Ein Ingenieur mit pädagogischem Feingefühl: Schulleiter Eugen Straubinger geht in Pension

Von Klaus Irion

Eugen Straubinger hat die Philipp-Matthäus-Hahn-Schule in Balingen zu dem gemacht, was sie heute ist. Ein im gesamten Landkreis anerkanntes gewerbliches Schulzentrum. Nach 17 Jahren übergibt er nun sein Leitungsamt an seinen Nachfolger. Ein Abschied mit Wehmut, aber nach eigenen Angaben auch im Wissen, dass nun der richtige Zeitpunkt gekommen sei.

Ein Ingenieur mit pädagogischem Feingefühl: Schulleiter Eugen Straubinger geht in Pension

Ende des Monats geht Eugen Straubinger nach 17 Jahren als Leiter der Philipp-Matthäus-Hahn-Schule (Gewerbliches Schulzentrum Albstadt, später Balingen) in den Ruhestand.

Drei Umzugskisten stehen bereits gepackt im Büro. Oder besser gesagt drei Auszugskisten. Beruflich umgezogen ist Eugen Straubinger zwar auch schon einige Male, doch dieses Mal gibt es keine neue Stelle, keine neuen beruflichen Aufgaben mehr. Der 65-jährige Schulleiter der Philipp-Matthäus-Hahn-Schule geht in den Ruhestand.

Den Beruf geliebt

Mit Straubinger verlässt ein Pädagoge die Berufsschule, der seinen Beruf geliebt hat. Dabei hatte man Anfang der 1960er-Jahre eigentlich ganz andere Pläne geschmiedet für ihn, den Salmendinger Jungen, der abgesehen von einer rund zehnjährigen Unterbrechung seiner Heimatgemeinde bis zum heutigen Tag treu geblieben ist.

Pfarrer sollte er werden

„Ich weiß noch genau wie eines Abends der Dorfpfarrer und mein Lehrer zu meinen Eltern gekommen sind.“ Am Tisch seien sie beieinander gesessen, und seine Eltern hätten nach kurzem Überlegen zugestimmt, dass der zehnjährige Eugen nach der Grundschule ins katholische Konvikt nach Sigmaringen wechseln sollte. Gymnasium mit Abitur, Theologiestudium, katholisches Priesteramt, so hätte es laufen sollen.

Der Bub darf bleiben

Doch es kam alles anders. Am Gymnasium war er angemeldet worden, am Konvikt aus reinem Versehen nicht. „Platz gab es dort nun keinen mehr, also hätte ich bei einer Gastfamilie leben sollen“, erinnert sich Straubinger. Das habe die Mutter aber nicht gewollt, der Bub durfte zuhause bleiben, und hat dann doch seinen Weg gemacht.

Studium in Konstanz

Er führte von der damaligen Mittelschule, später Realschule in Burladingen, zur Schlosserausbildung beim Onstmettinger Unternehmen Hofmann und schließlich zur Hochschulzulassung, die er auf Reutlinger Schulbänken erlangte. Nach der Bundeswehr zog es den heimatverbundenen Schwaben ins Badische. In Konstanz studierte Eugen Straubinger an der Hochschule für Technik und Maschinenbau.

Erste Stelle in Reutlingen

„Schöne Jahre waren das“, sagt er rückblickend. Doch zog es ihn nach Studienabschluss, er war damals mit 23 Jahren einer der jüngsten Absolventen, wieder zurück in die Heimat. Bei Burkhardt und Weber in Reutlingen fand er einen Job, der ihm überaus Spaß machte.

Mit Feuereifer ins Zweitstudium

So viel Spaß, dass ein Lehrer einer Technikerklasse, die dem Unternehmen einen Besuch abstattete, auf den jungen Ingenieur aufmerksam wurde, der die Gruppe mit Feuereifer durch den Betrieb geführt hatte. Ob er sich nicht vorstellen könne, Berufsschullehrer zu werden, wurde Straubinger gefragt. Er konnte, und begann sein Zweitstudium für das höhere Lehramt an Berufsschulen, das dem Stuttgarter Institut für Maschinenbau angegliedert ist.

Nie in Stuttgart leben

„Zu dieser Zeit war ich bereits verheiratet und lebte mit meiner Frau Waltraud in Reutlingen“, sagt der baldige Neu-Pensionär. Das berufliche Pendeln habe ihn noch nie gestört, und auch nur einen Tag in Stuttgart zu leben, habe er sich zu keinem Zeitpunkt vorstellen können.

Referendariat in Tübingen

Wohl aber eine Rückkehr nach Salmendingen, mit der auch seine aus Burladingen stammende Ehefrau einverstanden gewesen sei. Nach erfolgreichem Studienabschluss absolvierte Straubinger sein Referendariat im damals noch ziemlich neu erbauten Berufsschulzentrum im Tübinger Feuerhägle.

Kein Lehrermangel

„Man kann es heute kaum glauben, aber es herrschte zu jener kein Mangel an Berufschullehrern“ Und das, obwohl Quereinsteiger mit wenig bis gar keiner pädagogischen Ausbildung, wie sie heute längst auch zum Lehrerkollegium gehören, noch nicht existent waren. Straubinger hatte Glück, er wurde in Tübingen als Lehrer übernommen und unterrichtete fortan Gymnasiasten am Technischen Gymnasium und KFZ-Mechaniker in der Berufsschule.

Wie ein Blitzeinschlag

Und wieder wurde man auf den Salmendinger aufmerksam. Dieses Mal der damalige Oberschulamtsleiter Walter Mäck, der ihn als Personalreferenten für die Berufsschulen in Südwürttemberg in die Schulverwaltung holte. „Das war wie ein Blitz aus heiterem Himmel.“ Ein beruflicher Einschlag, „den ich nie bereut habe“.

Unter Schavan am Ministerium

Denn nun gewann der Pädagoge auch vertiefte Einblicke in die Schulpolitik, in diesem Fall unter der Leitung der seinerzeitigen Kultusministerin Annette Schavan. Mit ihr teilt Straubinger bis heute nicht nur das CDU-Parteibuch, sondern auch das Wissen, konservative Werte und dennoch auch eine liberale Weltanschauung zu vertreten.

Näher ans Machtzentrum

Beinahe folgerichtig Straubingers berufliche Rückkehr nach Stuttgart, näher ins Zentrum der Macht. Ins Referat Berufsschule beim baden-württembergischen Kultusministerium. „Unter Schavans Ägide war dies eine hochinteressante Aufgabe.“ Gerufen hatte ihn Abteilungsleiter Klaus Lorenz, den Straubinger heute seinen kultuspolitischen Ziehvater nennt. „Auch wenn das Bild etwas schief ist, denn er ist jünger als ich.“ Von Klaus Lorenz habe er sehr viel gelernt.

Erfolgreiche Schulleiterbewerbung

Was dem Zollernälbler aber auf Dauer fehlte, war die Rolle des Pädagogen, in der er ursprünglich ja aufgegangen war. Zum eigentlich ersten Mal im Berufsleben ergriff er deshalb selbst die Initiative und bewarb sich auf die Schulleiterstelle an der gewerblichen Schule in Albstadt. Er bekam die Stelle.

Aktiv in der CDU

Die (Schul-)Politik ließ ihn aber trotzdem nicht los. Im Jahr 2000 bewarb er sich als CDU-Landtagskandidat im Wahlkreis Balingen, unterlag jedoch dem jetzigen Landrat und nicht mehr Landtagsabgeordneten Günther-Martin Pauli.

Heute ist Straubinger stellvertretender Vorsitzender des CDU-Stadtverbands Burladingen und stand vergangenes Jahr auf der CDU-Kreistagsliste.

Interessenvertreter auf Bundesebene

„Ganz nebenbei“ bekleidet er seit einigen Jahren auch das Amt des Bundesvorsitzenden des Berufsschullehrerverbands, das den Salmendinger mehrmals jährlich nach Berlin führt. „Ich bin zwar noch bis 2022 gewählt, aber ich werde dieses Amt wohl nach meiner Pensionierung abgeben.“

Eingefleischter FCB-Fan

Wie Stuttgart, ist auch die Bundeshauptstadt für den Schulleiter stets eine willkommene Abwechslung zum Landleben, mehr aber auch nicht. „Großstädte, die ich mag, sind Hamburg und München.“ Die Großstadt mit Herz an der Isar sieht er dabei als eingefleischter FC-Bayern-Fan, der seine Fan-Leidenschaft für die Roten auch auf seine beide Söhne übertragen hat, häufiger.

Balingen Standort anerkannt

Über den Landkreis als Schulträger der Philipp-Matthäus-Hahn-Schule und dessen Verwaltung weiß der scheidende Schulleiter nur Gutes zu berichten. Mit Landrat Willi Fischer haben er und seine Schulleiterkollegen in Balingen und Hechingen vor Jahren die Strukturreform der Berufsschulen im Zollernalbkreis gegen viele Widerstände erfolgreich umgesetzt. „Heute sind auch seinerzeit kritische Stimmen verstummt, die nicht wahr haben wollten, dass das einzige gewerbliche Schulzentrum in Balingen und nicht in Albstadt beheimatet ist.

PMHS als Erfolgsmodell

Die Philipp-Matthäus-Hahn-Schule (PMHS) mit ihren weit über 2000 Schülern, mit all ihren unterschiedlichen Schulformen, darunter die neue Fachschule für Textiltechnik und die Rückkehr zweier Klassen für Fachinformatiker, mit den vielfältigen Verbindungen und Kooperationen mit dem heimischen Handwerk, der heimischen Industrie, ist längst zum Erfolgsmodell geworden.

Ein g‘mähtes Wiesle

Und deren noch bis Ende Juli amtierender Leiter ist der Mittelpunkt des Ganzen, der seinem Nachfolger ein, wie der Schwabe sagt, „g‘mähts Wiesle“ hinterlässt. „Ich weiß schon, wer mir nachfolgt, darf bislang nur so viel sagen, dass es wieder ein Pädagoge sein wird.“

Ein Jahr Schulabstinenz

Was Straubinger nach 17 Jahren Schulleitertätigkeit den Abschied nach eigenen Angaben erleichtert, sei das Wissen, dass das gemeinsam mit seinem Stellvertreter, mit den Abteilungsleitern und dem gesamten Kollegium Erreichte weitergetragen wird. Selbst will er es so halten wie sein kürzlich verstorbener Vorvorgänger im Amt des Schulleiters, Manfred Kästle, der einst gesagt habe: „Ich werde mindestens ein Jahr lang keinen Fuß mehr in die Schule setzen.“

Feier in kleinem Rahmen

Seine offizielle Verabschiedung hätte Eugen Straubinger einen großen Bahnhof mit rund 500 geladenen Gästen beschert. Die Coronakrise zwang die Verantwortlichen zur Absage. Und so wird er nun Ende des Monats im kleinen Rahmen im Tübinger Regierungspräsidium seine Pensionierungsurkunde erhalten. Und fortan als Kommunalpolitiker und Vereinsmensch von Salmendingens Höhen herab das Geschehen im Zollernalbkreis betrachten und ein Stück weit mitgestalten.