbst hätten kaum die Möglichkeit gehabt, potenzielle Azubis persönlich anzusprechen. „Der Kontakt zu Partnerschulen war abgebrochen“, erläutert der Vize-Präsident. „Ausbildungsmessen, Azubi-Speed-Datings und anderen Kontaktforen fanden nicht statt.“

Wohlbefinden der Azubis ist wichtig

Doch dem Miteinander im Arbeitsalltag scheint dies keinen Abbruch getan zu haben: Über 90 Prozent gaben an, dass sie das Arbeitsklima in ihrem direkten Umfeld meistens als sehr gut oder gut empfinden. „Stimmt der Kontakt zu Kollegen und Ausbildern, fühlt sich der Azubi in der Regel wohl und ruft die eigenen Potenziale leichter ab“, verdeutlicht Schwörer.

Mit der Anleitung durch ihrer Ausbildenden sind circa 85 Prozent der Befragten zufrieden. Die restlichen 15 Prozent sind sich dabei entweder noch unschlüssig oder verneinen die Aussage.

Ausbilderinnen und Ausbilder sind gefragt

Ein bekanntes Sprichwort besagt „Zeit ist Geld“. Im Falle von Auszubildenden ist Zeit aber vor allem ein wichtiger Faktor zur Weiterentwicklung. Nur wenn sich die Ausbilderinnen und Ausbilder genug Zeit nehmen, um Aufgaben zu besprechen und Rückmeldung zu geben, können ihre Sprösslinge dazulernen und Fehlerquellen ausfindig machen.

Genau die Hälfte aller Befragten bestätigt die Aussage, dass die zuständigen Ausbildenden die jeweiligen Lehrinhalte verständlich erklären. Rund fünf Prozent sind in dieser Hinsicht anderer Meinung und stimmen ihren Azubi-Kollegen nicht zu.

„Azubis brauchen regelmäßig konstruktives Feedback“

Dennoch erhalten insgesamt 80 Prozent der befragten Azubis von ihrem Ausbildungsbetrieb eine hilfreiche Rückmeldung zu ihrer Arbeit, während 14 Prozent diese Aussage mit eher geteilter Meinung bestätigt haben. „Azubis brauchen regelmäßig konstruktives Feedback“, betont Schwörer. „Nur so verstehen sie, was von ihnen erwartet wird.“

Dreiviertel der Befragten gaben an, dass sich ihre Ausbilderinnen und Ausbilder ausreichend Zeit nehmen würden, um erledigte Arbeitsaufgaben mit ihnen zu besprechen. 75 von 873 Personen teilen diese Ansicht allerdings nicht.

Förderung der Azubis nicht immer gegeben

Vielfältige und abwechslungsreiche Arbeitsaufgaben scheinen allerdings nicht in jedem Ausbildungsbetrieb auf der Tagesordnung zu stehen. Zwar sind etwa 70 Prozent der Befragten mit den Aufgaben in ihrem Alltag zufrieden, jedoch geben mehr als ein Viertel an, dass vielfältige und abwechslungsreiche Tätigkeiten entweder nur teilweise oder gar nicht in den Ausbildungsbetrieben vorhanden seien.

Fehler müssen erlaubt sein

„Trotz aller Leistungsanforderungen dürfen wir nicht vergessen: Azubis sind Lernende“, hält Schwörer fest. „Eine gute Fehlerkultur sollte deshalb selbstverständlich sein.“ Umso besser, dass sich über 85 Prozent der Auszubildenden auch mal einen Fehler bei der Arbeit erlauben dürfen.

Mehrheit genießt eine qualitative Ausbildung

Zudem scheint ein respektvoller Umgang in fast allen Betrieben die Regel zu sein: 90 Prozent geben an, dass diese Aussage auf ihr Arbeitsumfeld zutreffe. Auch die Qualität der Ausbildung und die Zufriedenheit der Auszubildenden in ihrem Betrieb wurde erfragt: rund 86 Prozent empfinden ihre Lehre als qualitativ gut und sind zudem mit der Ausbildung vor Ort zufrieden.

Ausbildung war die richtige Wahl

Des Weiteren erkundigte sich die IHK in ihrem Fragebogen, wie viele den gleichen Beruf wieder wählen würden, wenn sie sich noch einmal entscheiden könnten. Fast dreiviertel der Auszubildenden würden den gleichen Weg wieder gehen. Jedoch sprachen sich 83 Personen gegen eine erneute Wahl des aktuellen Ausbildungsberufes aus.

Gute Übernahmechancen

Sorge, das Ausbildungsziel aufgrund der Corona-Situation nicht erreichen zu können, haben fast 20 Prozent der Befragten. 161 Personen hingegen, konnten bei dieser Aussage noch keine sichere Entscheidung treffen.

Besonders erfreulich: 69 Prozent der Teilnehmer möchten im erlernten Ausbildungsberuf weiterarbeiten und mehr als Hälfte der Auszubildenden, wird dem eigenen Betrieb auch nach dem Abschluss erhalten bleiben.

Nach der Ausbildung ist vor der Weiterbildung

In Sachen Weiterbildung und anschließendem Studium gibt es klare Meinungen: Über 60 Prozent möchten ihren Horizont mittels Fortbildungen erweitern. Ein Fünftel der Befragten ist sich dabei noch unsicher. Erstaunlicherweise hat sich – entgegengesetzt dem allgemeinen Trend – über die Hälfte der Auszubildenden gegen den Beginn eines anschließenden Studiums entschieden.

Wissen der Auszubilden über die IHK auf dem Prüfstand

Zum Schluss erfragte die IHK ihre eigene Position bei den jungen Erwachsenen. Neben Fragen wie „Ich weiß, mit welchem Anliegen ich mich an die IHK wenden kann“ und „wenn ich Probleme hätte, würde ich mich trauen selbst bei der IHK anzurufen“, wollte die staatliche Einrichtung wissen, ob und inwiefern die Auszubildenden über die Weiterbildungsangebote der IHK informiert sind.

Bisheriges Konzept wird überarbeitet

„Wir wollen unseren direkten Kontakt zu Azubis künftig intensivieren und noch näher an dieser Zielgruppe dran sein“, heißt es. Ziel sei es, dass die Auszubildenden aus der Region das Portfolio der IHK kennen und genau wissen sollten, in welchen Situationen sie sich an sie IHK wenden können. Daran und an der eigenen Willkommenskultur für Auszubildende würde derzeit gearbeitet werden.

Wie viele Abbrecher und Wechsler gibt es unter den Azubis?

Auf die Frage, wie viele Auszubildenden den Betrieb wechseln oder gar die Lehre abbrechen würden, konnte Petra Brenner, Bereichsleiterin Ausbildung/Prüfungswesen, keine genaue Antwort geben. „Je nach Berechnungsart unterscheiden sich die Werte“, so Brenner. „In Baden-Württemberg liegen die Abbruch-Werte bei ungefähr 20 Prozent und in unserer Region bei circa 15 Prozent.“ Die Wechsel von Auszubildenden in andere Betriebe ließen sich nur schwer feststellen, sie schätze den Wert allerdings auf rund 50 Prozent.

Gutes Arbeitsklima

Ida Willumeit fügte noch an: „Es ist spannend zu sehen, dass rund 74 Prozent sagen, dass sie ihren Beruf mögen und 86 Prozent sagen, sie mögen ihren Betrieb.“ Das zeige, dass sich die Auszubildenden gut mit ihren Kolleginnen und Kollegen verstehen würden.

„Wahrscheinlich muss ich mich für meine folgende Aussage gleich entschuldigen, aber das heißt ja, dass für die Auszubildenden der Beruf eher austauschbar wäre, als der Betrieb“, fügt Willumeit schmunzelnd an. Jedoch verschiebe sich diese Verteilung eventuell auch wieder. Wichtig sei ihr noch zu erwähnen, dass alle drei Lehrjahre bei der Befragung vertreten waren – und das in fast gleichen Anteilen.

Leichtes Plus in der Lehrstellen-Bilanz

Für das laufende Jahr konnte die Industrie- und Handelskammer mit 1340 neuen Ausbildungsverträgen wieder ein leichtes Plus im Vergleich zum Vorjahr verzeichnen. „Im Moment liegen wir bei genau 8,4 Prozent per Juli 2021“, so Vizepräsident Schwörer. Damit sei die Krise zwar noch nicht ausgestanden, aber es gäbe wieder Hoffnungszeichen.

Noch freie Ausbildungsplätze verfügbar

Laut IHK-Lehrstellenbörse gibt es für die drei Landkreise der Region aktuell noch 371 offene Stellen für das kommende Ausbildungsjahr zu besetzen. Passend dazu, läuft aktuell die virtuelle Ausbildungsmesse der IHK, an der sich über 30 regionale Ausbildungsbetriebe beteiligen. „Ich bin überzeugt: gerade jetzt ist es besonders wichtig, immer wieder auf die Vorteile einer betrieblichen Ausbildung hinzuweisen“, so der Vize-Präsident abschließend. „Auf die Ausbildungsbereitschaft unserer Betriebe können Sie sich verlassen, dafür stehe ich ein.“