Ehemaliger Immobilienverwalter aus dem Zollernalbkreis veruntreut über 500.000 Euro

Von Klaus Irion

Ein Immobilienverwalter im Zollernalbkreis hat über viele Jahre hinweg rund 1 Million Euro veruntreut. Rund die Hälfte der Summe entstammt Fällen, die inzwischen verjährt sind. Für die noch strafrelevanten Fälle mit einer Summe von über 500.000 Euro erwartet ihn nun eine Haftstrafe von mindestens 3 Jahren und 3 Monaten und höchstens 4 Jahren.

Ehemaliger Immobilienverwalter aus dem Zollernalbkreis veruntreut über 500.000 Euro

Im Saal 168 des Hechinger Landgerichts fand die Verhandlung wegen Untreue statt.

Das Urteil gegen den 45-Jährigen Mann aus dem Zollernalbkreis wird zwar erst in zwei Wochen gesprochen, eine Verurteilung und die Höhe der Strafe stehen aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits fest.

Keine Sensation zu erwarten

Dass sich an der mehrjährigen Haftstrafe für den der besonders schweren Untreue Beschuldigten noch etwas ändert, „wäre nur dann der Fall, wenn sich noch eine strafprozessuale Sensation ereignen würde“, meinte der Vorsitzende Richter Dr. Hannes Breucker.

Vorweggenommener Schuldspruch

Ein vorweggenommener „Schuldspruch“ vor dem eigentlichen Urteil? Vor einigen Jahren wäre dies in der bundesdeutschen Rechtsprechung noch undenkbar, weil nicht erlaubt gewesen. Inzwischen aber sind sogenannte Verständigungsgespräche staatlich gewollter Bestandteil der Strafprozessordnung.

Nichtöffentliche Verständigung

Im konkreten Fall hatte es bereits vor der Verhandlung zwei nichtöffentliche Gespräche von Richter, Staatsanwältin und Verteidiger gegeben. Ergebnis: Die Staatsanwaltschaft ist von der Schuld des Angeklagten überzeugt und wird auf keinen Fall lediglich auf eine Bewährungsstrafe (also maximal 2 Jahre Freiheitsstrafe, die dann zur Bewährung ausgesetzt wird) plädieren.

Nicht im Bewährungsrahmen

Dies ließ Richter Breucker am Donnerstag in der öffentlichen Verhandlung am Landgericht Hechingen verlauten. Auch dass sein letztlicher Urteilsspruch sich wohl nicht mehr im Rahmen einer Bewährungsstrafe bewegen würde, wurde dem Angeklagten vom Richter mitgeteilt.

Taten eingeräumt

Nach einem erneuten, dritten Verständigungsgespräch, am Verhandlungstag selbst, stimmten alle Parteien – einschließlich des Angeklagten – einer Haftstrafe zwischen mindestens 3 Jahren und 3 Monaten und höchstens 4 Jahren zu. Zuvor hatte der Angeklagte über seinen Rechtsanwalt Florian Majer erklären lassen, „dass mein Mandant die Anklagevorwürfe in vollem Umfang in objektiver und subjektiver Hinsicht einräumt“.

247 Untreuefälle

Dieses Geständnis wird das Gericht bei der tatsächlichen Festlegung der Haftdauer im nun vorfestgelegten Strafrahmen positiv einfließen lassen. Was aber hat sich der Angeklagte zu Schulden kommen lassen? Es geht konkret um 247 Fälle, bei denen der Immobilienverwalter ihm von Wohnungseigentümergemeinschaften treuhänderisch anvertraute Gelder veruntreut hat. Und dies über einen Zeitraum von vielen Jahren.

„Gewerbemäßig gehandelt“

„Man muss hier von gewerbsmäßiger Untreue sprechen“, erklärte die Staatsanwältin bei der Verlesung der Anklageschrift. Deswegen auch der Vorwurf der besonders schweren Untreue. Mal wurde Geld von den Treuhandkonten bar abgehoben, ein andermal Geld vom Konto einer Wohnungseigentümergemeinschaft auf das Konto einer anderen überwiesen.

Überwiegend im Zollernalbkreis

Die Taten betrafen überwiegend Wohnungseigentümer im Zollernalbkreis. Anwalt Majer hatte zugunsten seines Mandanten ins Feld geführt, dass nur ein kleiner Teil der persönlichen Bereicherung gedient habe, ein Großteil dazu genutzt wurde, entstandene Finanzlöcher in den Abrechnungen von rund 100 Wohnungseigentümern, respektive deren Eigentümergemeinschaften zu stopfen.

Keine Details der Taten

Details der Veruntreuungen kamen beim gestrigen ersten Verhandlungstag nicht zur Sprache, weil der nicht vorbestrafte, verheiratete dreifache Familienvater selbst keine Angaben zu den ihm vorgeworfenen Taten machen wollte.

Vater mitangeklagt

Mitangeklagt ist auch der Vater des 45-Jährigen, der das Immobilienverwaltungsunternehmen einst gegründet hatte. Ihm wird Veruntreuung in 12 Fällen vorgeworfen, wofür ihn, ebenfalls nach Verständigungsgesprächen, aller Wahrscheinlichkeit nach eine Haftstrafe zur Bewährung von mindestens 1 Jahr und 2 Monaten und höchstens 1 Jahr und 6 Monate erwartet. Das Verfahren gegen den Firmengründer wurde jedoch abgetrennt, weil er derzeit schwer erkrankt und nicht verhandlungsfähig ist.

Prokura seit 2011

Der Sohn hatte nach der Mittleren Reife eine Ausbildung zum Industriekaufmann abgeschlossen und war danach direkt ins väterliche Unternehmen eingestiegen. Im Jahr 2011 erhielt er vom Vater die Prokura. Schon in jener Zeit müssen die ersten Veruntreuungen gelaufen sein, diese sind jedoch inzwischen verjährt.

Anzeige im Jahr 2016

Ins Urteil einfließen werden die Taten, die von Oktober 2012 bis ins Jahr 2017 begangen wurden. Den Stein ins Rollen gebracht hat im Jahr 2016 eine der betroffenen Eigentümergemeinschaften, die bei der Polizei Strafanzeige wegen „Veruntreuung gemeinschaftlicher Gelder“ erstattet hatte.

Ermittlungsverfahren seit 2018

Anderthalb Jahre später, im April 2018, verschickte das Kriminalkommissariat Balingen ein Informationsschreiben zum Stand des Ermittlungsverfahrens gegen die nun Angeklagten samt Fragebogen an die Mitglieder von Wohnungseigentümergemeinschaften.

Keine Zeugen notwendig

Im Juli 2020 schließlich wurde Anklage erhoben. „Dass wir nun über ein Jahr später erst den Prozess anberaumen konnten, liegt schlicht daran, dass die Justiz angehalten ist, Fälle, die mit Untersuchungshaft einhergehen, vorrangig zu verhandeln“, erläuterte Richter Breucker. Eine solche U-Haft aber hatte in diesem Fall nicht vorgelegen. Der Prozess wird am 18. November fortgesetzt.

Erheblich verkürzter Prozess

Dem Angeklagten sprach der Richter sein Wohlwollen für das Geständnis und die Verständigung aus, die nicht nur einen umfangreichen Prozess erheblich verkürzen, „sondern auch den zahlreichen geladenen Zeugen ein persönliches Erscheinen vor Gericht ersparen“.

Entschuldigung unter Tränen

Als Richter Breucker den ersten Prozesstag bereits beenden wollte, meldete sich der Angeklagte, der inzwischen einen Job als Vertriebsassistent gefunden hat, dann doch noch selbst zu Wort. Unter Tränen bat er bei allen betroffenen Wohnungseigentümern „in aller Form um Entschuldigung“ für das Geschehene. „Ich habe einen Riesenfehler begangen, für den ich geradestehen werde.“ Danach aber werde er „nicht mehr mit dem Gesetz in Konflikt kommen“.