Historische Geste: Der katholischer Pfarrer Michael Knaus betet vom Dach der Hechinger Moschee

Von Hardy Kromer

Erstmals hat in der Zollerstadt ein christlicher Geistlicher öffentlich vom Vordach der Moschee der Muslimgemeinde gebetet.

Historische Geste: Der katholischer Pfarrer Michael Knaus betet vom Dach der Hechinger Moschee

Sie beteten für Frieden und Verständigung: der katholische Pfarrer Michael Knaus, der Imam der Muslimgemeinde Hechingen, Ahmed Gezer (rechts), und die Religionsbeauftragte der Muslimgemeinde, Tuba Sekerci, auf dem Vordach der Süleymaniye-Moschee.

Friedlich und ohne öffentliche Auseinandersetzungen ging gestern das zweite öffentliche Freitagsgebet der Hechinger Muslimgemeinde über die Bühne. Die AfD, die vor Wochenfrist in der Gammertinger Straße noch mit Kruzifix und Deutschlandfahnen demonstriert hatte, hatte eine neuerliche Kundgebung im Vorfeld abgesagt.

50 Muslime und ein paar Christen

Rund 50 Muslime und ein paar wenige christliche Zaungäste wurden diesmal freilich Zeugen eines historischen Moments: Zum ersten Mal, seit der Islam zu Hechingen gehört, betete ein christlicher Pfarrer öffentlich zusammen mit dem Imam, dem Vorbeter der Muslimgemeinde. Michael Knaus, der Leitende Pfarrer der katholischen Kirchengemeinde Hechingen, stieg dazu aufs Vordach der Süleymaniye-Moschee in der Gammertinger Straße.

„Es tat mir so weh“

Wie es dazu kam, erläuterte Knaus: Am vergangenen Sonntag hatte der katholische Geistliche in seinem Videogottesdienst in der St.-Luzen-Kirche die Proteste gegen das muslimische Freitagsgebet kritisiert. „Es tat mir weh“, so Knaus, „zu sehen, dass die Moslems am Gebet gehindert werden sollten. Und ich habe gesagt, dass ich das beschämend finde.“ Das habe „heftige Reaktionen, auch von Katholiken“ hervorgerufen. So könne sich ein Pfarrer nicht verhalten, habe er zu hören bekommen.

Friedliches Miteinander ist wichtig

Doch Knaus blieb beharrlich: „Es geht mir einfach um ein friedliches Miteinander der Konfessionen und der Religionen.“ Und deshalb habe er die Einladung von Baykan Akdogan, dem Dialogbeauftragten der Muslimgemeinde, ein Friedensgebet zu sprechen, gerne angenommen.

Bruder von allen Menschen

Und so tat Pfarrer Knaus vom Vordach der Moschee herab kund: „Herr, ich bin hierher gekommen als ein Bruder von allen Menschen, die nach deinem Ebenbild geschaffen sind.“ Getreu einem Gebetstext aus dem Jahr 1913 bat er Gott: „Mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens, dass ich liebe, wo man hasst; dass ich verzeihe, wo man beleidigt ist; dass ich verbinde, wo Streit ist.“

Friedensbotschaft am 8. Mai

Passende Worte in diesen Tagen der Krise, in denen auf vielfältige Weise nach neuen Wegen des Dialogs gesucht wird; eine passende Friedensbotschaft sicher auch gerade am 8. Mai, dem 75. Jahrestages des Kriegsendes und der Befreiung Deutschlands von der Nazi-Diktatur.

O Allah, beschütze alle Menschen

Auch Adnan Bürkev, der Vorsitzende der Hechinger Muslimgemeinde, freute sich über die verbindenden Worte, die Pfarrer Knaus sprach: „Das war super. So muss es sein. Wir müssen doch zusammenhalten in Hechingen. Wir beten doch alle zu Gott. Fertig.“ Zu Gott, der für die Muslime Allah heißt, hatte zuvor der Imam der Gemeinde, Ahmed Gezer, in typischer Weise gerufen, bevor Tuba Sekerci, die Religionsbeauftragte der Gemeinde, ihrerseits auf Deutsch das Friedensgebet aus der Vorwoche erneuerte: „O Allah, beschütze alle Menschen in Hechingen, in Baden-Württemberg, in Deutschland und überall auf der Welt vor dieser Pandemie, wie wir sie gerade erleben.“

Nächsten Freitag um 13.30 Uhr folgt die dritte Auflage. Dann hoffen die Muslime auf einen Gast aus der evangelischen Gemeinde.