Schörzingen

Gedenkstätte Eckerwald in Schörzingen: Aus Zeitgeschichte wird Geschichte

20.05.2019

von Stefan Kiener

Gedenkstätte Eckerwald in Schörzingen: Aus Zeitgeschichte wird Geschichte

© Stefan Kiener

Brigitta Marquart-Schad und Willi Koch begrüßten die zahlreichen Besucher im Eckerwald.

Die Initiative Gedenkstätte Eckerwald erinnert an die Gräuel der Nazidiktatur in den Außenstellen des Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof im Rahmen des „Unternehmens Wüste“ in der Region. Am Sonntag fand eine Gedenkveranstaltung statt.

Der Verein hatte am vergangenen Sonntag in den Eckerwald geladen und konnte sich über reges Interesse freuen. So waren alle Sitzplätze belegt, und zahlreiche weitere Zuhörerinnen und Zuhörer fanden nur noch Stehplätze rund um die vor fast genau 30 Jahren eingeweihte Bronzeskulptur eines KZ-Häftlings aus der Hand des Rottweiler Malers und Bildhauers Siegfried Haas. Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung durch den Musikverein Zepfenhan unter der Leitung von Thomas Brolde.

Überlebende aus den Lagern zu Gast im Eckerwald

Die Vorsitzende der Initiative, Brigitta Marquart -Schad, begrüßte neben den Bürgermeistern von Rottweil, Dautmergen und Schömberg sowie dem ehemaligen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Erwin Teufel, auch Überlebende der Lager und deren Angehörige aus Frankreich, Luxemburg und Polen. In ihrer Eröffnungsrede betonte sie, dass „unsere Verantwortung die Erinnerung, die Gegenwart und die Zukunft“ sind. Sie wies darauf hin, wie wichtig Zeitzeugen für die Erinnerung sind, und dass die Zeitzeugen nach und nach verschwinden. „Aus Zeitgeschichte wird Geschichte“, erläuterte sie.

Als erste Zeitzeugin berichtete Annie Jacques, wie in ihrem Heimatdorf in Frankreich die SS mehrfach ins Dorf eingefallen ist, um die Adressen von Mitgliedern des Widerstandes zu erpressen. Sie warnte vor dem Wiedererstarken des Ultranationalismus und seinen Folgen.

Im KZ zur Welt gekommen

Auf sie folgte der Luxemburger Gaston Raths, der im KZ zur Welt gekommen war. Er warnte vor einer Verharmlosung der Nazizeit und davor, die Konzentrationslager zu reinen Touristenzielen verkommen zu lassen. Auch er warnte davor, wie leicht es sei, populistischen Strömungen zu erliegen. Ein Nicht-Erinnern würde sich in der Zukunft rächen.

Zeugin des Warschauer Aufstands

Aus Polen angereist war Ursula Kublik-Koperska. Sie war als Achtjährige Zeugin des Aufstandes in Warschau und musste mit ansehen, wie die Aufständischen in Viehwagen ins KZ Auschwitz deportiert wurden. Sie erinnere sich noch an ihre Verzweiflung, den Hunger, die Kälte und die Sehnsucht nach ihren Eltern, führte sei aus.

Frédérique Neau-Dufour, die Direktorin des Centre Européen du Résistant Déporté à Natzweiler-Struthof (CERD) schlug den Bogen von der Vergangenheit über die Erinnerung zur Gegenwart. Die Erinnerung sei die Waffe gegen den wiederaufflammenden Antisemitismus und Populismus.

Fünf rote Rosen vor der Bronzeskulptur

Gerhard Lempp, Mitglied des Beirates der Initiative Gedenkstätte Eckerwald, berichtete von der Geschichte der Gedenkstätte und vom Entstehen der Bronzeskulptur vor 30 Jahren. Stellvertretend für fünf Häftlinge legten fünf Schülerinnen aus Rottweiler Gymnasien vier symbolische Steine und einen Bund bestehend aus fünf roten Rosen vor der Skulptur nieder. Sie zitierten dabei jeweils einen Bericht eines ehemaligen KZ Häftlings.

Brigitta Marquart -Schad und der zweite Vorsitzende des Vereins, Willi Koch, freuten sich, die neu erstellten Dokumentationstafeln enthüllen zu können, die das Werk 10 des Unternehmens Wüste und seine Geschichte plastisch erklären. Mit einem herzlichen Dank an die Gemeindeverwaltungen der umliegenden Gemeinden und insbesondere an den städtischen Bauhof Schömberg, der das Gelände ganzjährig pflegt, beendete Willi Koch die Veranstaltung.

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