Farbexplosion in der alten Industriehalle: die Eröffnung der Revolte-Graffiti-Ausstellung

Von Benno Schlagenhauf

Eine außergewöhnliche Vernissage für eine außergewöhnliche Kunstausstellung: Am Freitag wurde in Frommern die „Revolte! Creative Urban Art“ eröffnet.

Farbexplosion in der alten Industriehalle: die Eröffnung der Revolte-Graffiti-Ausstellung

Die Schwelhalle gibt schon ohne Kunstausstellung ein imposantes Bild ab – nun beeindruckt auch der Inhalt des alten Industriegebäudes.

Noch bevor man die Frommerner Schwelhalle richtig betreten kann, wird man von einem riesigen 4x4-Meter großen Graffiti-Gemälde empfangen, das sogar zeitweise in einer Münchner Kirche hing.

Ist man dann drinnen, fällt der erste staunende Blick der meisten Besucher erst einmal an die Decke der eindrucksvollen Industriehalle. Der zweite Blick folgt dann sogleich an die Galerie, wo bedruckte Fleece-Stücke mit Graffiti hängen.

„Viele der Werke, die hier hängen, gibt es nicht mehr“, erklärt Roman Passarge, der Kurator der Revolte-Graffiti-Ausstellung, die am Freitag eröffnet wurde. Denn Graffiti ist eine vergängliche Kunst: „Viele Sachen wurden schon wieder übersprüht.“

Zug rauscht durch die Halle

Der allgemeine Trubel bei der Vernissage wird vom lauten Zischen und Bremsgeräuschen eines Zuges unterbrochen. Verwunderte Blicke: So nah ist das Bahngleis doch auch wieder nicht?!

Das Geräusch kommt natürlich aus dem Lautsprecher, aber es erzeugt den Eindruck, man stehe in einem Bahnhof, oder an einer U-Bahn-Haltestelle. Wie passend: Waren doch Bahnwaggons der beliebteste Malunterlage für illegale Sprayer.

„Wir haben das Prinzip des Museums umgekehrt“, erklärt Graffitikünstler Markus Müller alias WON ABC. „Die Leute gingen nicht in die Galerie, um sich Kunst anzusehen, sondern die Kunst kam mit dem Zug zu ihnen. Wir haben die Menschen gezwungen sich damit auseinanderzusetzen.“

Werke erstmalig zu sehen

Neben Rekonstruktionen sind auch zahlreiche Originale in Frommern zu sehen – manche davon sogar erstmalig: „Wir haben hier Leinwände, die von Oz besprüht wurden, das ist etwas ganz seltenes“, erklärt Passarge.

Der Graffiti-Künstler, der 2014 ums Leben kam, als er beim Sprühen von einer S-Bahn erfasst wurde, hat zwar halb Hamburg mit seinen Smileys, seinen Tags und seinen Spiralenmustern versehen, aber nur wenig auf Leinwand gesprüht.

„Dass wir das erstmalig zeigen können, ist eine Sensation“, sagt Passarge. Im Kern geht es in der Ausstellung jedoch um die beiden Münchner Sprayer WON ABC und Cowboy 69, die als Teenager zusammenfanden und als Wegbereiter der deutschen Graffiti-Kultur gelten.

„Wir waren wie Zwillinge“, sagt Markus Müller über seinen Künstlerkollegen Cowboy 69, der bürgerlich Selçuk Nergis heißt. Dann hätten sich ihre Lebenswege jedoch getrennt, aus Müller wurde ein gefragter, legaler Sprayer, Nergis sitzt aktuell im Gefängnis.

Lockerer Rahmen

Als der offizielle Teil der Ausstellungseröffnung – der deutlich weniger offiziell herüberkommt, als bei einer gewöhnlichen Ausstellung, beendet ist und die Besucher die Werke in der Schwelhalle betrachtet haben, wird die Veranstaltung nach draußen verlegt.

Auf dem Freigelände rund um die Halle ist eine gemütliche Chillout-Lounge aufgebaut. An Holzwürfeln zeigen junge Graffiti-Künstler live, wie ihre Werke entstehen.

Der junge Balinger Rapper Joel Koller tritt auf, der Albstädter DJ Gee Effect liefert dazu die passenden Beats, danach gibt’s noch Breakdance – auch das gehört zu Graffiti, denn die Street-Art-Kultur ist eng mit der Hip-Hop-Kultur verwoben. „Bei dieser Ausstellung wird mehr gezeigt als Kunst, hier wird ein Lebensgefühl vermittelt, kommentiert Oberbürgermeister Helmut Reitemann.

Mythos Kunststadt

Der freut sich auch, dass es dank „Revolte! Creative Urban Art“ in diesem Jahr doch noch eine Kunstausstellung in Balingen gibt und der „Mythos Kunststadt“ aufrecht erhalten wird. Außerdem kündigte er an, dass weitere 30 Stromkästen in Balingen verschönert werden sollen: „Balingen darf sich zu Recht als Kunststadt bezeichnen, hier gibt es Kunst auf Schritt und Tritt.“

Veranstalter Frank Türke hat Wort gehalten: Die Besucher in der Schwelhalle erwartet keine gewöhnliche Ausstellung. „Lassen sie sich inspirieren“, gibt er den Gästen noch mit auf den Weg. „WON ABC und Cowboy 69 sollen ein Beispiel sein, dass jeder den Mut ergreift, die Kreativität in sich auszuleben.“