Beuron

Ein Wolf durchstreift das Donautal: Die Region steht unter Spannung

21.05.2019

Von Gudrun Stoll

Ein Wolf durchstreift das Donautal: Die Region steht unter Spannung

© Daniel Seeburger

Aufnahmen von Wölfen in freier Natur sind selten. Unser Bild ist im Tierpark in Bad Rippoldsau-Schapbach im Schwarzwald entstanden

Die Sichtung eines Wolfes bei Beuron bewegt die Menschen. Auf der Straße und in den sozialen Medien wird über die Rückkehr von Isegrim diskutiert. Erst im März hat das Landwirtschaftsamt des Zollernalbkreises interessierte Herdenhalter über Schutzmaßnahmen informiert.

Kaum war die Meldung draußen und wurde von den Nutzern von Facebook & Co. geteilt, liefen die Drähte heiß. An Meldungen über junge männliche Luchse, die auf der Suche nach einer Gefährtin vom schweizerischen Jura bis ins Donautal wandern, haben sich die Menschen in der Region längst gewöhnt, wenn auch vereinzelte Meldungen über gerissene Nutztiere keine Zweifel aufkommen lassen, dass Luchse Raubtiere und keine Kuschelkatzen sind.

Im Winter 2018 gab es erste Fälle

Nun ist ein Wolf beim Durchstreifen des Donautales in eine Fotofalle getappt –und das kommt einer kleinen Sensation gleich. Lange Zeit schon macht das Wort die Runde, wo der Luchs auftauche, sei auch der Wolf nicht weit. Und im Winter 2018 wurden in der Region tatsächlich zwei Tiere gesichtet.

Ein Wolf durchstreift das Donautal: Die Region steht unter Spannung

© Armin Hafner

Der Wolf ist in Beuron in eine Fotofalle getappt.

Aber der Nachweis über das Donautal als einer Route zumindest für Durchzügler auf der Suche nach Nahrung oder einem Revier ist mit dem Foto, das am 11. Mai kurz nach Mitternacht aufgenommen wurde, gelungen. Den genauen Standort hält Naturpark-Ranger Armin Hafner aber geheim. Dass es sich bei Tier um einen Wolf handelt, wurde aber von den Fachleuten der Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg (FVA) bestätigt.

Das Umweltministerium in Stuttgart gab das Foto am Montag zur Veröffentlichung frei und teilte mit, dass die Verbände der Nutztierhalter informiert sind und Schutzmaßnahme ergreifen können. Woher das Tier stammt und wo es sich derzeit aufhält, lasse sich nicht präzisieren. Wölfe können auf ihren nächtlichen Wanderungen bis zu 70 Kilometer zurücklegen, aus Bayern ebenso zuwandern wie aus der Schweiz, Italien oder Frankreich.

Begeisterung in den sozialen Medien

Aus der „Förderkulisse Wolfsprävention“ im Nordschwarzwald, sind laut Umweltministerium seit rund eineinhalb Jahren Wolfsnachweise bekannt. Der Landkreis Sigmaringen liegt außerhalb dieses Gebietes, in welchem die Bewegungen der Tiere beobachtet und wissenschaftlich begleitet werden.

Unter solch akademischen Aspekten diskutiert die Facebook-Gemeinde das Auftauchen von Isegrim nicht. Er ist auf alle Fälle kein Fabelwesen, das man nur aus Erzählungen kennt, für gut 150 Jahre in Deutschland als ausgerottet galt und erst zur Jahrtausendwende zurückgekehrt ist.

Koexistenz kann gelingen

Der quasi vor der Haustür aufgetauchte Wolf schürt viele Emotionen - bei unseren Lesern sind es vorwiegend positive. „Wow, wunderschönes Tier“, schreibt einen ZAK-Leserin in ihrem Facebook-Kommentar. „Toll“, pflichtet eine weitere Userin bei.


„Bin gespannt, ob ihr euch auch noch so über den Wolf freut, wenn er vor eurer Haustür steht, am Spielplatz vorbei geht“, gibt es auch nachdenkliche Beiträge. Ein weiterer Facebook-Nutzer notiert: „Man muss einfach die aufkommende Population im Auge behalten. Ich glaube nicht, dass wir in einigen Jahren den Worst Case haben werden, dass zig Rudel mit zehn oder mehr Tieren in Deutschland herum streifen werden. Dazu ist Deutschland über große Flächen zu verbaut, als dass sich der Wolf (eigentlich scheu wie er ist) ausbreiten könnte. Einzelne Tiere sind für mich in Ordnung und wenn sie mal ein Schaf oder sonst ein Tier reißen, dann ist dies natürlich. Klar, für den Besitzer ist dies ein Verlust und er wird den Wolf deshalb nicht haben wollen. Irgendwie auch verständlich. Ich denke man muss sachlich und mit allen gebotenen Mitteln einer gegenseitigen Koexistenz zustimmen“.

Ein Wolf durchstreift das Donautal: Die Region steht unter Spannung

© Landratsamt

Im Landratsamt in Balingen informierte Fachmann Frank Lamprecht, selbst langjähriger Weidetierhalter und seit vorigem Jahr auch Mitarbeiter des NABU, über wirkungsvollen Herdenschutz.

Es ist nur einige Wochen her, dass im Landratsamt in Balingen das Thema „Herdenschutz - Herausforderung Wolf“ aufgegriffen wurde. Die Teilnehmer, annähernd 50 an der Zahl, kamen aus den Landkreisen Ravensburg, Reutlingen, dem Zollernalbkreis und dem Hohenlohekreis. Frank Lamprecht, selbst langjähriger Weidetierhalter und seit vorigem Jahr auch Mitarbeiter des Projekts „Herdenschutz in der Praxis“ des NABU Baden-Württemberg und des Landesschafzuchtverbandes, legte den Fokus seines Vortrages auf die Sicherung mit Zäunen und Netzen sowie den Einsatz von Hunden.

Sichere Zäune haben Spannung

Die besondere Topografie in Baden-Württemberg, besonders in Gebieten die mit Schafen und Ziegen offen gehalten werden, erfordere ein genaues und fehlerfreies Zaunmanagement. Allein durch das Einhalten der Empfehlung zur Höhe der Zäune und Netze von mindestens 90 Zentimetern sei aber noch lange kein sicherer Herdenschutz erreicht.

Das Wesentliche eines sicheren Weidezaunes sei eine durchgängige Spannung von mindestens 4000 Volt. Die ausreichende Stromspannung scheitere häufig an einer mangelnden Erdung, die auch durch trockene und steinige Böden oder das Einwachsen der Zäune entstände. Besonderes Augenmerk sei aber darauf zu richten, dass die Zäune keine Möglichkeiten zum Durchschlüpfen für den Wolf bieten. Wölfe würden die Zäune selten überspringen, sondern eher nach einem Durchschlupf suchen. Eine hohe Spannung sei deshalb umso wichtiger, damit Wölfe negative Erfahrungen mit Zäunen machen und diese zukünftig meiden.

Grundsätzlich sei der ideale praxistaugliche Zaun noch nicht gefunden.

Der Einsatz von Herdenschutzhunden zur Abwehr von Wölfen erfordere noch viel Forschungsarbeit, um die Erfahrungen anderer europäischen Länder wie z.B. Slowenien, die viel mit Herdenschutzhunden arbeiten, auf das klein strukturierte Baden-Württemberg übertragen zu können. Aus diesem Grund können der Einsatz von Hunden nicht uneingeschränkt empfohlen werden.

Im Anschluss an den Vortrag diskutierten die Teilnehmer noch intensiv untereinander und mit dem Referenten. Das Fazit lautete: Da der Wolf ein sehr schlaues Tier ist und schnell lernt, würden keine Fehler im Herdenschutz verziehen. Sichere Zäune seien die beste Vorsorge.

Ein einsamer Wolf ist noch längst kein Rudel

Eindeutige Nachweise zu Wölfen in Baden-Württemberg führt das Umweltministerium des Landes seit dem Jahr 2015 in einer Liste in der Kategorie C1 (das C steht dabei für den englischen Begriff Category).

„Wolf unterwegs“ wurde seither drei Mal aus der Region gemeldet: Aktuell am 11. Mai durch den Fotonachweis bei Beuron. Ebenfalls auf einem Foto festgehal

ten wurde ein Wolf am 24. Februar 2018 in Ostrach und am 17. Februar bei Beuron. In allen drei Fällen gibt es keine Hinweise zur Herkunft.

Die Gretchenfrage

Ob der Wolf im Donautal heimisch wird? Um das beurteilen zu können, müsste er mehrmals nachgewiesen werden, beantwortet Ralf Heineken, Pressesprecher des Umweltministeriums, die Frage. „Und dann, sagen Experten, dauert es geraume Zeit, bis aus einem einsamen Wolf ein Rudel wird“ fügt er an.

Konsequenzen für die Nutztierhaltung ergeben sich, wenn sich ein Wolf niederlässt. Im Schwarzwald hat das Land eine Förderkulisse Wolfsprävention ausgewiesen, im Donautal würde man analog vorgehen. Jeder Nutztierhalter müsste den Herdenschutz dann so anpassen, dass die Tiere geschützt sind. Diese Maßnahmen würden im Moment mit 90 Prozent und bald zu 100 Prozent bezuschusst, teilt der Ministeriumssprecher mit. Für gerissene Tiere gebe es über den „Ausgleichsfonds Wolf“ unbürokratisch Entschädigung.beschäftigt.

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