Balingen

Ein neuer Bebauungsplan könnte den Balinger Mühlengeist zum Schlossgespenst machen

26.11.2020

Von Nicole Leukhardt

Ein neuer Bebauungsplan könnte den Balinger Mühlengeist zum Schlossgespenst machen

© Privat

So soll der ehemalige Mühlengeist nach den Plänen des Eigentümers aussehen.

Zwar ist die Geschichte um den Balinger Mühlengeist nicht so alt wie die der Mühle selbst, doch sie scheint mindestens so wechselvoll: Kommenden Mittwoch befasst sich der Technische Ausschuss der Stadt Balingen mit dem Bebauungsplan für die Stadtmühle, um eine Grundlage dafür zu schaffen, was geht und was nicht geht. Anlass dafür ist das Baugesuch von Mühlengeist-Eigentümer Siegfried Reiter für einen ungewöhnlichen Neubau der 2010 endgültig abgebrannten Gaststätte.

Könnte die ehemalige Mühle an der Eyach im Balinger Norden sprechen, hätte sie Unmengen zu erzählen. Und wäre sicher verblüfft, dass sie nach den Plänen des Eigentümers nun von der Mühle zu einer Art Schlösschen geadelt werden könnte. Denn fast zehn Jahre nach dem letzten Bauantrag liegt nun ein neuer auf dem Tisch.

Und der wiederum hat so gar nichts mehr mit der usprünglichen Mühle zu tun. In Sabine Stengels Vorlage, mit der sich der Technische Ausschuss kommende Woche befasst, ist von einem „chateau-artigen Gebäude“ die Rede, das auf einer quadratischen Grundfläche von 18 auf 18 Metern zwei Vollgeschosse und ein vollgeschossiges Dachgeschoss haben soll. Sein Schwerpunkt: Eventgastronomie, „eine deutliche Nutzungsintensivierung“, wie es in der Vorlage heißt.

Zwei Türme und zwei Erker

Ein steiles Dach mit 58 Grad Neigung bildet den Abschluss, flankiert „von zwei Haupttürmen und zwei turmartigen Erkern“. „Ein ortsfremder architektonischer Entwurf“, wie die Stadtplanerin formuliert. Und einen, den man schlecht übersehen kann, denn „die höchste der beiden Turmspitzen erreicht eine Höhe von 18,60 Metern.“

Doch zurück zur Nutzung: Im Erdgeschoss sollen 140 Gäste auf 224 Quadratmetern Platz finden, auf der großen Außenterrasse mit weiteren 266 Quadratmetern noch einmal 145 Personen. Neben der Gastronomie sollen auch vier Appartments entstehen, deren Nutzung noch unklar sei. Allgemeine Wohnzwecke schließt die Verwaltung von vornherein aus, „da bodenrechtliche Spannungen mit der Gastronomie nicht auszuschließen sind und die Nutzung des Areals als Wohnquartier in Insellage nicht der öffentlichen Zielsetzung entspricht.

Der Denkmalschutz will mitreden

Ob der geplante Neubau sich mit dem denkmalgeschützten Bestand verträgt oder nicht, soll das Verfahren ergeben. Das Vorhaben, das „erheblich größer als der Altbestand ist“, „nimmt keinerlei gestalterische Rücksichten auf die im weiteren denkmalgeschützten Gebäudebestand des Gesamtensembles“, betont die Stadtplanerin.

Fest steht indes, dass Parkplätze geschaffen werden müssen, sollte sich das Gastronomievorhaben umsetzen lassen. Es gelte, ein widerrechtliches Zuparken der landwirtschaftlichen Flächen weitmöglich zu verhindern. Auch die Stadt möchte zusätzliche Parkplätze schaffen, um den Naherholungsbereich für Spaziergänger attraktiv zu machen. Ob sich das Areal für Wohnmobilstellplätze eignet, soll geprüft werden.

Die Brandruine kann weg

Für Siegfried Reiter bedeutet das Bebauungsplanverfahren zunächst, Geduld zu haben. Denn die Entscheidung über sein Baugesuch sei von der Baurechtsbehörde zurückzustellen, weil zunächst Genehmigungsfähigkeit hergestellt werden muss. Einzig „über den Antrag auf Abbruch und Rückbau der Brandruine kann zeitnah entschieden werden.“

Dann wäre zumindest der verkohlte Rest des historischen Gebäudes verschwunden, der nichts mehr mit seiner ursprünglichen Gestalt und Funktion zu tun hat, und ein langes Kapitel, das auch die Gerichte beschäftigte, zumindest teilweise abgeschlossen. Das eigentliche Mühlengebäude selbst stammt aus dem Jahr 1787 und wird heute als Naturfreundehaus genutzt. Vor 1800 entstand die Scheune, in der heute Pferde untergebracht sind. 1818 schließlich kam das Wohnhaus mit Scheune dazu, dessen Erdgeschoss 1998 zum Mühlengeist wurde.

2001 wurde ein Antrag auf Ausbau des Dachgeschosses zur weiteren Gaststätte abgelehnt. Die Begründung der Verwaltung: Das Gebiet lasse keine weitere verkehrliche Belastung zu, schon gar keine weiteren Parker, die in die angrenzenden Wiesen auswichen. Das wollte der Antragssteller so nicht hinnehmen und reichte Klage beim Sigmaringer Verwaltungsgericht ein. Drei Jahre zog sich das Verfahren hin, dann lehnte das Gericht die Klage ab. Wiederum zwei Jahre später, 2006, lehnte auch der Mannheimer Verwaltungsgerichtshof den Berufungsantrag ab.

Zwei Brände machen die Pläne zunichte

2009 schließlich erneuerte Eigentümer Siegfried Reiter seinen Antrag auf Zulassung einer Gaststätte im Obergeschoss, wollte sie jedoch nur noch im Wechsel mit dem darunter liegenden Restaurant betreiben, um so die Gästezahl und damit auch die Zahl der Autos nicht zu erhöhen.

Sein Antrag hätte gute Chancen gehabt, doch dann kam das Feuer: Am 26. Juni 2009 brannte der Mühlengeist. Und dabei blieb es nicht, im Jahr darauf zerstörte ein weiterer Brand das Gebäude weitestgehend. Siegfried Reiter beantragte im Dezember 2011, den Mühlengeist, genau so, wie er war, wieder aufzubauen. Der Gemeinderat brachte also ein Bebauungsplanverfahren auf den Weg. Doch der Eigentümer verfolgte seine Baupläne über die Jahre nicht weiter, der Bebauungsplan wurde nicht umgesetzt.

Ob der Geist von der Mühle wohl irgendwann ins Schloss umziehen darf? Kommenden Mittwoch könnten die Räte im Technischen Ausschuss beratend und der Gemeinderat am 15. Dezember schließlich mit einer Entscheidung den Grundstein dazu legen.

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