Zollernalbkreis

Herre ohne Hausmacht?

20.06.2017

von Klaus Irion

ZAK-Redaktionsleiter Klaus Irion zum Streit in der hiesigen AfD-Fraktion. Kommentar.

Alternative für Deutschland – kurz AfD – nennt sich die rechtspopulistische Partei, die vor vier Jahren angetreten ist, um die etablierten Parteien das Fürchten zu lehren. Und der Erfolg gab den strammen Patrioten recht. Einzug ins Europaparlament, das problemlose Überspringen der Fünf-Prozent-Hürden bei etlichen Landtagswahlen. Top Umfragewerte. Die Parteioberen konnten vor lauter Kraft kaum noch laufen.

Dann aber kamen die rechtsnationalen Affären um Wolfgang Gedeon und Björn Höcke – und in deren Fahrwasser begannen bei der AfD die Flügelkämpfe erst richtig. Als vorläufiger Sieger sind die radikalen Kräfte hervorgegangen. Die AfD war durch die internen Querelen endgültig in den Niederungen des Politikalltags angekommen – innerparteiliche Intrigen inklusive.

Jüngstes Beispiel ist der Streit um die Nominierung des Direktkandidaten für die Bundestagswahl im Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen. Der parteiintern eher zu den moderaten Kräften zählende Kreisvorsitzende der AfD-Zollernalb, Stefan Herre, hielt Anfang des Jahres Ausschau nach Kandidaten und fand seinen Landtagsfraktionskollegen Dr. Heinrich Fiechtner. Ein mutiges Unterfangen, war der Arzt und Stuttgarter Stadtrat doch seinerzeit bereits heftig im juristischen Clinch mit seiner eigenen Landtagsfraktion, die ihn nach Meinungsverschiedenheiten parlamentarisch kaltgestellt hatte.

Sollte der unbequeme Onkologe Dr. Fiechtner womöglich via Zollernalb-Sigmaringen nach Berlin weggelobt werden? Ein schier unmögliches Unterfangen. Denn ohne Absicherung auf der Landesliste ist derzeit für die Bundestagskandidaten jedweder Couleur angesichts der CDU-Übermacht im Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen kein Direktmandat zu erringen. Und das sieht auch Dr. Fiechtner ganz realistisch: „Es war doch von vorne herein klar, dass ich gegen Thomas Bareiß keine Chance habe“, erklärte er vergangene Woche im Gespräch mit dem ZAK.

Vielleicht hätte er selbst früher die Reißleine ziehen sollen. Denn seine ohnehin äußerst knappe Nominierungsmehrheit wurde offenbar kürzlich wegen Formfehlern vom parteiinternen Schiedsgericht nachträglich für ungültig erklärt. Doch einfach zurückziehen ist Dr. Fiechtners Sache nicht. Das hat er in der jüngeren Vergangenheit bereits mehrfach bewiesen.

Den größten Flurschaden in der ganzen Angelegenheit hat indes Stefan Herre erlitten. Der Kreisvorsitzende des Zollernalbkreises war es, der laut des Geschassten Dr. Fiechtner auf den Umlaufbeschluss der beiden AfD-Kreisvorstände gar nicht reagiert hat. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass Herre entweder gar nicht gefragt wurde oder sich mit der Absetzung seines Kandidaten nicht gemein machen wollte. Ein Kreisvorsitzender ohne Hausmacht?

Herre selbst wollte sich vergangene Woche nicht zu dem Vorfall äußern. Auch auf der Facebookseite des Kreisverbands ist bis heute kein Wort zur Personalie Dr. Fiechtner zu lesen. Ganz anders beim Kreisverband Sigmaringen. Auf dessen stellvertretende Vorsitzende Andrea Zürcher hatte Herre von Beginn an verwiesen. Sie war es auch, die Dr. Fiechtner per E-Mail davon in Kenntnis gesetzt hatte, dass die Kreisvorstandsmitglieder ihm mehrheitlich das Vertrauen entziehen werden. Zürcher machte im vergangenen Jahr erstmals überregional auf sich aufmerksam, als sie in Radolfzell bei einem Besuch der Bundeskanzlerin eine Demonstration von Merkel-Gegnern unter dem Titel „Gegen wirre Asylpolitik“ organisierte. Der Nenner, auf den sich der Großteil der Demonstranten seinerzeit geeinigt hatte: „Merkel muss weg“. Nun tritt Zürcher wieder ins Licht der überregionalen Öffentlichkeit.

Die erneute Nominierungsversammlung der AfD nächste Woche im Ebinger Brauhaus verspricht interessant zu werden. Zürcher hatte gegenüber dem ZAK angekündigt, dass sie mit mehreren Kandidaturen rechne, vor allem von AfD-Mitgliedern, die auf der Landesliste nicht untergekommen seien. Namen wollte sie indes noch nicht verraten. Man darf gespannt sein, ob sich unter den Kandidaten womöglich auch Mitglieder eines der beiden Kreisvorstände wiederfinden. Das wiederum ließe dann den Vertrauensentzug gegenüber Dr. Fiechtner noch einmal in einem ganz anderen Licht erscheinen.

Interessant auch: Just einen Tag bevor der neue Direktkandidat der AfD im Brauhaus aufs Schild gehoben wird, lädt die AfD im Zollernalbkreis zum Wahlkampfauftakt ins Foyer der Tailfinger Zollernalbhalle ein. Für eine Verschiebung bis nach der Neunominierung gibt es keine Anhaltspunkte. Dr. Fiechtners Sturz kam für Herre und Co. wohl zu überraschend.

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