Gemüse, das nicht jeder kennt: Solawi Zollernalb auf dem Rosenfelder Sülzlehof will wachsen

Von Rosalinde Conzelmann

Die erste Ernte im Frühjahr war mau, weil es nochmals bitterkalt wurde. Dafür sind die Möhren immer ganz schnell weg, weil sie so lecker schmecken – zwei von vielen Erfahrungen, die die Solawi-Gärtner im ersten Erntejahr gemacht haben. Ihre Bilanz fällt gut aus. Deshalb hat die Solidarische Landwirtschaft Zollernalb für die Zukunft weitere Pläne.

Gemüse, das nicht jeder kennt: Solawi Zollernalb auf dem Rosenfelder Sülzlehof will wachsen

Landwirt Michael Sülzle (von rechts), Josephine Dehner und Julia Hölle haben am Dienstag Sellerie geerntet.

Es war ein Wagnis, das auf solidem Boden, nämlich einem halben Hektar Acker, im November 2018 gestartet ist. Jetzt ist für Solawi-Gründer, zwei Landwirtinnen, eine Ökologin und ein Jungbauer aus Rosenfeld, das erste Erntejahr fast zu Ende und sie gehen mit vielen neuen Ideen ins zweite Vereinsjahr. Das Wagnis hat sich als Erfolgsmodell entpuppt.

Verein zählt 70 Mitglieder

„Wir sind bei der Infoveranstaltung im Oktober überrannt worden“, erinnert sich Julia Hölle. Über 100 Menschen aus dem ganzen Landkreis informierten sich auf dem Sülzlehof über das Konzept. Das Ziel war, mit 30 Ernteanteilen zu starten.

Bis November traten 60 Menschen dem Verein bei, heute sind es 70 Mitglieder.

Ein Erntejahr dauert von April bis März. Im ersten Jahr hat der späte Frost den Solawi-Bauern einen Strich durch die Rechnung gemacht; das wurde aber durch die gute Ernte im Sommer ausgeglichen.

Elf Ernteeinsätze bis jetzt

Immer freitags finden die Ernteeinsätze statt; insgesamt elf waren es im aktuellen Erntejahr. Nach der Ernte wird das Gemüse an den vier Verteilerstellen in Rosenfeld direkt auf dem Hof, in Bisingen, in Laufen und in Balingen weiterverteilt.

Josephine Dehner, die auf dem Sülzehof lebt, ist die Chefgärtnerin und hat für die Abnehmer mit Unterstützung von Landwirt Michael Sülzle, eine große Vielfalt an alten, samenfesten Gemüsesorten angebaut.

Eine reiche Ernte

Kartoffeln, Lauch, Endiviensalat, Buntzwiebeln, Mangold, Fenchel, Rote Beete, Brokkoli, Blumenkohl, Spitzkohl, Kohlrabi, Stangensellerie, Blumenkohl und Spitzkohl wanderten bisher in die Erntekörbe und danach direkt an die Endverbraucher.

Die Herbstrübchen haben die Erdflöhe, ein Erdkäfer, weggeknabbert; den Wirsing retteten die Ökobauern mit einem Netz. Künftig, auch das ist eine Lektion, die sie gelernt haben, wollen sie mit dem Anbau von Mischkulturen möglichen Misserfolgen vorbeugen.

Gemüse wird angebaut, das man nicht so kennt

Auf dem Rosenfelder Ackerland wird Gemüse angepflanzt, das nicht so bekannt ist, wie etwa Mairübchen oder Sommerkürbisse. „Das sorgt oft für Staunen“, sagt Julia Hölle – vor allem aber auch für ein Umdenken. „Viele stellen ihre Ernährung um“, sagt Hölle. Und spricht aus eigener Erfahrung: „Wir essen seither viel mehr Kartoffeln und kaum noch Nudeln.“

Wichtig sei die Bereitschaft, sich auf das Gemüse einzustellen. Und die Auswahl sorgt auch jedes Mal für Gesprächsstoff unter den Abnehmern und Fragen wie: „Was hast du mit der roten Beete gemacht?“ Aus diesem Grund werden jetzt im wöchentlichen Newsletter auch Rezepte eingestellt. „Das kommt gut an“, sagt Julia Hölle.

Eine Chance für die ganze Familie

Josephine Dehner, die selbst Mutter ist, sieht in der Solawi aber noch eine weitere Chance: „Unsere Kinder sehen, wo das Gemüse wächst und wie man es anbaut.“

Der Verein hat ein Folientunnel angeschafft, um künftig auch Tomaten, Auberginen und Paprika anzubauen. Für das zweite Erntejahr streben sie 40 Ernteanteile an und die Ackerfläche soll auf einen Hektar erweitert werden. Ziel ist es, pro Anteil, Gemüse für zwei Personen anzubauen und zu liefern.

Flexibel und dynamisch

„Wir sind sehr flexibel, dynamisch und innovativ“, sagt Josephine Dehner. Und das bedeutet, dass auch die Wünsche der Abnehmer berücksichtigt werden.

Beispielsweise nach Eiern. Seit ein paar Wochen gackern 20 Hühner auf dem Sülzlehof, bei Bedarf kann jederzeit aufgestockt werden. Und ein Imker ist auch schon mit im Boot.

Ebenso ist geplant, weitere „Bausteine“ wie Honig, Getreide, Apfelsaft und Kräuter anzubieten.

Vor der Hauptversammlung am 12. Januar 2020 im Naturfreundehaus in Balingen werden die Weichen für das neue Vereins- und Erntejahr gestellt. Bis 31. Dezember muss Vereinskassiererin Dagmar Herold verbindlich wissen, wer das biologisch angebaute Solawi-Gemüse beziehen möchte.

Ganz wichtig: Die Anteilsnehmer müssen bei der Hauptversammlung persönlich da sein, um den Vertrag zu unterschreiben.

So funktioniert das Prinzip der Solidarischen Landwirtschaft

Nach der verbindlichen Zusage der Abnehmer wird auf dieser Basis das Budget berechnet, in das alle Kosten hineingerechnet werden.

Zum Start der Solawi lag diese Gesamtsumme bei 30.000 Euro. Diese Zahl wurde durch zwölf und durch die Anzahl der Abnehmer geteilt. So lagen die monatlichen Kosten pro Ernteanteil bei 70 Euro, dem Richtwert.

Jetzt kommt das Solidaritätsprinzip. In einer anonymen Bieterrunde gibt jeder sein Gebot ab. „Die alleinerziehende Mutter mit fünf Kindern kann vielleicht nur 50 Euro bezahlen; die Doppelverdiener sind bereit 100 Euro zu geben“, erläutert Julia Hölle. Am Ende wird die Summer zusammengezählt und verglichen, ob es reicht.

Die Erfahrung zeigt, dass es meistens reicht. „85 Prozent zahlen den Richtwert, zehn bis 15 Prozent schlagen nach unten oder oben aus“, ergänzt Josephine Dehner. Weitere Informationen auf solawi-zollernalb.de.

Regional in die Zukunft

Dass ihr Konzept so gut funktioniert sehen die Gründer als Bestätigung ihrer Arbeit. „Die kleinbäuerliche Struktur ist der einzige Weg für die Landwirtschaft“, sagt Julia Hölle. Jungbauer Michael Sülzle nickt: „Im regionalen Anbau liegt der Markt der Zukunft.“