Hechinger Landgericht lehnt Verfahrenseröffnung ab: Impfpass-Fälscher kommt straffrei davon

Von Pressemitteilung des Hechinger Landgerichts

Weil das Vorzeigen eines gefälschten Impfpasses bei einer Apotheke erst seit dem 24. November 2021 zweifellos strafbar ist, und er es bereits zuvor getan hat, ist ein Mann aus Rottweil einem Gerichtsprozess entgangen.

Hechinger Landgericht lehnt Verfahrenseröffnung ab: Impfpass-Fälscher kommt straffrei davon

Ein gelbes Impfbuch mit Eintragungen der Covid-19-Schutzimpfungen (Symbolfoto).

Wie das Landgericht Hechingen in einer Pressemitteilung erklärt, habe die 1. Große Strafkammer beschlossen, das Hauptverfahren aus Rechtsgründen nicht zu eröffnen.

Laut Anklage habe der 51-jährige Rottweiler am 8. November 2021 einen gefälschten Impfnachweis in einer Apotheke in Schömberg vorgezeigt. Die Staatsanwaltschaft erhebt den Vorwurf der Urkundenfälschung in Gestalt des Gebrauchs einer gefälschten Urkunde.

Bewertung: nicht strafbar

Die Strafkammer hat das angeklagte Verhalten als zum genannten Zeitpunkt noch nicht strafbar bewertet. Erst am 24. November 2021 ist eine Änderung des Strafgesetzbuchs in Kraft getreten, die eine Ahndung sämtlichen strafwürdigen Verhaltens im Bereich der Fälschung von Impfausweisen zweifelsfrei sicherstellen soll. Die nach Bewertung der 1. Großen Strafkammer bestehende Strafbarkeitslücke wurde damit geschlossen.

Aufgrund des Rückwirkungsverbots entfaltet diese Änderung allerdings Wirkung nur für die Zukunft. Gegen die Entscheidung der 1. Großen Strafkammer steht der Staatsanwaltschaft Hechingen das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zum Oberlandesgericht Stuttgart zur Verfügung.

Rechtsprechung und Rechtswissenschaft uneinig

Ob die Vorlage gefälschter Impfnachweise vor dem 24. November 2021 strafbar war oder nicht, wird innerhalb der Rechtswissenschaft und Rechtsprechung nach wie vor nicht einheitlich beantwortet.

Ebenso wie nun auch die die 1. Große Strafkammer des Landgerichts Hechingen haben bislang – neben weiteren Gerichten im Bundesgebiet – auch die 3. Große Strafkammer des Landgerichts Hechingen sowie Spruchkörper der Landgerichte Stuttgart und Karlsruhe entschieden. Die gegenteilige Auffassung wurde durch eine Kammer des Landgerichts Konstanz vertreten.

Nun haben am Landgericht Hechingen zwei unabhängige Spruchkörper mit Blick auf die alte Rechtslage, also für Fälle vor dem 24. November 2021, die gleiche Rechtsauffassung geäußert – allerdings in jeweils selbständigen Verfahren und in unterschiedlichen Verfahrensarten.

Ähnliche Lage wie bei unrechtmäßiger Hausdurchsuchung

Hinsichtlich der rechtlichen Bewertung der bezeichneten Fragestellung deckt sich die nun ergangene Entscheidung der 1. Großen Strafkammer inhaltlich weitgehend mit einem Beschluss der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts Hechingen.

Die 3. Kammer hat bereits im Dezember vergangenen Jahres der Beschwerde einer Frau stattgegeben, die sich im Rahmen eines anderen, seinerzeit bei der Staatsanwaltschaft anhängigen Ermittlungsverfahrens gegen einen Durchsuchungsbeschluss gewandt hatte, der auf die Vorlage eines gefälschten Impfdokuments gestützt war. Die Kammer hatte über die Rechtmäßigkeit dieses Beschlusses zu erkennen – und die Entscheidung für rechtswidrig erklärt.

Angeklagter hatte Urkundenfälschung gestanden

Demgegenüber hatte nun die 1. Große Strafkammer auf eine Anklage der Staatsanwaltschaft nach Abschluss eines (anderen) Ermittlungsverfahrens im sogenannten Zwischenverfahren zu überprüfen, ob ein hinreichender Tatverdacht besteht, ob also eine Verurteilung überwiegend wahrscheinlich ist.

Hierbei galt es ebenfalls zu überprüfen, ob das konkret angeklagte Verhalten des Angeschuldigten am 8. November 2021 (welches dieser eingeräumt hatte) strafbar war oder nicht, denn die Durchführung einer Hauptverhandlung setzt voraus, dass das Gericht das angeklagte Verhalten für grundsätzlich strafbar hält.

Keine Verhandlung

Dies verneinte die 1. Große Strafkammer und entschied, dass die Vorlage gefälschter Impfnachweise nach der bis zum 24. November 2021 geltenden Rechtslage aufgrund einer Strafbarkeitslücke keiner Strafvorschrift unterfiel. Diese Lücke wurde – wie beschrieben – inzwischen vom Gesetzgeber geschlossen.