Rangendingen

Die Tübinger Medizintechnik-Firma Erbe will in Rangendingen bis zu 400 neue Jobs schaffen

04.02.2020

von Hardy Kromer

Die Tübinger Medizintechnik-Firma Erbe will in Rangendingen bis zu 400 neue Jobs schaffen

© Hardy Kromer

Die fünf Mitglieder der künftigen Erbe-Geschäftsleitung wollen in Rangendingen 70 Millionen Euro investieren.

Das Unternehmen plant in der Starzelgemeinde die größte Einzelinvestition seiner Geschichte. 70 Millionen Euro will Erbe Elektromedizin in sein neues Werk stecken.

Dass das Tübinger Unternehmen Erbe Elektromedizin mit seinem Rangendinger Standort noch einiges vorhat, war bekannt. Wie gewaltig die Erweiterungspläne sind, wurde aber erst während einer Pressekonferenz am Dienstagvormittag am Erbe- Hauptsitz in Tübingen bekannt. Und das darf man durchaus einen Hammer nennen: Das weltweit agierende und stetig wachsende Medizintechnik-Unternehmen hat vor, direkt neben seinem Rangendinger Werk für satte 70 Millionen Euro eine neue Produktionsstätte zu bauen. „Das wird die größte Einzelinvestition in unserer Firmengeschichte“, lieferte der geschäftsführende Gesellschafter Christian O. Erbe gleich die Einordnung nach.

Sukzessive von 100 auf 500 Mitarbeiter

Mit den Erweiterungsplänen verbunden ist die Erwartung neuer Arbeitsplätze. Sind aktuell bei Erbe in Rangendingen rund 100 Menschen beschäftigt, so könnte die Belegschaft im Starzeltal sukzessive bis auf 500 aufgebaut werden. Und das werden, so hieß es aus der Erbe-Führungsetage, keineswegs nur mehr Produktionsjobs sein. Rund die Hälfte der neuen Arbeitsplätze wird auf Entwicklung, Verwaltung und Logistik entfallen.

20.000 Quadratmeter großes Areal

Wann am Rangendinger Ortsausgang in Richtung Stein der erste Spaten in die große Wiese gerammt werden kann, ist noch offen. Laut Christian O. Erbe bedarf es noch eines Bebauungsplanes für das 20.000 Quadratmeter große Areal. Das Unternehmen, so klang durch, hat es aber durchaus eilig. „Wir sind aktuell in Gesprächen mit der Gemeinde“, sagte Erbe. Nach den Bedingungen des Bebauungsplanes werde sich dann die Größe und die Höhe der Gebäude richten.

Warum Rangendingen?

Dass Erbe so stark auf den Standort Rangendingen setzt, hat zum einen damit zu tun, dass die Kapazitäten am jüngst mehrfach erweiterten Hauptsitz in Derendingen vor den Toren Tübingens weitgehend ausgeschöpft sind. Zum anderen boomt gerade das Marktsegment am stärksten, das von Rangendingen aus bedient wird: die Entwicklung und Produktion von (Einweg-)Instrumenten.

Alles, was der Arzt braucht

Marketing- und Vertriebschef Marcus Felstead illustrierte das mit aufschlussreichen Zahlen: Machte Erbe vor zehn Jahren noch 80 Prozent seines Umsatzes mit seiner Kernkompetenz, den elektromedizinischen Geräten, so entfallen mittlerweile 60 Prozent auf die immer intelligenter werdenden Instrumente („alles das, was der Arzt in der Hand hält“, erläuterte Felstead).

Hightech aus dem Zollernalbkreis

Exempel für die Rangendinger Erfolgsmodelle sind Sonden für die Kryochirurgie (worunter man die Verwendung von extremer Kälte versteht, um abnormales oder krankes Gewebe zu zerstören) und für die Pulmologie (bei der Sonden in tiefste Verästelungen der Lunge eingeführt werden, etwa um eine Biopsie zu nehmen und einen versteckten Tumor zu diagnostizieren). Gerade auf diesem Sektor, so Felstead, hoffe Erbe am stärksten zu wachsen. Der Plan ist, die Entwicklungs- und Produktionskapazitäten für diese und andere Hightech-Instrumente in Rangendingen zu bündeln und damit auch zum Teil aus Tübingen abzuziehen, wo dann im Gegenzug mehr Platz für die Entwicklung und Herstellung der größeren Geräte entsteht.

Finanzierung aus dem Cash-Flow

Zu finanzieren gedenkt Erbe seine Großinvestition im hohenzollerischen „Medical Valley“ aus dem Cash-flow. Christian O. Erbe betont, die in 110 Ländermärkten aktive Firmengruppe wolle sich auch in Zukunft selbst finanzieren und von Banken oder Kapitalinvestoren unabhängig bleiben. Auch wenn durchaus historische Einschnitte beschlossene Sache sind. „Zum ersten Mal haben die Gesellschafter beschlossen, Nichtfamilienmitglieder in die Geschäftsleitung aufzunehmen“, sagte Christian O. Erbe. Den Anlass dafür bietet das Ausscheiden seines Schwagers Reiner Thede. Der Mann, der zusammen mit Erbe seit 1996 geschäftsführender Gesellschafter der Firmengruppe ist, geht Ende April im Alter von 65 Jahren in den Ruhestand. Zusammen mit Christian O. Erbe werden ab Mai vier weitere Führungskräfte aus dem Unternehmen die Geschäftsleitung bilden.

Neues Führungs-Quintett

In dieser neuen fünfköpfigen Führungsstruktur will die Erbe- Firmengruppe die Herausforderungen der Zukunft meistern und ihren Weg des „profitablen Wachstums“ weitergehen. Erbe legte dazu dar, dass der in den vergangenen fünf Jahren im Jahresdurchschnitt um acht Prozent gewachsen ist. 2019 setzte Erbe (nach vorläufigen Angaben) 278 Millionen Euro um. Als größte Wachstumsmärkte der jüngeren Vergangenheit benannte Vertriebsleiter Konzernumsatz Felstead China und die USA. Weil aber gerade hinter diesen Weltregionen aufgrund um sich greifender protektionistischer Bestrebungen große Fragezeichen stehen, kalkuliert Erbe für 2020 etwas vorsichtiger mit fünf bis sechs Prozent Wachstum.

Ausland bringt den Löwenanteil

Etwa 86 Prozent ihres Umsatzes generiert die Erbe-Gruppe, die 15 Tochterunternehmen in Europa, Amerika und Asien hat, inzwischen im Ausland. Von daher versteht es sich fast von selbst, dass die neue Führungsriege jetzt von Derendingen und Rangendingen ganz stark auf Internationalisierung setzt – wobei die Chefs nicht nur an die Vertriebskanäle denken, sondern auch an Forschung und Produktion. Erste Produktionsstätten im Ausland aufzubauen, ist deshalb ein erklärtes Ziel – wobei Christian O. Erbe betont, dass nicht geplant sei, Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern („es sei denn, wir wären dazu gezwungen“). Jegliches globales Wachstum sei „additiv“ zu verstehen.

Fakten zu Erbe Elektromedizin

Die Erbe Elektromedizin GmbH entwickelt, produziert und vertreibt weltweit chirurgische Instrumente sowie Geräte und bietet Dienstleistungen für den professionellen Einsatz in den unterschiedlichsten medizinischen Bereichen. Medizintechnik von Erbe wird in OP-Sälen auf der ganzen Welt verwendet.

Kennzahlen

Tätigkeitsfelder sind die Elektrochirurgie (mit rund 40 Prozent des Umsatzes), die Plasmachirurgie (rund 30 Prozent), die Thermofusion, die Hydrochirurgie und die Kryochirurgie (als stärkster Wachstumsmarkt). Der Konzernumsatz betrug im vergangenen Jahr 278 Millionen Euro. Das internationale Netzwerk umfasst 15 Tochterunternehmen in Europa, Amerika und Asien, eine Repräsentanz und Aktivitäten in 110 Ländermärkten. Die Mitarbeiterzahl beträgt 1026, davon rund 600 am Hauptsitz in Tübingen und 100 in Rangendingen.

Diesen Artikel teilen: