Europa und Flucht: Ein Zwei-Mann-Theaterstück zu aktuellen Themen in der Ebinger Festhalle

Von Susanne Conzelmann

Die evangelischen Gesamtkirchengemeinden Ebingen und Tailfingen, die Stadt Albstadt und die Schulen luden zu einem Theaterstück ein: Bei „Nach Europa“ sind zwei Personen auf der Flucht. Im Gepäck: ihre ganz persönliche Vorstellung von Europa.

Europa und Flucht: Ein Zwei-Mann-Theaterstück zu aktuellen Themen in der Ebinger Festhalle

Lukas Ullrich und Till Florian Beyerbach spielen zwei Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa. Mit ihrem Stück "Nach Europa" wollen sie polarisieren und zum Nachdenken anregen.

Spektakulär beginnt die Vorstellung des Zwei-Mann-Stücks „Nach Europa“. Nebel liegt über dem Geschehen, Suchscheinwerfer schweifen über die Zuschauerreihen, Motorengeräusche von Hubschraubern sind zu hören, dann Schüsse – und mittendrin ist man im Geschehen rund um die Geschichte zweier Flüchtlinge.

Aktuelles Thema

Zunächst am Montagabend vor überschaubarem Publikum, am nächsten Morgen dann in einer mit Schülern eng besetzten Ebinger Festhalle zeigte „Eure Formation“ das Stück „Nach Europa“. Nach einer Vorlage von Uwe Hoppe haben die beiden Akteure von „Eure Formation“, Lukas Ullrich und Till Florian Beyerbach, das Stück entwickelt. Begonnen hatten sie damit schon 2014, legten dann zum Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 das Stück auf Eis und stellten es dann 2018 fertig. Hochaktuell also das Thema, vielschichtig dargestellt in absoluter Perfektion.

Mensch und Mensch: Der eine Muslim, der andere Christ

„Mensch“ und „Mensch“, wie sie sich einander vorstellen, sind die einzigen Überlebenden eines Bootes im Mittelmeer, das Europa zum Ziel hat. „Ich will leben!“, heißt es immer wieder, doch einer allein kann es nicht schaffen. Eigentlich sind sie Feinde: der eine Muslim, der andere Christ – der eine Täter, der andere Opfer. Freunde scheinen sie keine werden zu können. Der Satz: „Ob sich der Nebel irgendwann lichtet?“, kann da auf mehr als nur die unmittelbare Lebenssituation in höchster Not auf See angewandt werden.

Wird der Frieden Bestand haben?

Aus ihrer beider Geschichte soll Europa lernen. Die nun schon über 70 Jahre währende Friedensphase wäre doch ohne Bereitschaft, aus der Geschichte zu lernen, auch nicht möglich gewesen. Doch wird der Frieden Bestand haben in Zeiten von Nationalismus und Abschottung? Und gilt der Frieden auch für Nichteuropäer, fragen sich die beiden Treibenden auf dem Mittelmeer. Sind sie für Europa, genauso wie für das vorbeischwimmende Kreuzfahrtschiff desselben Namens, überhaupt zu sehen? Oder sind sie zu klein und gerade gut genug, die Reste des Wohlstands aus dem Meer zu fischen? Dem sicheren Tod entflohen, um hier den unsicheren zu erleiden?

Präsidenten, Schleuser, Waffenhändler

Lukas Ullrich und Till Florian Beyerbach haben mit „Nach Europa“ ein beim Publikum noch lange nachwirkendes Stück produziert. Der Zuseher lernt nicht nur die beiden Flüchtlinge kennen, sondern auch in kurzen Szenenwechseln andere Protagonisten unserer Zeit: Präsidenten, die auf Wohl und Wille ihres Volkes achten müssen, Schleuser, die wegen der gut gehenden Geschäfte kein Interesse am Weltfrieden haben, ebenso wenig wie skrupellose Militärs oder Waffenhändler, die auf Ethik spucken.

Polarisieren und zum Nachdenken anregen

Die Produktion besticht durch präzise Abläufe in der Darstellung, durch wortmächtige Dialoge. Imposant ist der Kontrast zwischen dem Schiffsgerüst aus Holz und den immer wiederkehrenden Lasereffekten. Mit Laser wollen die Künstler die westliche Dekadenz symbolisieren, sie spielen Pingpong mit den Lichtkegeln oder Hüpfen wie beim Seilspringen darüber, sie schaffen Räume durch Lichtstränge, zeigen Sterne und zuletzt in Regenbogenfarben das Ziel: Europa! Ob sie heil ankommen, ist für die Geschichte nicht relevant, wichtig ist den „proeuropäischen Demokraten“, wie sie sich selbst bezeichnen, mit ihrer Kunst zu polarisieren und zum Nachdenken anzuregen.