Balingen

Ex-Bürgermeister und Ex-Bankvorstand werben um Spenden für Balinger Friedhofkirche

04.05.2023

Von Jasmin Alber

Ex-Bürgermeister und Ex-Bankvorstand werben um Spenden für Balinger Friedhofkirche

© Jasmin Alber

Reinhold Schäfer (links) und Claus Kimmerle haben seit Oktober 320.000 Euro Spenden für den Erhalt der Friedhofkirche gesammelt. Der markante Kirchturm ist im Hintergrund zu sehen.

Claus Kimmerle hat sich Ende Februar 2022 aus seinem Posten als Sparkassen-Vorstand in den Ruhestand verabschiedet. Reinhold Schäfer ist Anfang des vergangenen Jahres aus seinem Amt als Balinger Bürgermeister ausgeschieden und seither ebenfalls Pensionär. Doch ein großes Netzwerk haben die beiden immer noch. Das haben sie seit Oktober genutzt, um bei Institutionen, Unternehmen und bei der Verwaltung um Spenden zu werben: für die dringend notwendige Sanierung der Friedhofkirche – und deren Umwidmung in eine Bürgerkirche.

Die Friedhofkirche in Balingen zählt zu den ältesten Gebäuden in Balingen. Und sie ist sanierungsbedürftig. Zuletzt war der Kirchturm – der wohl älteste in Württemberg – eingerüstet, denn immer wieder sind Mörtelteile herabgefallen. Mitarbeiter des Denkmalamts waren vor Ort, um die Schäden zu erfassen. Der Bereich am Boden ringsherum ist immer noch abgesperrt, damit keine Friedhofsbesucher zu Schaden kommen.

Kurzum: Der Handlungsbedarf ist dringend – nicht nur am Kirchturm. Doch solch eine Renovierung eines geschichtsträchtigen Gebäudes ist kostspielig. Von einem Investitionsvolumen von 1,8 Millionen Euro war bei den ersten Schätzungen ausgegangen worden, zwischenzeitlich geht man von Kosten in Höhe von 2,3 Millionen Euro aus. Ein großer Batzen für die evangelische Gesamtkirchengemeinde Balingen, der das Gebäude gehört.

Kirche hatte die Wahl zwischen verkaufen oder sanieren

Die Idee, dass sich Claus Kimmerle, Sparkassenvorstand a. D., und Reinhold Schäfer, Balinger Bürgermeister a. D., bei der Spendersuche einbringen, hat ihre Wurzeln im Jahr 2019. Dekan Beatus Widmann sei an die beiden herangetreten, dass das Kleinod an der Tübinger Straße hätte verkauft werden müssen – wenn man es nicht saniert, blickt Kimmerle zurück. Ein Drittel der geschätzten Kosten (wie erwähnt damals 1,8 Millionen Euro) sollten quasi als Startkapital vorliegen.

Da sowohl Kimmerle als auch Schäfer aus ihrer langjährigen beruflichen Tätigkeit viel Erfahrung haben und über ein großes Netzwerk verfügen, haben sie sich Gedanken darüber gemacht, wie sie dazu beitragen können, um das historische Bauwerk zu erhalten. Aber allein für eine Kirche im eigentlichen Sinne um Spenden zu werben – das war für sie nicht vorstell- beziehungsweise umsetzbar. Schließlich gebe es etliche Unternehmen und Familien, die keinen Bezug (mehr) zur Kirche haben. Hinzu kommt, dass die Gesamtkirchengemeinde in der Friedhofkirche keine regelmäßigen Gottesdienste mehr abhält, das Gebäude also quasi einzig für Trauerfeiern genutzt werde, ergänzt Reinhold Schäfer.

Mentoren und Mediatoren des Fördervereins

„Wir mussten die Friedhofkirche neu denken – also Friedhofkirche 2.0“, sagt Claus Kimmerle. Gesagt, getan. Das bedeutete, dass sich die Verantwortlichen der Kirchengemeinde um den damaligen Dekan Widmann sowie weitere Engagierte Gedanken darüber gemacht haben, nicht nur das Gebäude statisch und bautechnisch zu ertüchtigen, sondern auch, wie die künftige Nutzung aussehen wird. Das Ergebnis: eine Umwandlung vom Gotteshaus zur Bürgerkirche.

Der Förderverein zur Erhalt der Friedhofkirche wurde Mitte 2022 gegründet – und ebnete damit den Weg für Claus Kimmerle und Reinhold Schäfer, die den Verein als Mentoren und Mediatoren unterstützen, um für Spenden bei Unternehmen, Institutionen, Behörden und weiteren großzügigen Gönnern zu sammeln. Seit Oktober waren sie unterwegs, und auf das seither erreichte Ergebnis sind sie trotz aller schwäbischer Bescheidenheit stolz: „Wir haben Spendenzusagen über 320.000 Euro“, vermelden sie. Sehr zufrieden sind sie auch deshalb, weil sie mit ihrer „Akquise“ in eine durch Inflation und Energiekrise geprägte Zeit geraten waren.

Die Spendenübergabe an den Förderverein werde in gebührendem Rahmen noch stattfinden. Die Spender selbst werden in einer noch festzulegenden Form gewürdigt, denkbar sei eine Tafel, die an der Friedhofkirche angebracht werde.

Gemeinderat gewährt finanzielle Förderung

Der Gemeinderat der Stadt Balingen hat jüngst ebenfalls seine Unterstützung zugesichert. Am Dienstag stimmte das Gremium einhellig zu, dass die Stadt Balingen die Sanierung der Friedhofkirche sowie die weiteren erforderlichen Investitionen hin zur Bürgerkirche in den kommenden Haushalten mit einem Anteil von 10 Prozent der Gesamtkosten, höchstens aber mit 230.000 Euro fördert.

Diese Unterstützung freut Kimmerle und Schäfer überaus, die zuvor mit Mitgliedern des Fördervereins den Technischen Ausschuss in nicht öffentlicher Sitzung über das Projekt informiert hatten. Die Bereitstellung der Mittel von Seiten der Stadt sei, da es keinerlei Verpflichtung gebe, rein freiwillig, ideell, wie der frühere Bürgermeister anmerkt.

Was hinter der Bürgerkirche steckt

Doch noch mal ein Stück zurück, was die Umwidmung zur Bürgerkirche bedeutet.

Entstehen soll „ein Ort der Begegnung und des kulturellen Austauschs“, fasst Claus Kimmerle zusammen. Die Ideen, Visionen und Impulse sind vielfältig. Zum einen gehört dazu, die Friedhofkirche qua ihres Standorts und der aktuellen Nutzung zu öffnen für alle Trauerfeiern, nicht nur kirchliche. „Es ist uns ein wichtiges Anliegen, dass sich die Kirchengemeinde dahingehend öffnet.“ Doch soll es nicht bei der Trauerkirche bleiben.

Von Ausstellung bis Konzert

Warum keine Ausstellung in der Kirche machen? Mit dem Verein Freiraum – Balingen kreativ gebe es bereits in gutes Netzwerk an Künstlern, mit dem auch schon erste Kontakte geknüpft worden seien. Denkbar seien jedoch auch Firmenevents, Konzerte von kleineren Ensembles oder der Jugendmusikschule. Orte für Kunst und Musik in kleinerem Rahmen fehlen in Balingen, weiß Reinhold Schäfer. „Außerdem haben Kirchen immer eine hervorragende Akustik.“

Die Bürgerkirche kann auch aus dem Gebäude hinausreichen, da Friedhöfe immer mehr zu Parkanlagen werden, um in neuer Weise nicht nur den Bestatteten zu gedenken, sondern auch den Raum zu nutzen. Möglicherweise mit Musik und Kunst. Und vielleicht lasse sich durch die „Friedhofkirche 2.0“ auch der Kirche insgesamt, im weitesten Sinne helfen.

Damit diese Vielzahl an möglicher Nutzung für die Besucher auch angenehm sei, stehen im Kircheninneren Investitionen in die Infrastruktur an: von einer neuen Heizung bis zu Sanitärräumen.

Erste Schritte von einem langen Weg

Sein Engagement sieht das Duo – im Übrigen ökumenisch: Schäfer ist katholisch, Kimmerle evangelisch – als Kickoff, wie man neudeutsch wohl sagen würde. „Wir waren die Taskforce vorneweg und treten jetzt wieder in die zweite Reihe zurück“, verdeutlicht der frühere Vorstand der Sparkasse Zollernalb. Der positive Start sei gemacht, „wir haben aber natürlich noch einen weiten Weg vor uns“. Denn die Renovierung an sich wird mehrere Jahre dauern. Mit dem Sockel der Spenden könne die Kirche jetzt aber erste Angebote einholen, es beginne mit dem Notwendigsten.

Viele Balinger haben eine sehr emotionale Bindung zur Friedhofkirche, weiß Claus Kimmerle. Sei es, weil sie dort einen Angehörigen auf dem letzten Weg begleitet haben, oder weil sie – was früher üblich war, weil die Friedhof- im Gegensatz zur Stadtkirche einen Mittelgang hat – dort geheiratet haben.

Ansporn für Reinhold Schäfer und Claus Kimmerle war zum einen, dass sie aus ihrem Berufsleben gewohnt waren, Themen anzugehen, zu sehen, dass etwas dabei an- und herauskommt. „Es hat Spaß gemacht, wenn man sieht, dass etwas wächst“, formuliert der Ex-Sparkassenvorstand es. Sich einzubringen und mitzugestalten, obwohl man nicht mehr in der Entscheiderrolle sei. Reinhold Schäfer stimmt dieser Ansicht zu. „Mir liegt persönlich viel am Erhalt des Gebäudes und daran, es einem neuen Zweck zuzuführen“, sagt er – deshalb habe er sich trotz mehrerer Anfragen, seitdem er im Ruhestand ist, bewusst für dieses Ehrenamt entschieden.

Jede Spende hilft

Nun liege es vorrangig am Förderverein, das Spendenziel in die Breite zu tragen. Jede Spende hilft, auch wenn es nur ein paar Euro seien, betonen die beiden. Informationen zum Förderverein, die Bankverbindung sowie die Möglichkeit, als Mitglied beizutreten, gibt es auf friedhofkirche-balingen.de. Selbstredend, dass die Spenden ausschließlich zweckgebunden der Sanierung der Friedhofkirche und zugunsten der neuen Bürgerkirche verwendet werden.

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