Zollernalbkreis

Es gibt im Zollernalbkreis nicht den einen Treiber, der die Inzidenz erklärbar macht

26.05.2021

Von Klaus Irion

Es gibt im Zollernalbkreis nicht den einen Treiber, der die Inzidenz erklärbar macht

© Hannah Irion

Aus gutem Grund sind beide Einrichtungen nicht unter einem Dach, aber beide in der ehemaligen Meßstetter Kaserne.

Die dritte Corona-Welle wurde nun wohl auch im Zollernalbkreis gebrochen. Zwar geht die Inzidenz im Vergleich mit anderen Landkreisen langsamer und mit kleinen Rückschlägen zurück, aber die Richtung stimmt. Was aber waren nun tatsächlich die Gründe für das wochenlange diffuse Geschehen auf hohem Corona-Inzidenz-Niveau? Eine Ursachenforschung.

Tatsache ist: Der Zollernalbkreis hatte zu Beginn der Pandemie eine im Landes- und Bundesvergleich unterdurchschnittliche Inzidenz. Platt gesagt, man lief der dritten Welle, rein zeitlich betrachtet, immer hinterher. Dies wird auch Landrat Günther-Martin Pauli nicht müde, immer wieder zu betonen.

Mehrere Faktoren

Den eintägigen, bundesweiten Inzidenz-Spitzenplatz vom 18. Mai aber allein mit der „verspäteten“, dritten Welle zu erklären, wäre zu kurz gegriffen. Es waren mehrere Faktoren, die zur hohen Inzidenz geführt haben. Aber es ist müßig, nun noch aufrechnen zu wollen, welcher Faktor den größten Einfluss auf das Pandemiegeschehen im Zollernalbkreis hatte.

Privates Verhalten spielt große Rolle

Wie in allen anderen Landkreisen bundesweit, spielt auch im Zollernalbkreis natürlich das coronakonforme oder eben nichtcoronakonforme Verhalten jedes Einzelnen eine große Rolle. Zumal auch hier vor Ort die sehr viel ansteckendere britische Virusvariante die allermeisten Coronafälle ausmacht.

Religion und Arbeit

Hinzu kamen aber laut Angaben des Landratsamts auch die Bereiche Religionsausübung und Arbeitsplatz, die im Zollernalbkreis für ein insgesamt diffuses Infektionsgeschehen gesorgt haben und nach wie vor sorgen.

Ostern und Ramadan

Ein Grund waren demnach die religiösen Feierlichkeiten der vergangenen Monate. Dazu hätten verwandtschaftliche Osterbesuche ebenso gehört, wie familiäre Treffen während des Fastenmonats Ramadan. Das sei im Rahmen der Kontaktverfolgung festgestellt worden.

Verein schließt Moschee

In einem Fall kam es dann auch zur vorübergehenden Schließung eines Gotteshauses. Wie die Hohenzollerische Zeitung (HZ) recherchiert hatte, gab es nach einem Freitagsgebet im April einen größeren Corona-Ausbruch in der Hechinger Süleymaniye-Moschee. Woraufhin der Moscheeverein bis auf weiteres die Tore für sämtliche Gebete geschlossen hatte.

Kontakt zu Moscheevereinen

Von Seiten des Landratsamts hieß es auf ZAK-Nachfrage, dass die Moscheevereine im gesamten Zollernalbkreis auf die rechtlichen Bedingungen für das Fastenbrechen (mehrsprachig) und die Kontaktbeschränkungen auch und gerade während des Ramadan hingewiesen worden seien. Auch seien sie explizit auf Schutzimpfungen angesprochen worden, „mit der Bitte, den Mitgliedern die Notwendigkeit der Impfung nahezulegen“.

Fälle in orthodoxer Gemeinde

Bestätigt wurden vom Landratsamt auch mehrere Coronafälle in der christlich-orthodoxen Gemeinde des Zollernalbkreises. Diese sollen laut HZ in direktem Zusammenhang mit den christlich-orthodoxen Osterfeierlichkeiten Anfang dieses Monats gestanden haben.

Verhältnismäßigkeit als Maßstab

Für die Kreisbehörde gilt beim coronabedingten Einschreiten im Bereich der Religionsausübung stets als oberstes Gebot die Verhältnismäßigkeit. Schließlich habe der Gesetzgeber Veranstaltungen von Religions-, Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften explizit von der Bundesnotbremse ausgenommen.

Ordnungsstrafen möglich

Was nicht heißt, dass sich die Gemeinden und Gruppen bei ihren Feierlichkeiten nicht auch an die geltende Coronaverordnung mit deren Maßgaben halten müssen. „Verstöße gegen die gesetzlichen Hygieneauflagen können als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Dabei können Bußgelder bis 25000 Euro festgesetzt werden“, betont Landratsamtssprecherin Anja Heinz.

Rechtsgut Religionsfreiheit

Über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinaus ist das Gesundheitsamt für Maßnahmen gemäß dem Infektionsschutzgesetz zuständig. „So können religiöse oder weltanschauliche Zusammenkünfte unter Auflagen gestellt oder untersagt werden.“ Es müsse im Einzelfall aber immer „sehr genau geprüft werden, ob eine Untersagung mit dem hohen Rechtsgut der Religionsfreiheit vereinbar ist“.

Unwillige Mitarbeiter?

Als ein weiterer Faktor der hohen Inzidenz gelten im Zollernalbkreis Corona-Ausbrüche in Unternehmen, die aufgrund ihrer Arbeitsnotwendigkeiten nur wenige Mitarbeiter ins Homeoffice schicken können. Offen gesprochen wird darüber jedoch selten. Und wenn doch, dann berichteten Unternehmer häufig von der Unwilligkeit vieler Mitarbeiter, die gesetzlich vorgeschriebenen Testangebote zweimal die Woche auch tatsächlich anzunehmen.

Testpflicht in Firmen?

Aus Sicht des Gesundheitsamts des Zollernalbkreises „wäre eine Testpflicht anstelle des lediglichen Testangebots in Betrieben zu begrüßen, da diese den Arbeitgebern mehr Rechtssicherheit bietet“. Man verweist in diesem Zusammenhang auf eine Pressemitteilung der Landesregierung vom 20. Mai, in der Sozialminister Lucha ankündigte, dass man prüfen werde, ob Baden-Württemberg nicht auch wie Bremen eine Testpflicht in Unternehmen einführen sollte.

Appell von Hoffmeister-Kraut

In derselben Pressemitteilung lobte Landeswirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut, bekanntlich aus Balingen, dass bereits viele Betriebe die Corona-Schutzmaßnahmen vorbildlich umsetzen würden. Sie appellierte gleichwohl, in eindringlichen Worten an die Arbeitgeber und Arbeitnehmer, „den Infektionsschutz weiterhin ernst zu nehmen“. Ziel müsse es sein, dass die innerbetrieblichen Maßnahmen vorbildlich umgesetzt und die Kontakte auf das notwendige Minimum reduziert werden, damit die Infektionszahlen nachhaltig auf niedrigem Niveau bleiben.

Landratsamt hat Spielraum

Wie im Bereich der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften könnte das Landratsamt des Zollernalbkreises auch im Bereich der Wirtschaft Verstöße gegen die diversen gesetzlichen Vorgaben als Ordnungswidrigkeit ahnden. „Im schlimmsten Fall drohen sogar strafrechtliche Konsequenzen“, betont Landratsamtssprecherin Heinz.

Bis hin zu Betriebsschließungen

Das Gesundheitsamt kann zur Pandemiebekämpfung auch Betriebsschließungen anordnen und berufliche Tätigkeitsverbote erteilen. Doch: „Diese Maßnahmen gelten als Ultima Ratio und können nur in Erwägung gezogen werden, sofern weniger belastende Eingriffe, wie Ermahnungen, Auflagen und Bußgelder keine Wirkung zeigen.“

Vorübergehende PCR-Testlücke

Einen dritten Hoch-Inzidenz-Faktor hat das Landratsamt für sich im Bereich einer PCR-Testlücke an Wochenenden ausgemacht. Denn mit der Rückkehr der Notfallpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung an ihren angestammten Platz im Zollernalb-Klinikum war es Menschen mit Corona-Symptomen seit Mitte März nicht mehr möglich, sich im Landkreis auch samstags und sonntags einem PCR-Test zu unterziehen und sich ambulant behandeln zu lassen.

Testungen auf dem Geißbühl

In einer gemeinsamen Pressemitteilung vom vergangenen Freitag betonten der Amtschef des Sozialministeriums, Prof. Uwe Lahl und Landrat Pauli „die dringend notwendige Maßnahme, wieder an Wochenenden und Feiertagen symptomatische Patienten zu testen und zu behandeln“. Und verwiesen auf die Bereitschaft der Kassenärztlichen Vereinigung, dieses Angebot auf dem Gelände der ehemaligen Zollernalb-Kaserne in Meßstetten umzusetzen. Was am langen Pfingstwochenende dann auch bereits erstmals geschah.

Nur Menschen mit Symptomen

Kai Sonntag, der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung, weist jedoch vorsorglich darauf hin, dass die samstags und sonntags und feiertags jeweils zweistündige Testmöglichkeit (14 bis 16 Uhr) nicht mehr die Ausmaße des ursprünglichen Balinger Testzentrums hat. „Es dürfen deswegen auch ausschließlich symptomatische Patienten kommen.“ Auch in anderen Landkreisen gebe es nur in wenigen Fällen überhaupt eine Möglichkeit für Tests am Wochenende. In den allermeisten Landkreisen in Baden-Württemberg sind die Inzidenzzahlen aber auch mit Abstand nicht mehr so hoch wie im Zollernalbkreis. Aber wie eingangs erwähnt, auch hier bei uns nun langsam aber sicher fallend.

Diesen Artikel teilen: