Die Trump-Show: Wie die ARD-Korrespondentin Claudia Buckenmaier aus Hechingen die Krise erlebt

Von Claudia Buckenmaier

Claudia Buckenmaier, Washington-Korrespondentin der ARD, ist die Frau, die uns regelmäßig erklärt, wie die US-Politik tickt. Doch zwischen „Trump-Show“ und Homeoffice sorgt sie sich auch, wie es der Zollernalb in der Coronakrise ergeht: Buckenmaier stammt aus Hechingen-Stetten. In ihrem Gastbeitrag für den ZOLLERN-ALB-KURIER erklärt sie, wie sich die Arbeit der Fernsehleute in der Krise verändert hat, wieso im Schneideraum ein Duschvorhang hängt – und wieso viele Amerikaner im Moment Angela Merkel schätzen.

Die Trump-Show: Wie die ARD-Korrespondentin Claudia Buckenmaier aus Hechingen die Krise erlebt

Der Schneideraum im ARD-Studio Washington: Ein Duschvorhang trennt Reporterin Claudia Buckenmaier von ihrem Cutter.

„Wärt Ihr jetzt nicht lieber in Deutschland?“ Diese Frage hören mein Mann und ich in unserer Nachbarschaft immer wieder. „Bei Euch zuhause scheint ja alles viel besser zu laufen.“ Die Corona-Pandemie hat bei vielen die Neugier geweckt, was Deutschland wohl anders macht. Das soziale Netz in meiner Heimat, das in den USA zu anderen Zeiten gerne als sozialistisch abgetan wurde, löst plötzlich fast so etwas wie Bewunderung aus.

Vieles hat sich geändert seit Beginn der Corona-Krise. Auch der Arbeitsalltag. Im ARD-Studio Washington haben wir früh beschlossen, uns in zwei Teams aufzuteilen. Eine Woche Homeoffice, eine Woche Büro, immer im Wechsel, strikt getrennt. Stattdessen gibt es eine tägliche Videokonferenz. Das Studio soll arbeitsfähig bleiben, falls jemand krank wird.

Duschvorhang trennt Reporter und Cutter im Schneideraum

Im Schneideraum, wo Cutter und Reporter relativ dicht aufeinander sitzen, trennt jetzt ein durchsichtiger Duschvorhang die Arbeitsplätze. Wir versehen die Mikrofone vor jedem Interview mit einem neuem Plastikschutz. Überall stehen Desinfektionsmittel. Wir versuchen, den Kontakt mit anderen und damit auch die Ansteckungsgefahr so gering wie möglich zu halten. Handschuhe, Mundschutz gehören längst zur Drehausrüstung. Aber es bleibt ein Balanceakt. Denn zum Berichten gehört der Kontakt zu Menschen, wenn auch in diesen Zeiten nur unter Wahrung eines Sicherheitsabstandes.

An diese praktischen Veränderungen haben wir uns alle relativ schnell gewöhnt. Sie sind derzeit alternativlos. Wie aber mit den täglichen Auftritten des Präsidenten umgehen? Sie stellen uns immer neu vor die Frage: Was ist notwendige Information, was Wahlkampfrhetorik? Eigentlich begann es eher zufällig. Donald Trump nahm Mitte März spontan an einer Presserunde seines Corona-Krisenteams teil. Der Politiker, der sich bis dahin so gut wie nie in einer regulären Pressekonferenz den Fragen von Journalisten gestellt hat, scheint seitdem Gefallen an dieser Form der Aufmerksamkeit gefunden zu haben. Wohl auch weil mehrere Fernsehsender die Pressekonferenzen live übertragen und er so ein Millionenpublikum erreicht.

Pressekonferenzen: Arena frei für die Trump-Show

Berüchtigt ist Trumps Ankündigung, „ich habe viel Zeit.“ Dann können gut zwei Stunden verstreichen, bevor er den Presseraum wieder verlässt. Sicher, es geht dabei auch um den jeweiligen Stand im Kampf gegen die Corona-Pandemie, und die Erläuterungen des Seuchenexperten Anthony Fauci sind wohltuend sachlich. Aber schon nach kurzer Zeit heißt es ‚Arena frei‘ für die Trump-Show. Er beschimpft die anwesenden Journalisten als Vertreter der Lügenpresse, vor allem wenn ihm Fragen nicht gefallen. Er preist sich und seine Politik. Die Belege, dass er anfangs die Gefahren durch das Virus verharmlost hat, wischt er beiseite.

Für Fehlentscheidungen sind immer andere verantwortlich. Trump überhäuft politische Gegner mit Schimpfwörtern. Und oft macht er falsche Angaben, die dann unwidersprochen in die Wohnzimmer der Nation flimmern. Mit der für die Bevölkerung wichtigen Information über das Corona-Virus hat das nichts mehr zu tun. Die Pressekonferenzen wirken eher wie Auftritte bei einer seiner Wahlkampf-Massenveranstaltungen, die ja zur Zeit nicht stattfinden können. Vor kurzem war es so heftig, dass sich alle Sender entschlossen, die Übertragung abzubrechen, auch der, der Trump eher nahesteht.

Viele schätzen Merkels nüchterne Art

Auch deshalb fragen unsere Nachbarn uns nach der deutschen Kanzlerin. Viele hier schätzen Angela Merkel für ihre nüchterne, sachliche und trotzdem mitfühlende Art. Ich weiß, dass das Krisenmanagement der Kanzlerin in Deutschland umstritten ist, aber in den Augen der US-Amerikaner, von denen viele Angela Merkels Handeln mit den Auftritten ihres Präsidenten vergleichen, wirkt sie wie der vielbeschworene Fels in der Brandung. In der Ferne verändert sich auch der eigene Blick auf die Heimat.

In unserem privaten Alltag erleben mein Mann und ich hier in den USA ähnliche Einschränkungen wie die Menschen in Deutschland. Die meisten Geschäfte sind geschlossen. Die Restaurants auch. Manche versuchen, sich mit Essen zum Mitnehmen über Wasser zu halten. Friseure und andere Dienstleister bieten Gutscheine an für die Zeit nach Corona. Beim Einkaufen muss man inzwischen Maske tragen. Die Bürgermeisterin hat angeordnet, dass in Supermärkten die Gänge zwischen den Regalen nur noch als Einbahnstraße genutzt werden dürfen. Private Reisen in andere Bundesstaaten sollen unterbleiben. Aber noch dürfen alle raus, um sich zu bewegen, so lange sie das nicht in der Gruppe machen oder sich gar irgendwo hinsetzen. Die Polizei kontrolliert und kann empfindliche Geldstrafen verhängen, doch bisher geschieht das eher selten.

Schwarze und Latinos erkranken häufiger an Corona

All das funktioniert relativ gut, aber nur weil es Menschen gibt, die das alltägliche Leben aufrechterhalten: in Supermärkten und Apotheken, in Krankenhäusern, bei der Feuerwehr oder der Müllabfuhr. Fast alle dieser Menschen sind Schwarze und Latinos. Ihre Jobs sind schlecht bezahlt, obwohl sie sich täglich der Gefahr aussetzen, angesteckt zu werden. Kein Wunder, dass diese Bevölkerungsgruppen viel häufiger an dem Coronavirus erkranken oder gar sterben. Sie können es sich nicht leisten, zuhause zu bleiben.

Ich erlebe die Pandemie in den USA wie ein Brennglas, das die sozialen Verwerfungen in diesem Land deutlicher hervortreten lässt. Ob das allerdings die Chance auf Veränderung bietet? Daran habe ich meine Zweifel. Im Moment gibt es viele Versprechungen, aber keine konkreten Pläne.

Fühle ich mich deshalb unsicherer, als ich mich in Deutschland fühlen würde? Nein, nicht wirklich. Die Gesundheitsversorgung in den USA ist gut, solange man sie bezahlen kann. Dank meines Arbeitgebers sind mein Mann und ich gut versichert. Wir wissen, dass wir privilegiert sind, in einem Land, in dem eine Krankenversicherung nicht selbstverständlich ist. Auch darum beneiden uns manche unserer Nachbarn.

Zur Person

Ihre ersten Berührungen mit dem Journalismus macht Claudia Buckenmaier, die in Hechingen-Stetten aufwächst, bereits während ihrer Schulzeit – als Korrekturleserin bei der Hohenzollerischen Zeitung. „Als es noch Druckfahnen gab“, wie sie sich erinnert. Nach ihrem Studium in Tübingen volontiert sie beim NDR, dem sie fortan verbunden bleibt: als freie Mitarbeiterin in der Auslandsredaktion, als Redakteurin, ab 1999 als Inlandskorrespondentin im ARD-Hauptstadtstudio. Später berichtet sie aus London, von 2007 bis 2012 ist sie Korrespondentin für Skandinavien und das Baltikum. Danach leitet sie die Auslandsredaktion beim NDR in Hamburg, dort, wo ihre Fernsehkarriere einst begonnen hatte. Seit 2017 ist Claudia Buckenmaier USA-Korrespondentin. Ihr Spezialauftrag: Beiträge für den Weltspiegel und sogenannte Langformate. Und: Sie beobachtet die Politik Trumps, unter anderem für Analysen und Kommentare in den Tagesthemen. Am meisten aber, sagt sie, beeindrucken sie die sogenannten einfachen Leute, deren Nöte, Freuden und Blick auf die Politik in Washington.