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Einfach nur Rottweiler

Von Daniel Seeburger

Jetzt juckad se wieder, die Narren. Auch die Rottweiler?

Moment, die Rottweiler jucken natürlich erst am Fasnetsmontag und am darauffolgenden Dienstag. Beim Narrenadel wird penibel darauf geachtet, dass Federahannes, Biss, Schantle und Fransenkleid nur an diesen beiden Tagen durchs Schwarze Tor strömen.

Kürzlich wurde das närrische Königreich am Neckar durch quasi närrisch-revolutionäre Umtriebe erschüttert. Erstmals wagten sich die noch jungen Rottweiler Reichsstetthexa mit einem Umzug auf die Straße. Da rümpften dann doch einige Rottweiler Altnarren die Nase.

Aber auch die altehrwürdige Narrenzunft selbst goss bei der Generalversammlung Öl ins Feuer. Die genau 8941 zugelassenen Narrenkleidle in Rottweil seien zu viel. Vom Himmel gefallen sind die allerdings nicht. Zunftjurist Markus Schellhorn hat laut Neuer Rottweiler Zeitung (NRWZ) darauf hingewiesen, dass seiner Ansicht nach die Rottweiler Fasnet eine bessere wäre, wenn nur ein paar hundert Narren bei den Sprüngen mitmachen würden.

Schon zuvor hatte Zunftmeister Christoph Bechtold die Besitzer Rottweiler Narrenhäses, die außerhalb Rottweils und seiner Teilorte leben aufgefordert, sich wieder auf ihre eigene Dorffasnet zu besinnen und dort zu feiern. Er bemängelte zudem, dass nur noch wenige echte Rottweiler an den Sprüngen teilnehmen und sie das den Dunningern, Vöhringern oder Bochingern überlassen würden.

Und diese unechten Rottweiler Narren wüssten dann oft nicht mal, wie richtig genarrt wird. Die Schuhe hätten die falsche Farbe, das Narrenkleid sitze nicht und die Larve bleibe nicht im Gesicht. Der Narrensprung in Rottweil sei zwischenzeitlich zu einem Schaulaufen geworden.

Da muss man wohl schon weit in der Rottweiler Geschichte zurückgehen, um die echte Rottweiler Fasnet zu finden. 1902 zum Beispiel sprangen gerade mal 20 Narren durchs Schwarze Tor, das Brauchtum drohte zu sterben – weil damals der Karneval hoch im Kurs stand und die alten, verstaubten Zausel mit Schellen und Holzschemen total out waren.

Interessant auch die Schantle-Reform im Jahr 1870. Damals wurde der unflätige, wilde, dreckige Schandbube kurzerhand zum bürgerlich daherschreitenden, ehrwürdigen Schantle umgemodelt. Diese Umdeutung wäre in etwa so, wie wenn man heute die Reichsstetthexen beim Narrensprung mitmachen ließe, weil sie von ihrer Bedeutung her ganz entfernt etwas mit der Teufelsfigur des Federahannes zu tun haben.

Ein Narrensprung mit 300 Narren wäre urig. Dazu nur Rottweiler Zuschauer. Keine Schaulustigen mehr aus Ratshausen oder Japan. Kein Fernsehen, keine Prominenz, kein Tourismusgedöns. Einfach nur Rottweiler.

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