Freundliche Nervensäge mit Liebe zur Natur: Ulrike Wieland im Albschreiber-Porträt

Von Thomas Faltin

Albstadt ist eine der waldreichsten Kommunen Baden-Württembergs, hier gibt es viele wertvolle Naturschutzgebiete, und die Traufgänge haben einen wahren Wanderansturm ausgelöst. Albstadt ist Natur. Aber wer kümmert sich eigentlich darum, dass das so bleibt, und wer eröffnet den Menschen das Outdoor-erlebnis? Thomas Faltin, der diesjährige Albschreiber der Literaturtage, stellt inden nächsten Tagen in einer Porträtserie einige „Albstädter Naturmenschen“ vor. Beispielsweise Ulrike Wieland, die die Traufgänge in Schuss hält – und neue entwickelt.

Freundliche Nervensäge mit Liebe zur Natur: Ulrike Wieland im Albschreiber-Porträt

Die Zahl der Gimmicks auf dem Traufgängerle, wie hier die igeligen Baumstämme, hat Ulrike Wieland bewusst klein gehalten. Auch beim Kinderweg sollte die Natur im Vordergrund stehen.

Ulrike Wieland hat Sinn für die kleinen und schönen Dinge des Lebens. Zu unserem Treffen oben am Schlossberg hat sie Kaffee und Brezeln mitgebracht, und nachdem wir ihr Werk, das „Traufgängerle Hexenküche“, abgewandert sind, schauen wir am Aussichtspunkt neben dem Turm ins Land hinaus und genießen dazu das heiße Getränk.

Was kann einem an einem kalten Novembertag Besseres passieren: Natur, Kaffee und ein gutes Gespräch. Die 46-Jährige arbeitet im Hintergrund für diese Natur, und doch ist ihr Tun unverzichtbar.

Die, die das Wandern ermöglicht

Kaum ein Wanderer stellt sich unterwegs die Frage, wer eigentlich so einen Weg plant, wer die Schilder aufstellt, wer die Treppenstufen anlegt und wer die Wege später pflegt.

Wenn Sie jetzt doch wissen wollen, wer Ihnen das Wandern rund um Albstadt überhaupt ermöglicht: das ist Ulrike Wieland, die offizielle „Wegemanagerin“ der Stadt Albstadt. Klar, sie macht das bei Weitem nicht alleine, es ist eine Gemeinschaftsarbeit.

Sie braucht die Förster, die einen umgestürzten Baum aus dem Weg räumen. Sie braucht die Bauhof-Mitarbeiter, die das morsche Holz der Stufen gegen „Alpineisen“ ersetzen. Und sie braucht engagierte Menschen des Schwäbischen Albvereins, ohne den das Wandern gar nie in unsere Gegend gelangt wäre.

Freundliche Nervensäge vom Dienst

Aber doch ist es Ulrike Wieland, die die Fäden in der Hand hält. Sie selbst formuliert es freilich etwas anders: „Ich bin die freundliche Nervensäge vom Dienst.“ Beharrlich sein, nett sein und ab und zu einen Kuchen mitbringen – das seien die Grundtugenden für ihren Job.

Die „Hexenküche“, den ersten Albstädter Wanderweg für Kinder, hat sie maßgeblich entwickelt; im Sommer 2018 wurde die vier Kilometer lange Tour, die am Ebinger Waldheim startet, eröffnet. Bis die erste Rasselbande darauf laufen konnte, hat das Ulrike Wieland ganz schön viel Schweiß gekostet.

Am Anfang stand die Wegeführung – Teilstrecken sind ganz neu angelegt worden, da ist sie mit dem Förster Stephan Schneider durchs Unterholz gepflügt, hat Bäume markiert und den künftigen Weg grob freigeschnitten, damit der später anrückende Minibagger wusste, wo es lang ging.

Wie die Wege entstehen

Eine Dame, die ein Spezialvermessungsbüro betreibt, hat die Tour dann mit Profi-GPS-Geräten genau vermessen und festgelegt, wo Wegezeichen angebracht werden sollten. Die Schilder wurden entworfen und aufgestellt.

Die kleinen Höhepunkte unterwegs für die Kinder mussten erfunden, hergestellt und aufgebaut werden, etwa die HexenSilhouetten nahe dem Schlossbergturm oder die stacheligen Bäume weiter unten.

„Wir haben die Zahl der Gimmicks bewusst klein gehalten“, sagt Ulrike Wieland: „Die Natur soll auch bei diesem Kinderwanderweg im Vordergrund stehen.

Und wenn die Kids mal eine Passage langweilig finden, dann müssen sie das eben aushalten.“ Zuletzt musste die „Hexenküche“ als Premiumweg zertifiziert werden; das macht das Deutsche Wanderinstitut nach strengen Kriterien.

Einen Katalog, wo man Elemente eines Premiumweges kaufen könnte, gibt es nicht. Ulrike Wieland muss deshalb pfiffig und erfinderisch sein. Und vor allem einen Schuss Blauäugigkeit und Optimismus besitzen: „Wer nur die Schwierigkeiten sieht, wird nie fertig“, sagt sie.

Viel Glück mit toller Landschaft

Aber sie will ihre eigene Arbeit gar nicht überbewerten: „Wir haben bei unseren Traufgängen vor allem viel Glück mit der tollen Landschaft. Die haben wir ja nicht erfunden.“ Die beiden hohen geschwungenen Felssäulen, durch die der Weg unterhalb des Schlossbergfelsens führt, sind tatsächlich grandios: Sie wirken wie der Eingang ins Hexenzauberland und könnten Kulisse sein für jeden Fantasy-Film.

Ulrike Wieland ist in Tübingen geboren und in Wurmlingen aufgewachsen; ihr Partner stammt aus Albstadt. „Eigentlich wollte ich nie auf die Alb“, räumt sie ein. Aber dann habe sie das Alb-Fieber doch gepackt. Als sie vor knapp drei Jahren eine Stellenanzeige der Stadt Albstadt in der Zeitung las, war das für sie Fügung, Schicksal – und sie bewarb sich schnurstracks.

Auch der Mann genießt es

Als Reisekauffrau, Fachwirtin für Vertrieb und Marketing und als studierte Betriebswirtin bekam sie die Stelle. Ihr Mann, ein richtiger Outdoor-Freak, sei ganz selig, wieder hier zu sein. Und auch er genießt es, vom Büro weg in drei Minuten in der Natur zu sein – das sei Lebensqualität, die sie in Tübingen so nicht gehabt habe.

Wobei . . . Mittlerweile wandert sie eher selten in Albstadt, lieber fährt sie in die Umgebung. Ihr falle hier sonst immer auf, wenn ein Ast in den Weg hängt oder ein Schild fehlt: „Das ist dann wie Arbeit für mich – und die anderen nervt’s.“

Manchmal stimmen die Klischees

Gewarnt habe man sie damals, dass die Älbler doch so furchtbar verschlossen und bruddelig seien. Ob sie sich da heimisch fühlen könnte? Manchmal stimme das auch, resümiert Ulrike Wieland ihre bisherigen Erfahrungen: Aber meistens erlebe sie die Albstädter als offen, persönlich, neugierig – und oft sogar als richtiggehend herzlich.

Sie vermisse Tübingen nicht. Und sie macht ihren Job mit Begeisterung, weil die Traufgänge der Mittelpunkt des Albstädter Tourismuskonzepts und für die Stadt sehr wichtig seien.

Es hat sich viel getan in kurzer Zeit

Daran mitzuwirken, sei schön, auch wenn es viel Arbeit sei, denn die Wege auf Dauer in Schuss zu halten, sei extrem aufwendig – und auch teuer. Zudem ist sie für das Marketing und die Pressearbeit für die Traufgänge zuständig. „Manchmal kommt es mir vor, als sei ich schon fünf Jahre hier – so viel hat sich in so kurzer Zeit getan.“

Derzeit tüftelt sie am Programm für das zehnjährige Jubiläum der Traufgänge, die ja die allerersten Premiumwege auf der Alb waren; im nächsten Sommer wird groß gefeiert. Aber mittlerweile habe sie fast die Rolle der Mahnenden eingenommen.

Balanceakt Tourismus

Tourismus auf der Schwäbischen Alb, das sei immer ein Balanceakt, sagt Ulrike Wieland: Einerseits müsse man immer wieder etwas Neues bieten, andererseits dürfe man die Natur und auch die Albstädter nicht überfordern. Möglichst viele Einheimische sollen sich freuen, dass Gäste in Scharen den Weg nach Albstadt finden.

Natürlich wolle man Geld verdienen, aber die Alb dürfe kein Rummelplatz werden. „Ja, wir wollen die Outdoor-Hauptstadt der Schwäbischen Alb sein und haben mit den Traufgängen eine starke Marke geschaffen“, sagt sie: „Aber alles muss Maß und Ziel haben.“

Dennoch: Ein neuer, wiederum kurzer Traufgang spukt ihr aber schon im Kopf herum. Das kann ich ihr entlocken, während sie nochmals charmant Kaffee nachschenkt. Doch so hartnäckig ich auch nachbohre, mehr verrät sie nicht. Na gut, dann lassen wir uns eben überraschen.