Bisingen

Im Bisinger KZ-Museum öffnet eine neue Ausstellung: Ein Raum widmet sich den Häftlingen

10.05.2019

von Dr. Ines Mayer

Im Bisinger KZ-Museum öffnet eine neue Ausstellung: Ein Raum widmet sich den Häftlingen

© Privat

Häftlinge des KZ Bisingen mussten unter schwersten Bedingungen Ölschiefer zur Treibstoffgewinnung abbauen. Die Aufnahme (aus dem Bestand von Volker Lessing) vom Meilerfeld und der Abbruchkante wurde kurz nach der Auflösung des Lagers im April 1945 gemacht.

Nach 14 Monaten Planung und sieben Monaten Umbau wird das Museum KZ Bisingen am 2. Juni mit einer neuen Ausstellung wiedereröffnet. In fünf Themenräumen und einem Introraum wird die Geschichte des KZ Bisingen mit verschiedenen Medien vermittelt. Bis zur Eröffnung wird wöchentlich je ein Exponat zu den Themenräumen vorgestellt. Den Auftakt bildet der Raum „Häftlinge“.

Als Steven Spielberg 1993 in Krakau den Film „Schindlers Liste“ drehte, kamen Überlebende auf ihn zu und äußerten den Wunsch, ihre eigenen Erinnerungen festzuhalten. Daraufhin gründete Spielberg die „Shoah Foundation“, die Schilderungen von Überlebenden auf Video aufzeichnete, um sie den nachfolgenden Generationen als Unterrichtsmaterial zugänglich zu machen. Von 1994 bis 1999 nahm die Organisation rund 52 000 Interviews in 56 Ländern und 32 Sprachen auf.

Größte Interviewsammlung zum Holocaust

Teil dieser weltweit größten Interviewsammlung zum Holocaust sind rund 50 Berichte von Überlebenden des KZ Bisingen. Kreisarchivar Andreas Zekorn hat 2017 die Nutzungsrechte für alle Videos erworben, in denen Überlebende über die Lager des Unternehmens „Wüste“ im heutigen Zollernalbkreis berichten, und hat diese unter anderem dem Gedenkstättenverein Bisingen zur Verfügung gestellt.

Viel Arbeit für die Vereinsmitglieder

Für die neue Ausstellung haben Vereinsmitglieder die Videos gesichtet, Ausschnitte ausgewählt, diese transkribiert, übersetzt und untertitelt. Auf einem Videotisch im „Häftlingsraum“ werden sie den Besuchern zugänglich gemacht.

Hermann Gottesman ist ein Zeitzeuge

Einer der Zeitzeugen ist Herman Gottesman, der 1927 im tschechischen Orlov geboren wurde. Er kam mit dem letzten Häftlingstransport vom 8. März 1945 aus Buchenwald in das KZ Bisingen. Gottesman berichtet von seiner Ankunft am Bahnhof und dem rund 600 Meter langen Marsch zum Lagergelände in der Schelmengasse. Dass er die Entfernung deutlich weiter einschätzt, wirft ein Licht auf den desolaten Zustand, in dem er und seine Mitgefangenen sich nach mehreren Tagen in überfüllten Viehwaggons befanden.

„Ich war hier und bin es nicht mehr“

„Als wir ankamen, haben sie uns ausgeladen und wir mussten marschieren. Es waren eine oder zwei Meilen vom Bahnhof zum Lager. Und dann haben sie uns Barracken zugeteilt. Und man hat die Namen von Häftlingen lesen können, die sie auf Betten und Wände geschrieben hatten. Geburtsdaten und woher sie kamen. ,Wenn du einen Freund von mir siehst, sag ihm, ich bin nicht mehr am Leben‘. Oder: ,Ich war hier und bin es nicht mehr‘. Lauter solche Sachen. Sie können sich vorstellen, wie man sich in solch einem Lager fühlte.“

Hohe Todesrate wegen Krankheiten

Gottesman berichtet dann von den Zuständen im Lager. Die Todesrate sei sehr hoch gewesen wegen Typhus und anderen Krankheiten. Und „man wurde nie sauber, man war immer nass, egal was man tat.“ Besonders eindringlich schildert er die Hinrichtungen auf dem Appellplatz, wobei sich hier offensichtlich Erfahrungen aus mehreren Lagern vermischen.

Jedes Lager hatte so einDing zum Erhängen

Der Interviewer fragt, ob es täglich einen Appell gegeben habe. Gottesman antwortet: „Ja, natürlich, das hörte niemals auf, egal in welchem Lager man war. Man musste zum Appell. Du konntest nicht abhauen. wenn sie dich erwischten, würden sie dich genau dort erhängen, auf dem Platz. Jedes Lager hatte so ein Ding zum Erhängen. Nicht wie hier bei den Cowboys, wo sie für jeden ein neues bauten. Das war immer da, damit es bereit war, wenn sie es brauchten. Wenn sie dich einfingen, gab es keinen Ausweg. Wenn sie dich erwischten, haben sich dich gehängt. Und jeder musste zuschauen, denn sie hatten nie eine private Erhängung. Alle Erhängungen wurden öffentlich durchgeführt. Jeder musste rauskommen, wenn man nicht schon draußen war. Die meisten gab es am Morgen. Selbst wenn sie dich nachts eingefangen haben, haben sie dich zum Appellplatz gebracht, wo die Zählung war. Dort haben sie dich aufgehängt. Und danach ging man zur Arbeit.“

Im Bisinger KZ-Museum öffnet eine neue Ausstellung: Ein Raum widmet sich den Häftlingen

© Privat

Herman Gottesman beim Interview mit der Shoah Foundation im April 1995

Der Interviewer fragte auch, ob Gottesman geprüft habe, ob jemand aus seinem Heimatort im Lager gewesen sei. Die Antwort: „Das haben wir immer gemacht. Wir haben immer versucht, jemanden zu finden, den wir kannten. Ich habe niemals jemanden gefunden, den ich kannte. Ich kannte nur den einen, der mit mir zusammen befreit worden ist. Er hieß Krausmann. Er ist fast gestorben. Ich habe ihn in einer Scheune gefunden.“

Der „Todesmarsch“ im April 1945

Zum Schluss berichtet Gottesman von der Auflösung des KZ Bisingen im April 1945 und dem „Todesmarsch“, auf den er mit dem Großteil der Häftlinge getrieben wurde. „Die Deutschen ließen uns also immer noch nicht gehen. Sie haben beschlossen, uns umzubringen. Aber dort waren keine Krematorien. Also haben sie uns immer wieder weiter verfrachtet. Und wir wurden in Scheunen eingeschlossen. Ich weiß nicht mehr wie oft auf unserem Marsch. Und die Häftlinge sind gestorben, denn es gab kein Essen und nichts. Und die Flugzeuge sind geflogen Und sie ließen uns immer noch marschieren. Vier oder fünf Tage lang. Wir wussten nicht wohin. Sie haben uns einfach weggebracht. Als der Marsch beendet war, wussten wir das auch nicht. Wir haben nur die Deutschen wegrennen sehen. Und wir blieben zurück. In der Ferne konnten wir die Schweiz sehen. Wir kamen in Friedrichshafen an.“

Diesen Artikel teilen: