Die Schwächsten trifft es am härtesten: Grüne diskutieren online über Flüchtlingspolitik

Von Rosalinde Conzelmann

Der grüne Landtagskandidat Erwin Feucht aus Balingen diskutierte am Dienstagabend mit teilweise bis zu 30 Teilnehmern online mit Parteifreunden und der Reutlinger Asylpfarrerin und Mitinitiatorin der Initiative „Sicherer Hafen in Baden-Württemberg“ Ines Fischer. Themen waren die Probleme in der Flüchtlingspolitik und den Kampf gegen die herrschende Abschreckungspolitik der Bundesregierung und der EU.

Die Schwächsten trifft es am härtesten: Grüne diskutieren online über Flüchtlingspolitik

Bis zu 30 Teilnehmer verfolgten die Online-Debatte über die aktuelle Flüchtlingspolitik mit dem Landtagskandidaten Erwin Feucht und seinen Parteifreunden Agnieszka Brugger, Cindy Holmberg und Johannes Kretschmann und Asylpfarrerin Ines Fischer.

Nicht nur die Ehrenamtlichen im Arbeitskreis Asyl in Balingen bekommen die Auswirkungen der Pandemie zu spüren. Auch jene, um die sie sich kümmern. „Wir leiden doppelt darunter“, stellt Erwin Feucht in der Online-Debatte am Dienstagabend fest. Die wichtige ehrenamtliche Arbeit sei ins Stocken geraten, der Kontakt zu den Geflüchteten abgerissen und man sei nicht verhandlungsfähig: „Das macht uns traurig.“

Kein Anteil mehr an Bildung

Eine Erfahrung, die die Reutlinger Asylpfarrerin Ines Fischer bestätigt. „Die Flüchtlinge haben keinen Anteil mehr an der Bildung“, meint sie. Die Digitalisierung stelle ein großes Problem dar. „Wir erleben einen wahnsinnigen Rückschritt durch Corona“, beschreibt sie die derzeitige Situation. Die Mitinitiatorin der Initiative „Sicherer Hafen“ lobte die Arbeit der Ehrenamtlichen, die nach kreativen Lösungen suchen würden, damit der Kontakt nicht ganz abbreche. Ihr großer Wunsch: „Ich hoffe, dass die Ehrenamtlichen nicht abspringen werden.“

Fischer fordert dezentrale Unterbringung

Die Asylpfarrerin fordert eine dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge. In Zeiten von Corona mehr denn je: „Wenn Corona in diesen Unterkünften ausbricht, müssen alle isoliert werden.“ Die soziale Arbeit bleibe auf der Strecke und die Kosten seien hoch. „Es ist eine Katastrophe“, bilanziert Fischer.

Die grüne Bundestagsabgeordnete Agnieszka Brugger pflichtet ihr bei: „In der Krise trifft es die Schwächsten am härtesten.“ Es sei ein Unding, dass die Geflüchteten vergessen würden und keinerlei Unterstützung bekommen würden. Besonders die Kinder würden abgehängt, fügt Cindy Holmberg, Landtagskandidatin für den Wahlreis Hechingen-Münsingen an.

Es braucht eine zivile, europäische Seenotrettung

Brugger hatte zuvor über ihre parlamentarische Arbeit und die Kämpferrolle der Grünen in der Opposition berichtet. Brugger wirft der Regierung in der Flüchtlingspolitik Untätigkeit vor und kritisiert die Abschottungs- und Abschreckungspolitik, die auch innerhalb der Europäischen Union betrieben werde. Das humanitäre Leid an den Grenzen der EU dürfe nicht einfach hingenommen werden. Ihre Forderung: „Wir brauchen eine zivile, europäische Seenotrettung.“ Ihre bittere Erkenntnis: „Vor Ort in den Städten und Kommunen ist so viel positive Energie da, die von der Regierung ausgebremst wird.“

Ines Fischer sieht aber nicht nur Berlin, sondern auch die Landesregierung in der Pflicht: „Diese könnte ein Landesaufnahmeprogramm auf den Weg bringen.“ 31 Kommunen im Land, darunter Reutlingen, Tübingen, Stuttgart, Ulm und Konstanz, haben sich bislang der Initiative Sichere Häfen angeschlossen und wären bereit, geflüchtete Menschen aufzunehmen. „Das spiegelt 30 Prozent der Landesbevölkerung wider“, betont Fischer. Sie sagt, dass ein großer Teil der Zivilgesellschaft der politischen Kompromisse leid ist.

Die Rolle von Osteuropa

Johannes Kretschmann, Sohn von Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Bundestagskandidat für dem Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen, beleuchtet die Rolle der osteuropäischen Staaten, von denen viele bei der Aufnahme von Flüchtlingen auf eine Politik der Abschreckung setzen. Er kommt zum Schluss, dass sie kein kälteres Herz haben als die anderen EU-Bürger, die Zusammenhänge jedoch sehr komplex seien.

Man müsse die osteuropäischen Staaten mehr einbinden bei der Flüchtlingsfrage, eine europäische Föderation einrichten und das soziale Gefälle in Europa bekämpfen, nennt er mögliche Lösungsansätze.

Neuer Anlauf für „Sicheren Hafen“

„Vielleicht sollten wir mehr zugehen auf diese Staaten; das, was ich von außen sehe, macht mich traurig“, meint Erwin Feucht. Er versichert noch, dass er im Falle seiner Wahl, „ein Sprachrohr für Geflüchtete sein wird“ und es im Landkreis einen neuen Anlauf für den „Sicheren Hafen“ geben wird.