Ein „unbehäbes“ Genie mit tragischem Ende: Die Stadt gedenkt Nicodemus Frischlin

Von Stadtverwaltung Balingen

Ein bedeutender Sohn Balingens feiert am 22. September seinen 475. Geburtstag: Nicodemus Frischlin galt als Genie seiner Zeit, das aber auch mit seinem „unbehäb Maul“ in Ungnade fiel. Sein Ende schließlich war so tragisch wie dramatisch.

Ein „unbehäbes“ Genie mit tragischem Ende: Die Stadt gedenkt Nicodemus Frischlin

Nicodemus Frischlin

„Der kantige Gelehrte und Poet gilt als der bedeutendste Sohn Balingens“, schreibt die Balinger Stadtverwaltung anlässlich des Geburtstags Frischlins. Weiter heißt es: „Vom Balinger Bürgersohn avancierte Frischlin mit gerade einmal 21 Jahren zum Professor der Poetik in Tübingen, dann zum Hofdichter in Stuttgart, zum humanistischen Erzieher und schließlich zum gekrönten Dichterfürsten von Kaiser Rudolph II. Nicodemus Frischlin ist ein außerordentlich kluger Kopf gewesen, aber das Genie ist auch außerordentlich gescheitert.

Das ungewöhnliche Leben des berühmten Balinger Sohnes Nicodemus Frischlin begann vor 475 Jahren. Am 22. September 1547 um vier Uhr morgens erblickte Nicodemus als erster Sohn des evangelischen Pfarrers Jakob und seiner Frau Agnes Frischlin, geb. Ruoff, in Erzingen das Licht der Welt. Als Pfarrerssohn ist er prädestiniert gewesen, das für damalige Verhältnisse hochentwickelte württembergische Schulsystem durchzulaufen.

Mit 15 Jahren an der Uni in Tübingen

Mit ungefähr acht Jahren begann mit dem Besuch der Balinger Lateinschule, als Vorbereitung auf das Universitätsstudium, seine akademische Laufbahn. Bereits mit elf Jahren verließ er zum weiteren Schulbesuch seine Vaterstadt und besuchte die Klosterschulen in Königsbronn sowie Bebenhausen. Am 12. November 1562 war er mit gerade mal 15 Jahren im Stift der Landesuniversität Tübingen immatrikuliert, wo er sich unter dem Namen „Nicodemus Fröschlin Balingensis“ einschrieb. Kam der Pfarrerssohn wegen seiner Sprachkenntnisse zum Stift, stand er als Stiftler auf der rangniedrigsten Stufe in der Hierarchie der Studentenschaft.

Und daran konnte auch Frischlins Selbsteinschätzung der geistigen Elite anzugehören nichts ändern, denn ungeachtet seines Talents war er mit dem geringsten Ansehen an der Universität abgestempelt. Doch zunächst allen Widrigkeiten zum Trotz war er anfangs als junger Professor in Tübingen noch voller Ideale. Seine Antrittsrede als außerordentlicher Professor für Poetik und Geschichte im Alter von 21 Jahren vor der Fakultät wurde mit Beifall aufgenommen. Die Welt schien ihm tatsächlich offen zu stehen.

Frischlin wurde zum kaiserlichen Pfalzgrafen

Bald verschaffte sich Frischlin mit seinen dichterischen und philologischen Veröffentlichungen auch außerhalb Tübingens einen Namen. Sobald stand Frischlin in der Gunst von Herzog Ludwig. So wurde Nicodemus Frischlin nicht nur Hofdichter in Stuttgart, sondern avancierte zum gekrönten Dichterfürsten von Kaiser Rudolph II. Mit diesem Ehrentitel, der ihm gleichzeitig die nominelle Würde eines kaiserlichen Pfalzgrafen einbrachte, erklomm Frischlin 1577 den Gipfel seiner Karriere.

Doch der Hochbegabte Frischlin strebte Höherem und Neuem zu. Er lehnte die verkrusteten Wissensstrukturen ab und erging sich in Disputationen mit seinem Lehrer Crusius. Die Erfolge des jungen und vor reformerischen Ideen strotzenden Frischlin wurde von den Universitätskollegen mit Argwohn beäugt. Sein Ansehen sank mithilfe seinem Hauptwidersacher Crusius, der beim Senat der Universität gegen ihn intrigierte. Frischlins Geltungssucht, sein „unbehäb Maul“ und seine Ehrenkäsigkeit brachten ihn immer mehr in Misskredit.

Ein Fluchtversuch aus dem Kerkerturm endet tragisch

Der Verhöhnte suchte verbissen nach Anerkennung aber mit seiner ungestümen Art machte er sich nur noch mehr Feinde, bis er schließlich mit der „Rede über das Bauernleben“ den Hochadel erzürnte. Der gekrönte Dichterfürst verlor die Gunst des Herzogs und reiste in seinen letzten Jahren getrieben von Missgunst, Rachgier und Verleumdung rastlos durch Deutschland. 1590 verfasste der Humanist und Reformer eine Streitschrift, die ihm einen Platz im Kerkerturm auf der Burg Hohenurach bescherte. Sein Fluchtversuch am 29. November 1590 scheiterte kläglich, denn er brach sich hierbei das Genick. Als begnadete aber tragische Figur bleibt Nicodemus Frischlin in Erinnerung.