Albstadt

Frage an den Schulamtschef: Warum ist Albstadt für den Lehrernachwuchs besonders unattraktiv?

14.09.2021

Von Dagmar Stuhrmann

Frage an den Schulamtschef: Warum ist Albstadt für den Lehrernachwuchs besonders unattraktiv?

© Dagmar Stuhrmann

Zu den Aufgaben von Schulamtsleiter Gernot Schultheiß und seinem Team gehört die Lehrerversorgung.

Der Lehrkräftemangel betrifft alle. Die Region Zollernalb/Sigmaringen ist aber für den Berufsnachwuchs besonders unattraktiv. Am schwierigsten stellt sich die Situation in Albstadt dar. Zum neuen Schuljahr mussten einige Lehrkräfte aus Sigmaringen nach Albstadt abgeordnet werden. Wir fragten Schulamtschef Gernot Schultheiß, warum Albstadt bei den Junglehrern und Junglehrerinnen nicht gefragt ist.

Der Lehrermangel im Zollernalbkreis und im Kreis Sigmaringen verschärft sich weiter: Bereits seit längerem, bestätigt Gernot Schultheiß, der Leiter des Staatlichen Schulamts Albstadt, stelle es sich als äußerst schwierig dar, offene Stellen im Bereich des Schulamts Albstadt zu besetzen. „Seit fünf Jahren ist das Problem eklatant“, sagt Schultheiß.

Schwierige Situation in der Raumschaft

Laut Schultheiß zählt die Raumschaft Zollernalb/Sigmaringen insgesamt beim Lehrernachwuchs „nicht zu den beliebtesten Regionen“. Es sei denn, sagt er, sie kommen aus der Region und haben im Zollernalbkreis und im Kreis Sigmaringen familiäre Wurzeln und soziale Kontakte. Es sei jedoch sehr schwierig, Berufsneulinge von anderswo auf die Alb zu bringen.

Verkehrsanbindung ist nicht optimal

Innerhalb des Bereichs Zollernalb stellt sich die Situation für Albstadt am schwierigsten dar. „Während Hechingen und Balingen den Vorteil haben, näher am Kreis Tübingen zu liegen, ist Albstadt im Nachteil“, erläutert Gernot Schultheiß. Die Verkehrsanbindung nach Albstadt ist nicht optimal, die Fahrtwege länger – deswegen wollen viele Junglehrer nicht nach Albstadt.

An den Schulen liegt es nicht

Dass Albstadt – und der Schulamtsbereich Albstadt insgesamt – für Absolventen nicht sehr attraktiv ist, hat nach Schultheiß‘ Ansicht nichts damit zu tun, dass die Schulen hier problembeladener seien als in anderen Regionen. Das sei sicher nicht so. Das Manko liege woanders: „Wir haben keine pädagogische Hochschule“, erklärt der Schulamtschef.

Studienort ist verlockender

Es zeige sich jedoch, dass Lehramtsstudenten auch nach dem Abschluss oft am Studienort bleiben wollen. Dazu komme, dass für junge Menschen der Freizeitwert, den beispielsweise der Bodensee mit sich bringe, als deutlich höher eingeschätzt werde als der der Alb, was auch etwas mit Vorteilen zu tun habe.

Vier bis fünf Lehrer wurden aus Sigmaringen abgeordnet

Im Zuständigkeitsbereich Sigmaringen ist die Situation nicht besser. Dennoch musste das Schulamt zum Schuljahresbeginn handeln: „Vier bis fünf Lehrer“, so Schultheiß, seien aus Sigmaringen nach Albstadt abgeordnet worden. „Als Schulamt sind wir dafür verantwortlich, dass über den Zuständigkeitsbereich hinweg eine gerechte Verteilung der Lehrer erfolgt, damit der Pflichtunterricht sichergestellt werden kann“, sagt der Albstädter Schulamtschef.

Nicht genügend Lehramtsabsolventen

Grundsätzlich gilt: „Der Lehrerarbeitsmarkt ist leergefegt.“ Es gebe nicht genügend Lehramtsabsolventen von den Hochschulen. Das betreffe das ganze Land. Vor diesem Hintergrund sei es aber besonders schwer zu bewerkstelligen, dass sich junge Lehrer für die Kreise Zollernalb und Sigmaringen entscheiden.

Dass die Zukunft in dieser Hinsicht rosiger werden könnte, hält Gernot Schultheiß für unwahrscheinlich.

Abmangel von 30 Stellen zu verzeichnen

Ganz aktuell ist in der vom Albstädter Schulamt betreuten Raumschaft in diesem Schuljahr ein Abmangel von 30 Stellen zu verzeichnen. Das heißt: 30 Lehrerstellen sind nicht besetzt.

Vertragslehrkräfte stopfen die Lücke

Gäbe es nicht die sogenannten Vertragslehrkräfte, mit deren Hilfe Löcher gestopft werden können, wäre die Lage sicherlich noch aussichtsloser. Vertragslehrkräfte sind pensionierte Lehrer und „Nichterfüller“, die zwar eine pädagogische Ausbildung haben, aber nicht berechtigt sind, dauerhaft eingestellt zu werden. 140 Stellen in der Raumschaft sind mit solchen Vertragslehrkräften besetzt. „Hätten wir die nicht, wären 110 Stellen unbesetzt geblieben“, so Schultheiß.

Erhöhter Aufwand fürs Schulamt

Die Personalsuche in Richtung Vertragslehrkräfte erfordert aber nicht nur einen erhöhten Aufwand vom Schulamt. Das Problem ist: Ihre engagierte Arbeit verdeckt das Personalproblem noch zusätzlich. Der dringende Wunsch in Richtung Kultusministerium zu prüfen, ob diese Lehrkräfte nicht dauerhaft in den Schuldienst übernommen werden könnten, sei diesem bekannt. Gernot Schultheiß geht davon aus, dass der Handlungsbedarf vom Ministerium erkannt wird.

Sind Schulschließungen denkbar?

Müsste man angesichts des Lehrermangels nicht die Schließung von Zwergschulen in Erwägung ziehen? „Da rennen Sie bei mir offene Türen ein“, meint Schultheiß. Durch Zusammenlegung von Schulen beziehungsweise die Einrichtung von Außenstellen, wie in Albstadt bereits zweimal erfolgt, sei ein Personalaustausch leichter möglich. Schulschließungen seien nur bedingt durchsetzbar. Der Widerstand der Elternschaft gegen solche Schritte sei erfahrungsgemäß sehr hoch. Nach wie vor gelte die politische Leitlinie „Kurze Beine, kurze Wege“, aufgrund derer auch kleine Grundschulen erhalten bleiben sollen.

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