FUSSBALL

Fünften Sieg im Visier: Regionalliga-Überraschung TSG Balingen reist zum FC 08 Homburg

22.01.2021

Von Marcel Schlegel

Fünften Sieg im Visier: Regionalliga-Überraschung TSG Balingen reist zum FC 08 Homburg

© Sören Herl

Daniel Seemann von der TSG Balingen ist derzeit in guter Form.

Die TSG Balingen ist in der Fußball-Regionalliga derzeit in bestechender Form. Am Sonntag um 14 Uhr wird die Braun-Elf beim FC 08 Homburg erwartet. Das Ziel: der fünfte Sieg in Serie.

Wer verstehen will, wie Regionalliga-Fußball bei der TSG Balingen funktioniert, hat am Mittwoch mal wieder ein anschauliches Beispiel erhalten. Noch am Mittag hatte Daniel Seemann im Hauptberuf das Gerüst neben dem Kunstrasen aufgebaut, von dem herab später das Heimspiel gegen den KSV Hessen Kassel für den vereinseigenen Livestream gefilmt wurde. Am späten Nachmittag huschte Seemann dann schnell nach Hause in Engstlatt, zurück in die Bizerba-Arena, tauschte Arbeitskutte gegen TSG-Trikot. Und machte beim 2:0-Heimsieg gegen die Löwen kurz vor der Pause vom Punkt aus das zwischenzeitliche 1:0 und zudem sein vielleicht bestes Saisonspiel.

Die Pressekonferenz zum Kassel-Spiel.

Während die TSG-Spieler sich tagsüber auf Beruf oder Studium konzentrierten, freiwillige Helfer gemeinsam mit der Stadt den Kunstrasen vom Schnee befreiten, waren die Kassler Profis bereits am Dienstag in der Kreisstadt angereist. Als etwa Seemann nun also Eisenstangen schleppte und montierte oder der spielende Co-Trainer Lukas Foelsch seine Realschülerinnen und -schüler in vollem Deputat mit Home Schooling betreute, bereiteten sich die Gäste aus Hessen in Ruhe auf das Regionalliga-Spiel vor – und gingen am Ende dennoch leer aus.

Ex-Bundesligisten reihen sich hinter TSG ein

Nicht nur dieser Vergleich zeigt, welch beeindruckende Leistung es für einen Amateurverein darstellt, in dieser fast professionellen Spielklasse mit „Fußball als Hobby“ oder im Nebenjob zu bestehen, gerade in Englischen Wochen. Beeindruckend jedoch ist vor allem, wie dies der TSG in dieser Saison, welche mit dem erstmaligen Einzug ins WFV-Pokalfinale schon klasse begonnen hatte, gelingt. Die vergangenen vier Spiele hat die Mannschaft von Trainer Martin Braun allesamt gewonnen, entschied sogar fünf der letzten sechs Partien für sich und steht nun mit 31 Punkten aus 18 Spielen auf dem sechsten Platz. In der Tabelle vor den Balingern: ausnahmslos Profiteams. Direkt hinter der Braun-Elf: die früheren Bundesligisten Kickers Offenbach und FC 08 Homburg, der die TSG diesen Sonntag (14 Uhr) erwartet.

Fünften Sieg im Visier: Regionalliga-Überraschung TSG Balingen reist zum FC 08 Homburg

© TSG Balingen

Daniel Seemann bei der Arbeit.

Wieso sind die Schwaben trotz sportlicher Doppel- und beruflicher Dreifach-Belastung derzeit so gut drauf? „Ich kann’s nicht anders sagen: Wir haben einen Wahnsinns-Trainer“, antwortet eben Seemann. „Martin Braun stellt uns dermaßen gut ein, jeder fühlt sich vorbereitet, jeder weiß exakt, was seine Aufgabe ist und was er besser machen muss“, so der frühere Reutlinger. „Ich habe den Eindruck, die Mannschaft hat sich genau danach lange gesehnt.“ Auch sei der Mix aus jungen und erfahrenen Spielern in diesem Jahr besonders gut getroffen. Das spiegele sich auch in den jüngsten Auftritten wider, die eine Mischung aus defensiver Abgeklärtheit und offensiver Kaltschnäuzigkeit seien. Oder wie es Seemann sagt: „Hinten brennt nichts an und vorne stechen wir zu – so wie es sein sollte.“ Auch habe sich die Mannschaft nun „in einen Flow gespielt, in dem wir bleiben wollen“.

Daniel Seemann in bester Form

Der 29-Jährige selbst hatte im vergangenen Jahr und auch noch zu Saisonbeginn meistens die zweite Geige gespielt, doch war gerade aus der sechswöchigen Spielpause im November und Dezember wie verwandelt zurückgekehrt, agiert seither vor allem deutlich agiler. Ähnliches gilt für andere Routiniers wie Kapitän Matthias Schmitz, der dieses Jahr nochmals fitter und durchtrainierter wirkt, oder auch den 31-jährigen Fabian Kurth, der wegen der anhaltenden Verletztenmisere wieder in die Startelf rückte, und dort gute Auftritte zeigte.

Youngster Harut Arutunjan im Gespräch.

Extra-Schichten habe er eingelegt, sagt Seemann. „Ich hatte Defizite“, gesteht er. „Und freue mich, dass die Arbeit sich auszahlt.“ Trotz der vielen Doppelspieltage hat Seemann bei seinen Mitspielern keine Müdigkeitserscheinungen ausgemacht. „Ich habe das Gefühl, dass wir unsere Kräfte dieses Jahr viel sinnvoller einsetzen“, sagt er. „Der Trainer stellt uns taktisch brillant ein, wir machen auf dem Feld kaum unnötige Wege.“

Teammanager Rainer Huss im Interview.

Für die Braun-Elf geht es nun zum FC 08 Homburg, der seit fünf Spielen auf einen Sieg wartet und in vier der vergangenen sechs Partien nur zu Punkteteilungen kam. Ein Zähler beim Tabellenachten dürfte für die Balinger im Saarland das Mindestziel sein. Insgeheim schielen Seemann und Co. derweil auf den fünften Sieg in Serie. „Wir nehmen einfach jedes Spiel mit“, sagt der frühere Fußballer des SV Nehren, seit Sommer 2017 in Balingen. „Das ist wieder ein geiler Gegner. Wir sind dankbar, dass wir trotz Corona derzeit unseren Sport machen dürfen, fahren da hin, geben Gas und wollen Punkte holen.“ Überheblich wolle und werde man aber nicht, beteuert Seemann. „Es ist noch eine lange Saison. Wir müssen stets dran denken, dass unsere aktuelle Siegesserie das Ergebnis von harter Arbeit ist.“ Daniel Seemann selbst ist dafür der beste Beleg.

Zur personellen Lage

Sicher in den Kader von Trainer Martin Braun wird am Sonntag lediglich Kaan Akkaya zurückkehren (nach Rot-Sperre). Auch bei Jonas Vogler (Sprunggelenk) sieht es gut aus. Unterdessen steuert Neuzugang Tom Schiffel nach Knie-OP zusehends auf seinen ersten Einsatz im TSG-Trikot hin. Auch Jonas Fritschi (Oberschenkel-Verletzung) kehrt bald ins Training zurück. Nur individuell trainieren kann Sascha Eisele, der Probleme am Oberschenkel und Knie hat. Zuletzt hat Luca Kölsch die bittere Diagnose Kreuzbandriss erhalten – das Saisonaus. Ebenfalls noch eine Weile fehlen wird Marco Gaiser, der einen Bandscheibenvorfall hatte. Auch Marcel Binanzer wird der TSG Balingen vorerst fehlen. Den Keeper plagt schon lange Zeit eine Schulterverletzung, die er nun erstmal auskurieren wolle, sagt er.

Martin Braun am Sonntag im SWR

Balingens Trainer Martin Braun (52) war als Spieler Teil jener legendären Mannschaft des SC Freiburg, die 1993 das erste baden-württembergische Bundesliga-Derby zwischen dem badischen Sportclub und dem VfB Stuttgart bestreiten dürfte – und den damals scheinbar übermächtigen großen Bruder aus der Landeshauptstadt überraschend mit 2:1 besiegte. Die Breisgauer waren damals unter Trainerlegende Volker Finke ins Oberhaus aufgestiegen, Braun seinerzeit 24 Jahre jung. Der SWR hat Martin Braun und Stuttgart-Urgestein Guido Buchwald am Sonntag (21.45 Uhr) zu sich in die Fernsehsendung SWR Sport eingeladen. Thema: Das Verhältnis beider Klubs, die am Samstag in der Bundesliga aufeinandertreffen.

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