Balingen

Graffiti-Ausstellung in Frommern: Streetart ist in München ein Zugpferd für den Tourismus

04.07.2019

Von Dennis Breisinger

Graffiti-Ausstellung in Frommern: Streetart ist in München ein Zugpferd für den Tourismus

© Dennis Breisinger

Bei dem Diskussionsabend ging es um die Münchner Graffiti-Szene.

Ein Kenner der Münchner Graffiti-Szene, Martin Arz, war zu Gast in Balingen und erzählte von seinen Erfahrungen.

Die Münchener Streetart-Szene wird bei der Kunstausstellung Revolte in der Schwelhalle in Frommern thematisiert. Auch die beiden Hauptprotagonisten der Ausstellung, Markus Müller alias WON ABC und Selcuk N. alias Cowboy 69, haben sich unter anderem auch gemeinsam mit ihrer Kunst schon in der bayerischen Landeshauptstadt verewigt.

„WON ABC hat die Szene in München vorangebracht, Cowboy 69 war in München eher im Untergrund präsent“, erklärt einer der größten Kenner der Münchener Szene Martin Arz, der kürzlich bei der Ausstellung zu Gast war.

In München gibt es eine der größten Hall of Fames

Unter der Moderation vom Kurator der Ausstellung, Roman Passarge, ging der Buchautor näher auf das Phänomen Graffiti in München ein. „München war in den Anfängen der erste Hotspot in Deutschland. Künstler aus ganz Europa kamen dort hin, weil es über eine der größten Hall of Fames verfügte, wo sie sich legal ausleben konnten“, weiß Passage.

Im Gegensatz zu Städten wie Paris, Athen oder Lissabon, wo der Besucher fast zwangsläufig mit Graffiti in Berührung kommen, sind Kunstwerke im München auf dem ersten Blick vor allem an Touristen-Hotspots nur selten sichtbar.

„München ist eine sehr reiche Stadt, in der keine ,dreckigen Viertel‘ vorhanden sind, zudem gibt es dort keine großen, freien Flächen mehr und kaum Leerstände. Architekten von Neubauten möchten keine Graffiti, weil sie es als einen Eingriff in ihre Gestaltung sehen, bei älteren, denkmalgeschützten Gebäuden gibt es oftmals Probleme mit den Behörden“, hat Arz Gründe parat, warum München nicht unbedingt als Mekka der Szene gilt.

„In München läuft alles relativ geregelt ab“, pflichtet Passarge Arz bei. „München verfügt nur über eine Hall of Fame im Schlachthofviertel, die wir uns schwer erkämpft haben. Es ist aber trotzdem sehr viel Graffiti zu sehen, man muss nur wissen wo“, meint Arz, der Streetart-Führungen durch München anbietet.

Steetart ist ein Zugpferd für den Tourismus

Die Städte hätten mittlerweile eingesehen, dass Streetart ein Zugpferd für die Tourismusindustrie sein kann, so Arz, bei dessen Führungen sich auch immer wieder Münchener, die eigentlich ihre Stadt sehr gut kennen, beteiligen.

„Die Einheimischen gehen danach mit anderen Augen durch ihre Stadt und sie und die anderen Führungsteilnehmer erkennen, dass Graffiti nicht irgendwelche Schmierereien von Jugendlichen sind, sondern von hochprofessionellen Künstlern gemacht werden“, hat der Experte erkannt.

„In München wird viel Style-Writing, bei dem Schrift verwendet wird, und wenig figurative Arbeit betrieben“, bedauert Arz, dem es besonders Fabelwesen angetan haben. Passarge und Arz beleuchteten im Gespräch auch die Geschichte der Graffitikunst näher.

Ursprünglich ist Graffiti eine Form des Widerstands

„Streetart war ursprünglich eine Bewegung aus dem Widerstand heraus, die sich durch die Vereinnahmung der Stadt durch den Kommerz in Form von Werbung wehrte“, so Passarge. Dass die Szene ihre Wurzeln verleugnet, sieht Arz nicht.

„Natürlich gibt es heutzutage viel mehr Auftragsarbeiten, aber die Streetart war schon immer kommerziell. Streetart muss meiner Meinung nach auch nicht immer politisch oder provozierend sein, sondern sie kann auch einfach nur dekorativ sein“, findet Arz, der hingegen andere Probleme ausgemacht hat.

Die Vergänglichkeit gehörte dazu, aber Künstler die covern, das heißt andere Werke vollständig übermalen, sind seiner Meinung nach Deppen. Auch vor Taggern, die einfach ihr Kürzel an alles hinschmieren, habe er keinen Respekt. Mit einem bestimmten Ehrenkodex sei es schon lange vorbei und oftmals werde leider Vandalismus betrieben.

Informationen zur Ausstellung

Die Ausstellung Revolte Urban Art ist noch bis zum 8. September von Montag bis Sonntag jeweils von 10 bis 22 Uhr in der Frommerner Schwelhalle, Ohnrastraße 13, zu sehen. Tickets gibt es an allen ZAK-Geschäftsstellen. ZAK-Abonnenten erhalten einen Vorteilspreis.

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