Tuttlingen

Faktencheck zur Polizeireform: die Stellungnahme des Personalratsvorsitzenden

11.09.2015

Am Donnerstag lud Polizeipräsident Ulrich Schwarz Journalisten zum Faktencheck – und die Medien berichteten. Am Freitag meldete sich der Personalratsvorsitzende im Polizeipräsidium Tuttlingen zu Wort. Die Stellungnahme im Wortlaut. 

Faktencheck zur Polizeireform: die Stellungnahme des Personalratsvorsitzenden

Polizeivizepräsident Gerold Sigg, Polizeipräsident Ulrich Schwarz und Polizeisprecher Thomas Sebold (von links) präsentierten Journalisten Fakten zur Polizeirefom. Doch die sind umstritten. Foto: Michael Würz

Fakt ist, dass die von Polizeipräsident Schwarz genannten Stellenzahlen nicht gleichbedeutend sind mit der vorhandenen Zahl an Polizeibeschäftigten.

Fakt ist auch, dass Stellen auf dem Papier keine Straftaten verhindern, dass sie keine Verkehrsunfälle bearbeiten, dass sie keine Streife gehen und dass sie auch nicht zum Schutz der Bevölkerung beitragen. Die Arbeit wird von Polizisten, Verwaltungsbeamten und Arbeitnehmern gemacht und nicht von Stellen, die auf dem Papier vorhanden sind.

Fakt ist, dass die von der grün-roten Regierungskoalition versprochene echte Verstärkung der polizeilichen Basis und mehr Polizei in der Fläche bisher ausgeblieben ist.

Fakt ist, dass die Polizei Baden-Württembergs zusammen mit Bayern schon immer im Vergleich mit den anderen Bundesländern die höchsten Aufklärungsquoten hatten.

Fakt ist auch, dass die Kriminalitätsbelastung in den fünf ehemaligen Polizeidirektionen, welche nun  das Polizeipräsidium Tuttlingen bilden, schon immer unter dem Landesdurchschnitt lag.

Fakt ist, dass sich die Polizeibeamten sehr wohl nicht trauen offen Kritik zu üben, weil sie berufliche Nachteile befürchten. Und dass dem so ist, weiß auch Polizeipräsident Schwarz. Es sei denn, sein Kurzzeitgedächtnis lässt ihn im Stich. Denn bei den im Oktober 2014 stattgefunden Personalversammlungen habe ich als Personalratsvorsitzender genau diesen Missstand angeprangert und habe daraufhin von den mehreren hundert anwesenden Polizeibeschäftigten anhaltenden Beifall erhalten. Nur weil sich ein Polizeibeamter mal getraut hat offen Kritik zu üben, heißt das noch lange nicht, dass diese Vorwürfe aus der Luft gegriffen sind. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.

Fakt ist, dass trotz allem Frust auf die Polizeibeschäftigten schon immer Verlass war und sie schon immer mit großer Hingabe ihren Dienst am Bürger versehen haben – egal wie gut oder wie schlecht die politisch Verantwortlichen oder Vorgesetzten ihrer Fürsorgepflicht gegenüber den Beschäftigten nachgekommen sind. 

Fakt ist, dass die ablehnende Haltung zur Polizeireform unter den Beschäftigten weit verbreitet ist, weil die Reform leider nicht halten konnte, was sie versprochen hat.

Fakt ist, und das räumt sogar Polizeipräsident Schwarz ein, dass die Reform auch dazu geführt hat, dass einzelne Einheiten weniger, andere dagegen mehr Aufgaben erhielten, was als ungerecht empfunden wird.

Fakt ist, dass die Bearbeitung schwerer Unfälle schon vor der Reform durch ausgesprochene Spezialisten in den einzelnen Polizeidirektionen geleistet wurde. Wer sind denn die Spezialisten, die es heute tun? Zum Großteil doch die Polizeibeamten, die es vorher schon gemacht haben.

Fakt ist, dass Schutz- und Kriminalpolizei der Polizeidirektionen Rottweil, Tuttlingen und Villingen-Schwenningen schon vor der Reform bei größeren Lagen oder Schadensereignissen eng zusammengearbeitet haben.

Fakt ist, dass die Landesregierung vor der Reform nachfolgende Aussagen getroffen hat und damit unter anderem die Polizeireform begründete:

„Die Polizei BW benötigt in Zukunft in erheblichem Umfang (ca. 1000) Neustellen, um auf Dauer eines der sichersten Bundesländer zu bleiben. Das ist mit dem aktuell zur Verfügungstehenden Haushalt nicht zu realisieren. Gerade dieses Personal fehlt im operativen Bereich – die Belastungsgrenze im Streifendienst ist erreicht.“

Fakt ist also, dass die Forderung der Gewerkschaften nach mehr Personal bei der Polizei, um die Sicherheit weiterhin garantieren und die Überlastung der Polizei verhindern zu können, von den politisch Verantwortlichen erkannt worden war.

Fakt ist auch, dass durch die Polizeireform diese offensichtlich fehlenden Stellen nicht einmal ansatzweise kompensiert werden konnten.  

Fakt ist, dass ich nicht nur als Gewerkschafter Kritik übe. Ich habe auch einen Auftrag zur Interessenvertretung unserer Kolleginnen und Kollegen erhalten, als ich zum Personalratsvorsitzenden gewählt worden bin.

Ich halte es für mehr als grenzwertig, wenn ein Polizeipräsident derart despektierlich über seinen Personalratsvorsitzenden spricht. Über wirkliche/echte Fakten müsste man sich nicht streiten – über einen so kreativen Umgang mit der Wahrheit muss man sich allerdings streiten.

 Jürgen Vogler

Deutsche Polizeigewerkschaft  im Polizeipräsidium Tuttlingen

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