Dotternhausens Blasorchester in brillanter Verfassung: Fliegende Armbanduhr und tönender Dschungel

Von Daniel Seeburger

Der Musikverein Dotternhausen begeisterte am Samstagabend die Besucher in der Festhalle mit einem außerordentlichen Konzert. Sowohl die Aktivenkapelle als auch der musikalische Nachwuchs konnten auf hohem Niveau überzeugen.

Dotternhausens Blasorchester in brillanter Verfassung: Fliegende Armbanduhr und tönender Dschungel

Zupackend und impulsiv: Dirigent Robin Nikol bei seinem ersten großen Konzert mit dem Musikverein Dotternhausen vor heimischem Publikum.

Seit über zwei Jahren spielte der Dotternhausener Musikverein wegen Corona kein richtiges Konzert mehr. Schlecht für den neuen Dirigenten Robin Nikol, der das Blasorchester im September 2019 übernommen hatte. Vor Publikum konnte er bisher nur bei einem kleinen Kirchenkonzert zeigen, zu welchen Höhen er die Dotternhausener Musiker führen kann. Auf das erste Konzert vor heimischem Publikum in der Festhalle musste er über zweieinhalb Jahre warten.

Das Konzert wurde gefördert durch das so genannte Impuls-Projekt des Bundesmusikverbands für Chor und Orchester. Das Förderprogramm wurde aufgelegt, um der Amateurmusik im ländlichen Raum nach der Coronapandemie zu helfen, wieder auf die Beine zu kommen. Ziel ist es, im Rahmen eines kulturellen Neustarts für die Musizierenden Motivationshilfen und Impulse zu bieten.

Das Warten hat sich gelohnt

Das über zweijährige Warten auf ein neues Konzert des Dotternhausener Musikvereins hatte sich gelohnt. Schon die beiden Jugendkapellen verblüfften mit ihrer Intonationsgenauigkeit und der Sicherheit in der Partitur. Den rund 40 Kindern und Jugendlichen, die von Dirigent Frank Schnell mit viel Herzblut und Engagement unterrichtet und geleitet werden, machte es sichtlich Spaß, zum ersten Mal vor einem so großen Publikum zu spielen. Dabei hatte man sich keineswegs einfache Literatur ausgesucht. Und die Kinder der Jugendkapelle 2 spielen gerade einmal ein Jahr zusammen.

Leonard Bernsteins Melodien aus „West side story“, in einem Arrangement von Michael Sweeny, beispielsweise forderte von den jungen Musikanten der Jugendkapelle 1 rhythmische Sicherheit und ein Gefühl für die jazzigen Brüche, die es in der Partitur gibt. Mit dem technisch anspruchsvollen „Bravura“ von Larry Neeck lotete Frank Schnell die Grenzen des Klangkörpers genau aus. Hier konnte man das junge Orchester auf seinem musikalischen Höhepunkt erleben. Mit dem kantablen und getragenen „A song of hope“ präsentierte die Jugendkapelle ein Stück für die Menschen in der Ukraine.

Der volle Sound der Jugend

Die beiden Jugendkapellen zusammen intonierten zum Abschluss unter andere „Land of hope and glory“, das wohl berühmteste Stück aus Edward Elgars „Pomp and circumstance“, in einer Bearbeitung von Alfred Bösendorfer. „Sie hören den vollen Sound der Jugend des Musikvereins Dotternhausens“, kündigte die junge Musikerin Jule Ritter die Gemeinschaftsproduktion beider Jugendkapellen an. Und sie hatte nicht zu viel versprochen.

Spektakulärer Start

Der Start der Aktivenkapelle war spektakulär. Die Musikerinnen und Musiker spielten sich ein. Eine Kakophonie der unterschiedlichsten Töne und Geräusche, eine Anarchie des Klangs ohne hörbaren Zusammenhang – wer kennt es nicht. Dirigent Robin Nikol schlenderte auf die Bühne, schaute sich um, nahm Blickkontakt zu den einzelnen Registern auf. Dann hob er den Taktstock und wie aus dem Nichts bekam das Tohuwabohu Struktur. Ein fulminanter Einstieg in „Welcome to the imagination world“ von Daisuke Shimizu. Nikol zeigte schon zu Beginn, dass er das Orchester im Griff hat. Das ist allerdings nur dann möglich, wenn ihm die Musikerinnen und Musiker bedingungslos durch das Stück folgen. Dieses Grundvertrauen zwischen Dirigent und Orchester war an diesem Abend schon in diesem ersten Stück hör- und sichtbar.

Nikol peitschte die Musikerinnen und Musiker auf mit weitausholenden Gesten. Der markante letzte Schwung zum Schlussakkord zeigte, wie intensiv der neue Dirigent auf das Orchester eingeht. Die Armbanduhr flog ihm vom Handgelenk und landete in den Reihen der Zuhörer.

Klassiker und eine Reise in den Dschungel

Mit „Oregon“ von Jacob de Haan präsentierten die Dotternhausener Musikerinnen und Musiker einen echten Klassiker für Blasorchester. Konzertanter Höhepunkt war schließlich „The legend of Maracaibo“ von José Alberto Pina. Es war ein Besuch des musikalischen Dschungels im Herzen von Südamerika. Klarinetten und Flöten webten im wohl heikelsten Teil des Stücks einen betörenden Klangteppich. Vor allem die sechs Mann starke Rhythmussektion war in diesem Stück gefordert. Zum Einsatz kam auch das Marimbaphon, das von Kai Fassbinder von der Musikhochschule Trossingen gespielt wurde. Um zu verdeutlichen, welche Klangspektren in diesem Instrument stecken, stimmte er als kleine Soloeinlage „Circus Renz“ an und erntete rauschenden Beifall.

Den gab es allerdings auch für den Dotternhausener Musikverein, der versuchte, nach den abschließenden 92er-Regimentsmarsch von Johann Nowotny das Konzert zu beenden. Da hatte man aber die Rechnung ohne das Publikum gemacht. Denn das ließ das Dotternhausener Orchester erst nach zwei Zugaben von der Bühne.