Eugen Straubinger und Heinrich Sülzle im großen Interview: „Wir-Gefühl“ bei der TSG Balingen

Von Marcel Schlegel

Eugen Straubinger und Heinrich Sülzle sollen die Fußballabteilung der TSG Balingen nach deren Abspaltung vom Gesamtverein in eine erfolgreiche Zukunft führen.

Eugen Straubinger und Heinrich Sülzle im großen Interview: „Wir-Gefühl“ bei der TSG Balingen

Eugen Straubinger (links) und Heinrich Sülzle.

Den langjährigen Schulleiter Eugen Straubinger als Vereins- sowie den Unternehmer Heinrich Sülzle als Aufsichtsratsvorsitzender der TSG Balingen verbinden grundlegende Überzeugungen: Sie wollen die Jugendarbeit stärken, die regionale Verankerung fördern, und den Amateurklub wertorientiert führen. Und: Sie hoffen auf einen heutigen Sensationssieg der Balinger Regionalliga-Elf im WFV-Pokalfinale gegen den SSV Ulm 1846 (14.45 Uhr, Gazi-Stadion in Stuttgart).

Herr Straubinger, Sie sollen Abteilungsleiter Uwe Haußmann als Chef der Balinger Fußballer ablösen. Wann eigentlich?

Eugen Straubinger: Ich werde bei der Sitzung, in der beschlossen werden soll, die Fußballabteilung vom Hauptverein abzuspalten, als Kandidat für den Vorsitz antreten und das Amt dann an diesem 22. September übernehmen – sofern ich von den Mitgliedern gewählt werde.

Warum, glauben Sie, kamen die Balinger Vorstände auf Sie zu?

Straubinger: Ich gehörte früher dem erweiterten Vorstand an und habe die TSG im Jugendbereich viele Jahre aktiv unterstützt. Außerdem kann ich als langjähriger Schulleiter meine Führungserfahrung einbringen und dazu beitragen, die TSG durch vielfältige ehrenamtliche Tätigkeiten weiterzuentwickeln. Ich bin also kein Unbekannter. Eine Aufgabe im TSG-Vorstand hat mich immer gereizt. Und: Der Verein liegt mir am Herzen.

Herr Sülzle, dies kann man auch von Ihnen behaupten. Seit fast zwölf Jahren unterstützt die Sülzle Unternehmensgruppe die TSG-Fußballer als Haupt- und Trikotsponsor. Regelmäßig sieht man Sie am Spielfeldrand, bei Heim- wie Auswärtsspielen und nicht nur bei der ersten Mannschaft. Blicken Sie zurück: Was war Ihr sportliches Highlight mit der TSG?

Heinrich Sülzle: Natürlich wäre hier der Regionalliga-Aufstieg zu nennen, das erste Tor, der erste Sieg, viele tolle Flutlichtspiele in der Bizerba-Arena, das Auswärtsspiel bei Waldhof Mannheim vor zig tausend Zuschauern. Aber auch der WFV-Pokalsieg der A-Jugend in Rottenburg 2016 gegen den 1. FC Heidenheim ist mir in Erinnerung geblieben.

Zur Vorschau auf das Pokalfinale in Stuttgart.

Im neu geschaffenen Aufsichtsrat werden Sie den Vorsitz übernehmen. Braucht ein Fußballverein ein solches Gremium überhaupt?

Sülzle: Die Fußballabteilung spaltet sich vom Gesamtverein ab, da ihr Etat und der ganze Wirtschaftsbetrieb von der Größe her nicht mehr in die bisherige Struktur passt. Hierüber herrscht im Verein Einigkeit. Es ist daher klug, den neuen Verein so zu strukturieren, dass dieser für die Anforderungen der Zukunft gut gerüstet ist. Ein Aufsichtsrat mit Beratungs- und Kontrollfunktion macht auf jeden Fall Sinn und bietet die Möglichkeit, weitere Kompetenzen und Unterstützer in die Vereinsarbeit einzubinden.

Wie unterstützt ein solches Gremium die Vereinsführung konkret?

Sülzle: Der Aufsichtsrat muss deren Sparringspartner sein. Strategie, Vision, Ziele und die Ausrichtung sollten gemeinsam erarbeitet werden, dies auf einer breiten Basis, um dann in der täglichen Vereinsarbeit Leitplanken und somit Orientierung zu haben.

Als Sponsor nimmt man normalerweise kaum direkten Einfluss auf Entscheidungen des Vereins. Ihr neues Amt sieht eine Gestaltungsfunktion vor. Sehen Sie darin einen Interessenkonflikt?

Sülzle: Ich bin mir dieser Doppelrolle bewusst, denke aber, dass es keine Interessenkonflikte geben wird. Dies, weil wir für die TSG gemeinsam eine gute Zukunft gestalten wollen und uns dabei an den gemeinsam erarbeiteten Zielen orientieren werden.

Der ZAK tickert vom Pokalfinale.

Apropos Ziele: Gibt es etwas, das Sie beschleunigen, korrigieren oder verändern wollen?

Sülzle: Über das erste Jahr gesehen würde ich gerne – unter Einbindung aller Bereiche des Vereins – eine gemeinsame „Vision 2030“ für die TSG entwickeln. Besonders liegt mir der Jugendbereich am Herzen. Die TSG als Plattform, welche junge Menschen sportlich, aber auch persönlich entwickelt, sie auf die Herausforderungen des Lebens vorbereitet – das würde ich als großes und langfristiges Ziel betrachten.

Welche Aufgaben sehen Sie bei sich in Ihrer Funktion als Vorstandschef, Herr Straubinger?

Straubinger: Strategien zu entwickeln, Visionen zu haben und den Verein entlang der gesetzten Ziele zu lenken. Dies lässt sich nicht von heute auf morgen umsetzen, aber den Prozess anzustoßen, zu gestalten und zu begleiten ist eine wichtige Herausforderung, um tatsächlich über die „TSG 2030“ sprechen zu können.

Nach einer schwierigen Saison, in der der Saisonabbruch der TSG den Klassenerhalt rettete, stehen Sie beide für einen Aufbruch, ja einen Neuanfang. Wenn Sie der angesprochenen Vision drei Ziele voranstellen müssten, welche wären das?

Straubinger: Die Stärkung des Nachwuchsbereichs; sozialer, gerechter, nachhaltiger zu agieren; und die erste Mannschaft in der Regionalliga zu etablieren – aber nicht um jeden Preis. Wichtiger ist mir, und da stimme ich mit Heinrich Sülzle überein, dass wir Tugenden, die die TSG ausgezeichnet haben, wiederaufleben lassen: dass wir den regionalen Bezug intensivieren, Partnerschaften stärken, unseren gesellschaftlichen Auftrag wahrnehmen und Werte vermitteln.

Die TSG verstand sich als Ehrenamts- und Ausbildungsverein, der auf die Nachwuchsarbeit setzt. Die wurde zuletzt vernachlässigt, wie die Streitereien in der Jugendabteilung und das Abschneiden der U 23 zeigten. Meinen Sie auch das?

Straubinger: Genau das ist das, was sich ändern muss – Rückbesinnung auf unsere Ziele, die wir vor Jahren formuliert und gelebt haben. Streitereien sind ohnehin nicht zielführend. Es wird dadurch zu viel Energie verschwendet, die an anderer Stelle fehlt.

Herr Sülzle, Sie leiten mit Ihrem Bruder Andreas ein erfolgreiches Familienunternehmen. Corona ging nun nicht nur mit gesundheitlichen Folgen einher, sondern auch mit wirtschaftlichen. Wie sehr hat die Krise Ihr Unternehmen getroffen?

Sülzle: Corona ist auch für uns eine riesige Herausforderung, die wir bisher sehr gut gemanagt haben. In manchen Bereichen sind wir stark betroffen. In unserem Kerngeschäft haben wir aber, Gott sei Dank, noch wenig negative Auswirkungen. Wir rechnen jedoch damit, dass Corona mit einer gewissen Zeitverzögerung auch hier Spuren hinterlassen wird. Grundsätzlich sind wir sehr gut aufgestellt und haben mit unserer 140-jährigen Firmengeschichte schon so manche Krise bewältigt.

Trotz der nicht leichten Phase haben Sie Ihr Sponsoring bei der TSG nicht zurückgefahren. Warum nicht, jeder hätte dies verstanden?

Sülzle: Wir denken nachhaltig und langfristig. Die TSG liegt uns am Herzen. Gerade in solch schwierigen Zeiten zeigt sich, welchen Wert eine gute Partnerschaft und Verlässlichkeit haben.

Uwe Haußmann verfolgte in seiner Amtszeit die „Vision 2025“, die den Aufstieg und die Etablierung in der Regionalliga und den Umbau der „Ersten“ zu einer Profimannschaft vorsah. Schneller als erwartet stieg die TSG auf, bleibt aber ein Team von Amateurkickern, das nur gegen den Abstieg spielen kann. Halten Sie diese Ziele denn für erstrebenswert?

Sülzle: Sportlicher Erfolg ist stets ein wichtiges Ziel. Die Etablierung der TSG in der 4. Liga ist grundsätzlich möglich. Eine reine Profimannschaft sehe ich im Augenblick nicht als den richtigen Weg an. Wir müssen mit den Mitteln, die wir haben, das Maximale erreichen, den Fokus auf regionale Spieler legen, welche wir in unseren Jugendmannschaften entwickeln und die dem Verein auch nach ihrer sportlichen Laufbahn erhalten bleiben. Damit erreichen wir die maximale Identifikation zwischen unserer Region und der TSG.

Das Abschlussinterview mit Uwe Haußmann.

Anders gefragt: Wären Sie bereit, Ihr finanzielles Engagement zugunsten des Aufbaus einer Profimannschaft auszubauen, sollte das dann doch beschlossen werden?

Sülzle: Wir unterstützen dieses Ziel auch finanziell und werden aktuell unser Engagement noch einmal deutlich erhöhen, wobei die zusätzlichen Mittel zweckgebunden komplett für die Jugendarbeit bestimmt sind.

Mit welchen Gedanken blicken Sie auf die Saison 2020/21, Herr Straubinger?

Straubinger: Wenn wir realistisch sind, ist das Erreichte bis dato das Maximale. Mir ist es wichtig, wie das Team auftritt, mit welchem Engagement und dass man weiß, dass man für die TSG spielt und sich mit diesem Klub identifiziert. Das Wir-Gefühl muss sichtbar sein. Wir werden eine gute Runde gespielt haben, wenn wir sportlich nicht absteigen. Wenn wir alles geben, trotz einer sehr langen Saison, können wir die Liga halten. Wenn es am Ende nicht reicht, müssen wir ein Spitzenteam in der Oberliga sein, das die Chance hat, ganz vorne mitzuspielen.

Zum Schluss erlauben wir Ihnen ein wenig zu träumen: Was würde ein WFV-Pokalsieg der Balinger gegen Ulm bedeuten?

Straubinger: Zunächst stellt schon das erstmalige Erreichen des WFV-Finals einen Riesenerfolg dar. Ein Finalsieg und somit der Einzug in die erste Runde des DFB-Pokals (es ginge am 12. September gegen Erzgebirge Aue; d. Red.) wäre natürlich ein besonderes Ereignis, das uns nicht nur sportlich weiterbringen, sondern uns auch finanzielle Gestaltungsfreiräume ermöglichen würde, dies nach dieser für alle schwierigen Zeit.

Der SWR zeigt das Spiel im Live-Stream.

Ein Einzug in den DFB-Pokal ist mit sechsstelligen TV-Geldern verbunden. Was würde ein Sieg im Endspiel also ändern, Herr Sülzle?

Sülzle: Er wäre für Verein, Stadt, Landkreis und die ganze Region etwas Außerordentliches. Er würde unserer Mannschaft und dem ganzen Umfeld einen unheimlichen Schub im Hinblick auf die vor uns liegende, sportlich wohl erneut schwierige Regionalliga-Saison geben. Die zusätzlichen Einnahmen könnten finanzielle Spielräume für wichtige Aufgaben im Verein ermöglichen. Ansonsten, glaube ich, werden wir weiterhin solide und bescheiden bleiben.

Ulm ist Rekordsieger, Doppel-Titelverteidiger, in blendender Form – und auch der Favorit?

Straubinger: Das steht außer Frage. Der Verein hat sich bestens verstärkt und in den letzten Wochen gute Ergebnisse erzielt. Es wird sehr schwer, diese Mannschaft zu schlagen.

Wie geht’s aus?

Straubinger: Wenn alles passt, werden wir mit 1:0 gewinnen.

Und Ihr Tipp, Herr Sülzle?

Sülzle: Im Pokal ist alles möglich und gegen Ulm haben wir meistens gute Ergebnisse erzielt. Ich tippe auf einen knappen Sieg für die TSG – nach Verlängerung oder im Elfmeterschießen.

Eugen Straubinger (Jahrgang 1955), wohnhaft in Salmendingen, war 17 Jahre lang Schulleiter in Balingen. Seit August ist der Diplom-Ingenieur, Berufspädagoge und Oberstudiendirektor außer Dienst im Ruhestand. Straubinger fungiert als Bundesvorsitzender des Bundesverbands der Lehrkräfte. Er ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder.

Heinrich Sülzle (1967) führt gemeinsam mit seinem Bruder Andreas als Gesellschafter und Geschäftsführer das Familienunternehmen, die Sülzle-Gruppe. Der Rosenfelder Diplom-Betriebswirt bezeichnet sich als sportbegeistert, natur- und heimatverbunden. Sülzle ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder.