Schömberg

„Eine Farce“: Schömberger Gemeinderat ist erbost über das Veto des Landratsamts

19.03.2021

Von Renate Deregowski

„Eine Farce“: Schömberger Gemeinderat ist erbost über das Veto des Landratsamts

© Renate Deregowski

Er darf (vorerst) nicht, was er täglich sieht: Andreas Seng blickt von seinem Elternhaus (links) auf das mehrstöckige Mehrparteienhaus an der Hauptstraße/Mozartstraße.

In etlichen Gemeinderatssitzungen taucht sie auf: die sogenannte Innenentwicklung. Auch Andreas Seng hat nun direkt mit ihr zu tun: Der Ortschafts- und Gemeinderat will sein Elternhaus in Schörzingen umbauen und stieß unerwartet auf eine Hürde. Denn das Landratsamt will ihm keine Genehmigung erteilen. Das ärgert die Stadträte, denen Bauamtsleiterin Sabine Neumann den Sachstand am Mittwoch erläuterte. Es muss ein Bebauungsplan aufgestellt werden – der kostet Seng wertvolle Zeit und viel Geld.

Vergangenen Juli hatte Seng das Baugesuch eingereicht. Das Haus, das sein Großvater gebaut hatte, soll modernisiert und aufgestockt werden. Im Untergeschoss soll seine Mutter wohnen, im neuen Obergeschoss die Familie. Ortschaftsrat und Gemeinderat erteilten ihr Einvernehmen. Einwände von Nachbarn gab es nicht. Eine für das Bauvorhaben erforderliche Baulast übernahm ein Nachbar. Gute Voraussetzungen also.

Landratsamt hat Einwände

Allerdings wollte das Landratsamt keine Genehmigung erteilen. Der zuständigen Baugenehmigungsbehörde fügt sich das neue Gebäude nicht in die Umgebungsbebauung ein. Auf Nachfrage unserer Zeitung teilt das Landratsamt mit, dass laut der aktuellen Planung der First 2,05 Meter über dem des Nachbarhauses liegen wird. Und weiter: „Aus baurechtlicher Sicht wesentlich ist jedoch, dass die Geschossigkeit mit drei Vollgeschossen größer ist als die Umgebungsbebauung mit zwei Vollgeschossen.“

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Es ist eine Farce, was hier gemacht wird. Heiko Gerstenberger, Stadtrat

Eigentlich wollten wir im Januar loslegen. Andreas Seng, Ortschaft- und Stadtrat und Bauherr

Eine Chance auf Genehmigung hat der Bauherr, wenn die Stadt einen sogenannten vorhabenbezogenen Bebauungsplan aufstellt – wie vom Landratsamt vorgeschlagen. Einen entsprechenden Antrag hat er inzwischen gestellt. Diesem stimmten Ortschafts- wie Gemeinderat nun zu.

Für Seng verzögert sich alles

Mit diesem Vorgehen verzögert sich jedoch für die Familie alles. Seng muss sich außerdem einen Planer suchen, was zusätzliche Kosten bedeutet. Dessen Entwurf wird wieder in den Gremien vorgestellt. „Es geht dann den ganz normalen Weg eines Bebauungsplanverfahrens mit Aufstellungsbeschluss, Anhörung, bis zum Satzungsbeschluss“, erklärte Neumann in der Gemeinderatssitzung.

Sechs Monate gehen wohl ins Land

Das soll im beschleunigten Verfahren geschehen, weil es sich um einen Bebauungsplan der Innenentwicklung handelt. Dieser beinhalte nur eine Anhörungsrunde. Der naturschutzrechtliche Ausgleich muss nicht geprüft werden, allerdings ist dies der Fall beim Artenschutz, wofür der Bauherr ein Büro zu beauftragen hat. Die Bauamtsleiterin schätzte mit sechs bis neun Monaten Dauer, „wenn alles gut läuft“.

Stadträte ärgern sich

Heiko Gerstenberger kommentierte energisch: „Es ist eine Farce, was hier gemacht wird.“ Das Landratsamt berücksichtige das gegenüber liegende mehrstöckige Gebäude Ecke Hauptstraße und Mozartstraße nicht. Seiner Ansicht nach sei es „eine Schweinerei“, wenn das Landratsamt jenen „alle Prügel, die sie haben, in den Weg schmeißt“, die im Ortskern investieren wollen. Seine Ratskollegen klatschten zustimmend.

Die Behörde stellt hierzu auf Nachfrage fest, dass für das auf der anderen Kreuzungsseite liegende Gebäude ein Bebauungsplan gilt, „welcher die Möglichkeit von zwei Vollgeschossen, sowie einem weiteren, rechnerischen Vollgeschoss im Dachgeschoss ausdrücklich vorsieht.“ Darin komme der planerische Wille des Gemeinderats und der Verwaltung zum Ausdruck „eine aus der Umgebungsbebauung herausgelöste Bebauung“ zuzulassen.

Behörde habe früh reagiert

Zu Sengs Vorhaben schreibt die Pressestelle des Landratsamts Folgendes: „Um der Gemeinde diese Entscheidung leichter zu machen, wurde bereits im Februar eine Einschätzung des Bauamts wie auch des Umweltamts abgegeben, welche erkennen lässt, dass einer Bauleitplanung nichts entgegensteht.“

Bauherr wollte schon anfangen

„Loslegen wollten wir im Januar“, verrät der Bauherr auf unsere Nachfrage. Zunächst sollte das Untergeschoss renoviert werden. Für diesen ersten Abschnitt hatte er drei Monate eingeplant. Anschließend hätten die restlichen Arbeiten ausgeführt werden sollen. Jetzt muss der Bauherr neue Termine mit Handwerkern ausmachen. Ob das so reibungslos klappt, bezweifelt er.

„Wir fordern so etwas immer im Gemeinderat“, spricht Seng das Thema Nahverdichtung an. Angesichts vergebener Neubauplätze in der Gemeinde mit mehreren Bewerbern pro Platz, stelle der Kauf und Umbau alter Gebäude in Ortskernen eine Alternative dar, gleichzeitig werde Flächenverbrauch reduziert. Ob ein Ablauf wie bei ihm förderlich ist, um Nachahmer zu generieren, sieht er skeptisch.

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