Die Winterlinger Kleinkunstbühne K3 schlägt die Zelte unter freiem Himmel auf

Von Karl-Otto Gauggel

Was machen Abstand und Ängste mit den Menschen? Die Kleinkunstbühne sammelt Erfahrungsberichte für ein Winterlinger Stationentheater im Freien.

Die Winterlinger Kleinkunstbühne K3 schlägt die Zelte unter freiem Himmel auf

Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Um den gebotenen Abstand einzuhalten, fand das Gespräch mit Theaterleiterin Evelin Nolle-Rieder (links) und Regisseurin Laura Tetzlaff im Wilhelm-Keinath-Park neben dem Rathaus statt. Jenem Ort, an dem das geplante Stationentheater im Sommer auch starten soll.

Nachdem der Kulturspaziergang im Sommer um den Ziegenhof der Familie Dietz in Harthausen erfolgreich verlief, möchte die Winterlinger Kleinkunstbühne K3 in diesem Jahr ein Stationentheater in Winterlingen vorbereiten.

Schauspieler wollen wieder auf die Bühne

Da wegen der Corona-Pandemie das Winterlinger Theater schon seit mehr als einem Jahr geschlossen ist, brennt die Theaterchefin mitsamt den Schauspielgruppen von den Theater-Knirpsen, den Theater-Kids über die Jugendgruppe bis zu den Erwachsenen darauf, wieder vor Publikum auftreten zu dürfen.

Beim Experiment helfen Profis

Da dies jedoch nach wie vor nicht möglich ist, plant K3-Leiterin Evelin Nolle-Rieder, ein coronakonformes Stationentheater in Winterlingen auf die Beine zu stellen. „Wir sind glücklich , dass wir mit Laura Tetzlaff eine professionelle Regisseurin für dieses Projekt gewinnen konnten“, freut sich Nolle-Rieder. Gemeinsam mit der Regisseurin stellte sie das Projekt bei schönstem Wetter unter freiem Himmel im Wilhelm-Keinath-Park vor.

Regisseurin kann gut mit der Theaterchefin

Laura Tetzlaff wohnt in Düsseldorf und konnte nach ihrem Studium der Theater-, Literatur- und Medienwissenschaften in Leipzig drei Jahre Erfahrungen als Regieassistentin am Staatstheater in Stuttgart, in Düsseldorf sowie bei weiteren Engagements wie zum Beispiel an der Württembergischen Landesbühne Esslingen sammeln.

Als freie Regisseurin arbeitet Laura Tetzlaff zudem als Schauspieldozentin an der Akademie für Darstellende Kunst in Ludwigsburg. Den schwäbischen

Dialekt beherrsche sie zwar immer noch nicht, aber das meiste verstehe sie inzwischen wirklich gut, erklärt sie beim Treffen mit einem Augenzwinkern und fügt bei ihrer Vorstellung hinzu , dass sie mit Evelin Nolle-Rieder einfach gut könne und sich mit ihr auf das bevorstehende Theaterprojekt richtig freue.

Was macht der Abstand mit den Menschen?

Schon der Titel „Normalabstand“ verrät, dass es auch dabei um das alles beherrschende Corona-Thema gehen wird. Die beiden interessiert, was der anhaltende soziale Abstand mit den Menschen in der Pandemie gemacht hat , vor allem mit denjenigen, die in den Medien kaum vorkommen, der sogenannten schweigenden Mehrheit: Mit Kindern, Schülern, Familien oder mit älteren Menschen. Wenn ein Vorschulkind die Frage stellt: „Mama, was für eine Maske hast du als Kind getragen?“ könne man erahnen, dass viele Kinder die Maske oder das Abstandhalten bereits als Normalität betrachten, da sie sich an die Zeit davor eigentlich schon nicht mehr erinnern können, gibt Laura Tetzlaff zu bedenken.

Erfahrungen fließen in Installationen ein

Schon bald wollen sie dazu die Winterlinger und auch die Zollernälbler von außerhalb bitten, ihre Erfahrungen, ihre Emotionen, Ängste aber auch die Entdeckungen bei sich selber oder in ihrem Umfeld mitzuteilen, die sie mit dem Abstand, der Maske oder in der sozialen Isolation gemacht haben.

Diese authentischen Aussagen werden im Anschluss anonymisiert und dann in kreativen Installationen und Szenen an vier oder fünf Stationen verteilt in Winterlingen zur Aufführung kommen. Dabei werden sowohl Laienschauspieler aus dem K3-Theater als auch Schauspielprofis in Winterlingen auftreten.

Aufführungen sind im Juli

Der Ticketverkauf wird nur online über die Homepage des K3 möglich sein. Möglich gemacht wurde dieses aufwendige Projekt durch eine Förderung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien über den Fonds Darstellende Künste im Förderprogramm Neustart Kultur „Take Action“.

Die Aufführungen sollen an den beiden ersten Wochenenden im Juli jeweils von Freitagabend bis zum Sonntagnachmittag über die Bühne gehen. Dabei ist angedacht, dass man sich coronakonform am Startpunkt im Park neben dem Rathaus trifft und in Kleingruppen von einem Guide bei einem Rundgang durch Nebenstraßen und Gassen zu den einzelnen Stationen geführt wird.

Schaufenster sind tolle Spiegelbilder

Die genaue Route wurde bei der Outdoor-Präsentation zwar noch nicht verraten, doch scheint mit dem Gemeindesaal neben der evangelischen Kirche zumindest eine Lokalität festzustehen, in der eine Klangcollage zu erleben sein wird.

Die beiden Theatermacherinnen möchten zudem einige leere Schaufensterfronten im Ortszentrum für kreative Arrangements nutzen, zumal diese großen Fensterfronten „tolle Möglichkeiten für Nähe und Distanz“ böten, wie beide übereinstimmend erklären. Dazu sollen zeitnah Gespräche mit den Eigentümern geführt werden.

Die Vita vom K3

Die Kleinkunstbühne K3 wurde im Jahr 2010 gegründet. Der Verein unterhält ein Kinder- und Jugendtheater und eine Kleinkunstbühne mit Kabarett und Theater. Die Bühne ist untergebracht in einer ehemaligen Trikotfabrik und hat sich über die Grenzen der rund 6600 Einwohner zählenden Gemeinde einen guten Ruf erworben. Der Verein hat rund 120 Mitglieder, davon sind 47 Kinder. Mit der Realschule Winterlingen unterhält die Bühne die Theater-AG, zudem werden Theaterprojekte an den Grundschulen angeboten.

Schützender Schirm für die Kultur

Über das Programm Neustart Kultur hat die Bundesregierung im Jahr 2020 eine Milliarde Euro zur Rettung der besonders stark betroffenen kulturellen Infrastruktur zur Verfügung gestellt. In enger Abstimmung mit Kulturverbänden und Kulturfonds wurden rund 60 Teilprogramme für die verschiedenen Sparten von Kunst und Kultur entwickelt. Davon profitieren laut Staatsministerium unter anderem Kinos, Museen und Theater, Musik und Literatur. Spartenübergreifend werden zudem und bundesweit Mittel für pandemiebedingte Investitionen und Digitalisierung zur Verfügung gestellt.

Mit Anschlussprogramm

Anschlussfinanzierung Ende des Jahres 2020 waren bereits 900 Millionen Euro und damit fast das gesamte Volumen des bisherigen Budgets (eine Milliarde Euro) konkret belegt. Über ein Anschlussprogramm stellt die Bundesregierung im Jahr 2021 eine weitere Milliarde Euro zur Verfügung.