Geschichte ist sein Steckenpferd: Der Rosenfelder Hans Mendgen hat in 95 Jahren viel erlebt

Von Rosalinde Conzelmann

Im Jahr 1945 erhielt der junge Soldat Hans Mendgen im Haus des Rosenfelder Architekten Strohmeyer kurz Quartier. Die Tochter des Hauses, Marta Strohmeyer, und der gebürtige Rumäne fanden Gefallen aneinander. Es vergingen aber fast vier Jahre, bis sie ihre Liebe besiegelten und für Hans Mendgen ein neues, beständiges Leben begann. Längst ist ein Rosenfelder aus ihm geworden. „Hier fühle ich mich Zuhause“, sagt der Fotograf, Hobbyhistoriker und Uhrmacher an seinem 95. Geburtstag.

Geschichte ist sein Steckenpferd: Der Rosenfelder Hans Mendgen hat in 95 Jahren viel erlebt

Hans Mendgen wurde am 19. Mai 1926 geboren. Der Rosenfelder blickt auf ein bewegtes Leben zurück.

Hans Mendgens Gedächtnis ist erstaunlich. Er hält es auch heute noch durch Lesen und Schreiben fit, seine beiden Leidenschaften. Der 95-Jährige erinnert sich noch gut an Details aus seiner Kindheit in Marienburg in Siebenbürgen, wo er mit seiner Schwester nach der Scheidung der Eltern bei der Mutter aufwächst. Er kommt mit 14 Jahren nach Rheinsberg in Deutschland, erlebt die ersten negativen Erfahrungen mit den Nationalsozialisten und bereitet sich nach drei Schulwechseln schließlich in Blankenburg am Harz im vierten Gymnasium auf das Abi vor. Heute sagt er, dass dies die beste Schulzeit seines Lebens gewesen ist.

Der Zweite Weltkrieg durchkreuzt seine schulischen Pläne. Er wird als Luftwaffenhelfer einberufen und in Salzgitter, Stendal, Wien, Dänemark eingesetzt. Nach dem ersten Fronteinsatz in Frankenthal erfolgte der Rückzug über den Rhein nach Rosenfeld.

Der Hunger im Lager ist groß

Dem fünftägigen Aufenthalt bei der Familie Strohmeyer folgt ein kurzer Einsatz im Schwarzwald. Danach kommt der Rekrut in französische Gefangenschaft. Seine Erinnerung an die Zeit im Lager in Langres: „Wir hungerten, bald konnte man unsere Rippen von weitem zählen, wir dachten an nicht anderes mehr als ans Essen.“ Rettung naht: Hans Mendgen wird mit weiteren jungen Gefangenen als Arbeitskräfte auf einen Bauernhof in Busson rund 100 Kilometer südwestlich von Nancy geschickt. Aus dem jungen Deutschen wird „Jean“, der in der Bauersfamilie herzlich aufgenommen und wieder aufgepäppelt wird. Es entsteht eine außergewöhnliche Freundschaft, die noch heute besteht.

Hochzeit und bürgerliches Leben

Nach der Rückkehr aus Frankreich beginnt mit der Hochzeit am 23. November 1949 für Hans Mendgen ein bürgerliches Leben. Tochter Inge und Sohn Hans-Ulrich kommen zur Welt; der Familienvater findet sofort eine Arbeitsstelle bei der ortsansässigen Firma Uhren Beutter. Er besteht die Uhrmacherprüfung und arbeitet vier Jahrzehnte bei dem Unternehmen. Nebenher gründet er gemeinsam mit seiner Frau ein Fotogeschäft, das die beiden über 30 Jahre erfolgreich führen. Seine Ehefrau arbeitet erst als kaufmännische Angestellte und wird später Erzieherin.

Das Ehepaar liebt die Berge und macht in seiner knappen Freizeit zahlreiche Wanderurlaube im Schwarzwald, in Südtirol und auf der Alpennordseite. Auch die Freunde in Frankreich besuchen sie oft.

Das Ehepaar reist viel und wandert gerne

Aus Verbundenheit zu seiner alten Heimat Siebenbürgen übernimmt der Rosenfelder als Rentner 15 Jahre lang den Vorsitz des Vereines „Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen“ im Kreis Balingen-Sigmaringen. Nach der Wiedervereinigung reist das Ehepaar jährlich für mindestens eine Woche in die Neuen Bundesländer. „In Ilmenau und im Erzgebirge waren wir sogar mehrmals“, erzählt der 95-Jährige, der auch Gründungsmitglied im Verein zur Förderung Rosenfelds ist.

Im Jahr 2009 dürfen Marta und Hans Mendgen noch das Fest der Diamantenen Hochzeit mit ihren Kindern, Enkeln und Urenkeln und den engsten Freunden feiern. Seit dem Tod seiner Frau vor neun Jahren lebt Hans Mendgen zurückgezogen in der Welt seiner Bücher und Zeitungen und pflegt seine Kontakte via E-Mail mit all den lieben Menschen, die ihn schon seit Jahren begleiten. Noch immer schreibt er seine Erlebnisse auf und ist interessiert am Weltgeschehen.

Ein Filmteam besuchte den Rosenfelder

Im Jahr 2016 war ein französisches Filmteam zu Gast im Wohnzimmer des bekannten Rosenfelders, um den Uhrmacher und Fotografen nach seinen Erfahrungen in der Nazizeit zu interviewen. Die Münchner Journalistin Monika Griebeler war auf Mendgen aufmerksam geworden und hatte ihn an den französischen Autor und Dokumentarfilmer David Korn-Brzoza empfohlen. Das Filmteam war beeindruckt vom guten Gedächtnis des damals 90-Jährigen und seinen lebendigen und sehr offenen Schilderungen.