Sigmaringen

Hochschule Albstadt-Sigmaringen erforscht Allergie-Risiko von essbaren Insekten

24.02.2021

von Pressemitteilung Hochschule Sigmaringen

Hochschule Albstadt-Sigmaringen erforscht Allergie-Risiko von essbaren Insekten

© Shutterstock

Wie hoch ist das Risiko für Allergiker, wenn sie ganze oder weiterverarbeitete Insekten essen? Um diese Frage geht es in einem aktuellen Forschungsprojekt an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen.

Ein Forscherkonsortium der Hochschule Albstadt-Sigmaringen entwickelt ein Verfahren für verbesserte Allergietests und Allergennachweise und nimmt verschiedene Insektenarten unter die Lupe.

Bislang zählen essbare Insekten vor allem in einigen Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas zu den Grundnahrungsmitteln. Doch wegen ihres hohen Eiweißgehalts und ihrer Mikronährstoffe gelten Käfer, Raupen, Heuschrecken und Co. auch bei uns zunehmend als mögliche Fisch- oder Fleischalternative.

Was allerdings noch so gut wie gar nicht erforscht ist: Wie hoch ist das Risiko für Allergiker, wenn sie ganze oder weiterverarbeitete Insekten essen? Und wie kann das überhaupt getestet werden?

Um diese Fragen geht es in einem aktuellen Forschungsprojekt an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen, das vom Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin koordiniert und seit September 2020 für insgesamt drei Jahre gefördert wird.

Insektenproteine werden isoliert

„Ausgangspunkt unserer Forschung ist die Befürchtung in der Fachwelt, dass insbesondere Menschen, die gegen Schalentiere oder Hausstaubmilben allergisch sind, auch auf Insektenproteine in Lebensmitteln reagieren könnten“, sagt Professor Dr. Dieter Stoll von der Fakultät Life Sciences, der das Projekt am Standort Sigmaringen leitet und gemeinsam mit Dr. Eva-Maria Ladenburger durchführt.

Das Problem: Herkömmliche Allergietests sind aufwendig und häufig riskant – so bekommen Patienten entweder einen Pikser in die Haut oder müssen unter klinischer Beobachtung bestimmte Nahrungsmittel zu sich nehmen.

„Viel einfacher wäre es, dem Patienten Blut abzunehmen, die darin enthaltenen Immunzellen zu isolieren und den Allergietest im Labor durchzuführen, ohne den Patienten dem Risiko einer vielleicht sogar schweren allergischen Reaktion auszusetzen“, sagt Dieter Stoll.

Die Forscher isolieren deshalb hochreine Insektenproteine und stellen sie der Hot Screen GmbH in Reutlingen zur Verfügung, die damit ihren bisher für die Prüfung von Medikamenten eingesetzten Vollbluttest auch für die Allergiediagnostik weiterentwickeln will.

Zusammenarbeit mit einem Reutlinger Institut

In Zusammenarbeit mit dem NMI Naturwissenschaftlichen und Medizinischen Institut in Reutlingen soll ein dort für andere Zwecke entwickeltes Diagnoseverfahren als sehr schneller und kostengünstiger Allergietest etabliert werden.

„Wir hoffen, damit in wenigen Minuten messen zu können, gegen welche Proteine ein Allergiker Antikörper im Blut hat“, sagt Dieter Stoll. „Das könnte helfen, die Lebensmittel so zu bearbeiten, dass die Allergene dem Menschen nichts mehr anhaben können.“

Mit den Nachweisverfahren, die die Signatope GmbH in Reutlingen entwickelt, wäre diese positive Veränderung der Allergene in den Lebensmitteln auch schnell nachweisbar.

Bisher wenige Daten verfügbar

Mithilfe eines sehr starken Allergens aus der Erdnuss, über das bereits sehr viel geforscht wurde, „wollen wir als Erstes zeigen, dass die Methode an sich für Allergietests geeignet ist“, berichtet Eva-Maria Ladenburger.

Anschließend werde das Verfahren auf Insektenproteine übertragen, „über die wir noch sehr wenig wissen“.

Die Wissenschaft hat bisher nur wenige Daten zum allergenen Potenzial des Mehlwurms.

Wanderheuschrecke und Buffalowurm werden untersucht

In Sigmaringen sollen zusätzlich noch die Wanderheuschrecke, zwei Grillenarten, die Soldatenfliege und der Buffalowurm untersucht werden, für die in der EU Anträge auf Zulassung als Lebensmittel laufen oder geplant sind.

Um die Frische der Tiere zu gewährleisten, arbeitet die Hochschule mit der Firma „Six Feet To Eat“ aus der Nähe von Ulm zusammen, die als eine von wenigen Firmen in Europa als zertifizierter Lebensmittelbetrieb Speiseinsekten herstellt.

„Wir können dann auch die Allergene von frischen Insekten mit denen vergleichen, die getrocknet oder gemahlen wurden“, erklärt Eva-Maria Ladenburger.

Forschungsprojekt ist auch wichtig für die Behörden

Das Forschungsprojekt soll also in mehrfacher Hinsicht einen Mehrwert schaffen: „Wenn viele Menschen schneller, sicherer und günstiger auf Lebensmittelallergene getestet werden können, wäre der Erfolg einer Hyposensibilisierungstherapie bei Allergikern viel engmaschiger verfolgbar als heute“, sagt Dieter Stoll.

Wie wichtig das Forschungsprojekt auch für die Behörden ist, zeigt die erste Stellungnahme der Arbeitsgruppe für Ernährung, Novel Foods und Lebensmittelallergene der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zur Sicherheit von Mehlwurmpulver als Novel Food, in der verstärkte Forschung zum allergenen Potenzial von Insektenproteinen gefordert wird.

Projekt wird drei Jahre gefördertDas Forschungsprojekt wird vom Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin koordiniert. Die Förderung des Vorhabens erfolgt aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages. Gestartet ist das Projekt im September 2020, die Förderung läuft über insgesamt drei Jahre.

Die Projektträgerschaft erfolgt über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im Rahmen des Programms zur Innovationsförderung.

Die Hochschule Albstadt-Sigmaringen arbeitet im Projekt mit der Signatope GmbH, der HOT Screen GmbH, dem NMI Naturwissenschaftlichen und Medizinischen Institut in Reutlingen, der Kinderklinik an der Charité in Berlin, dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin und einem assoziierten Partner, dem nicht über das Projekt geförderten Forschungszentrum von Nestlé in der Schweiz, zusammen.

Gemeinsam wird das Konsortium auf einem noch weitgehend unerforschten Gebiet tätig, das sich aber sehr dynamisch entwickelt.

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