Die Liga der freien Wohlfahrtspflege stellt Parteien im Zollernalbkreis Kernfragen

Von Nicole Leukhardt

Hand in Hand möchten die Wohlfahrtsverbände das Leben im Zollernalbkreis verbessern. Zu ihren Kernfragen haben sie den Parteien auf den Zahn gefühlt.

Die Liga der freien Wohlfahrtspflege stellt Parteien im Zollernalbkreis Kernfragen

Die Mitglieder der Liga der freien Wohlfahrtspflege.

Die Liga der freien Wohlfahrtspflege im Zollernalbkreis ist ein Zusammenschluss der anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege im Zollernalbkreis. Sie besteht seit 1994. Jeder Spitzenverband kann zwei Vertreter oder Vertreterinnen in die Liga entsenden.

Sechs Schwerpunkte, viele Fragen

Mit diesem Fragenkatalog hat sich die Liga an die Fraktionen gewandt.

1. Für Menschen, die trotz guter Arbeitsmarktlage wenig Chancen haben, eine Beschäftigung zu finden, hat der Gesetzgeber mit 816i SGBll z.B. über Lohnkostenzuschüsse oder ein Coaching ein neues Förderpaket verabschiedet. Was tun Sie, damit dieses attraktive Förderinstrument auch vor Ort seine Wirkung erzielt?

2. Die Firmen im Zollernalbkreis leiden in besonderem Maße unter Fachkräftemangel. Wie stehen Sie zur Einführung eines ZAFög (Zollernalb-Ausbildungsförderungsgesetz), welches finanziert durch den Landkreis einkommensschwachen Familien eine Fortbildung erleichtert, wenn diese anschließend im Zollernalbkreis verbleiben.

3. Die soziale Herkunft ist maßgebend für die Bildungschancen von Kindern. Kinder aus bildungsfernen oder armen Verhältnissen haben es schwer, an Bildungsmöglichkeiten außerhalb von Kindergarten und Schule teilzuhaben, weil es am Zugang bzw. an den finanziellen Mitteln in der Familie fehlt. Im „Bildungs-und Teilhabepaket“ sind beispielsweise für Gebühren für die Musikschule 10€ pro Monat vorgesehen, das reicht bei weitem nicht aus, um Unterrichtsstunden zu finanzieren. Wie wollen Sie sich für eine „Teilhabe an Bildung“ für alle Kinder einsetzen?

4. Wenn in der Schule Klassenfahrten oder Theaterbesuche anstehen, müssen manche Kinder zu Hause bleiben, auf Nachhilfe müssen Kinder aus armen Familien häufig verzichten. Taschengeld, Schwimmbad, Kino, Sport im Verein ist für sie nicht selbstverständlich. Was sind Ihre Ideen, dem entgegen zu wirken?

5. In der Grundsicherung sind für die Mobilität rund 35€ im Regelsatz eines Erwachsenen vorgesehen. Eine naldo-Monatskarte im ÖPNV für nur eine Wabe übersteigt mit 58,30€ diesen Betrag bei weitem. Welche Ideen haben sie um den öffentlichen Nahverkehr nachhaltig zu verbessern und ihn auch für einkommensschwache Menschen bezahlbar zu machen.

6. Der demographische Wandel macht auch vor dem Zollernalbkreis nicht halt. 2035 werden die über 60-Jährigen ein Drittel der Gesamtbevölkerung ausmachen. Damit einhergehend ist mit einem größeren Bedarf an zu rechnen. Wie sehen Sie den Zollernalbkreis auf diese Entwicklung vorbereitet?

Was möchten Sie unternehmen um die angemessene Wohnraumversorgung für Menschen mit sozialen Schwierigkeiten sicherzustellen? Wie wollen Sie sicherstellen dass Menschen mit geringem Einkommen ihre Wohnung bezahlen können?

Um die aktuellen Mietkosten abzubilden, ist aus der Sicht der Liga ein Mietspiegel sinnvoll. Wie würden Sie sich für die Entstehung von Mietspiegeln in den Mittelzentren einsetzten?

Immer wieder gibt es Fragen, dass die Kommunen wieder selbst in den sozialen Wohnungsbau einsteigen sollen. Wie stellen Sie sich dazu?

Wer die Liga der freien Wohlfahrtspflege ist

Jeder Spitzenverband kann zwei Vertreter oder Vertreterinnen in die Liga entsenden.

Dies sind aktuell: Elmar Schubert, Geschäftsführer des Caritasverbandes für das Dekanat Zollern, Manuela Mayer, Regionalleiterin der Caritas Schwarzwald-Alb-Donau, André Saliger, Geschäftsführer des DRK- Kreisverbandes, vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Armin Bachmeyer, Geschäftsführer der ABA und zurzeit Vorsitzender der Liga, sowie Wolfgang Markowis, Geschäftsführer des Vereins für Gemeindenahe Psychiatrie im Zollernalbkreis. Von der Diakonie André Guzzardo, Vorstandsvorsitzender des Diasporahauses Bietenhausen und Diana Schrade- Geckeler, Geschäftsführerin der Diakonischen Bezirksstelle Balingen. Die Arbeiterwohlfahrt hat keinen Vertreter entsandt.

Der Zweck dieses Zusammenschlusses ist die gegenseitige Information, der Erfahrungsaustausch und die Vertretung klientelbezogener gemeinsamer Interessen.

Die Ligavertreter möchten sich in das sozialpolitische Geschehen im Landkreis einbringen und sich für Entwicklungen und Verbesserungen einsetzen. Sie stehen der Verwaltung und der Politik mit ihrem fachlichen Wissen und ihrer Praxiserfahrung für einen inhaltlichen Austausch zur Verfügung. Die Verbände vertreten mit ihren Einrichtungen die Anliegen der Klientel der Eingliederungshilfe, der Kinder- und Jugendhilfe, der Altenhilfe und der Sozialhilfe allgemein. Sie setzen sich anwaltschaftlich für ihre Belange ein.

Die Themen sind bunt

Das sind vielfältige Themenbereiche, unter anderem Arbeitslosigkeit, Armut, Bildung, Wohnungsnot, Pflege, Teilhabe, Migration, Integration, Familie.

Die Ligavertreter treffen sich regelmäßig zu Sitzungen, zwei Mal im Jahr auch in einer erweiterten Ligasitzung mit Vertretern der Landkreisverwaltung, des Jobcenters und der Agentur für Arbeit zum Austausch und Vorbringen ihrer Anliegen.

Die Liga veranstaltet jedes Jahr in der landesweiten Woche der Armut einen Aktionstag in einem der Mittelzentren des Landkreises zum jeweiligen Motto.

Seit 2012 gibt es das Bildungsprojekt Augenhöhe – Teilhabe an Bildung, zu dem sich die Liga und der Kinderschutzbund Kreisverband Balingen zusammengeschlossen haben und Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien im Bildungsbereich finanziell unterstützen.

Außerdem sind Vertreter in Fachausschüsse berufen. Die Wohlfahrtsverbände stellen zudem Vertreter im Jugendhilfeausschuss.

Der soziale Wohnungsbau und die Wohnraumknappheit liegen der Liga der Freien Wohlfahrtsverbände besonders am Herzen. Auch dazu hat sie den Parteien auf den Zahn gefühlt.

Die CDU sieht den Mietwohnungsbau von der hohen Nachfrage nach bezahlbarem Mietraum regelrecht konterkariert. Private Wohnungsbauer wollen eine Rendite oberhalb derzeitiger Geldanlagen sehen. Deshalb seien Wohnungsbaugesellschaften auf kommunaler Ebene oder von privat organisierten Baugenossenschaften gefordert, sozialverträgliche und damit bezahlbare Wohnungen zu schaffen.

Kommunen am Ball

Auch günstige Sanierungsdarlehen wären hilfreich. Aus Sicht der Christdemokraten scheitere der Mietspiegel bisher am Verwaltungsaufwand. Beim sozialen Wohnungsbau setzt die CDU auf die Eigenverantwortung jeder Kommune. Es sollte jedoch nicht so sein, dass Wohnbaugenossenschaften nur noch Wohnungen mit einem Quadratmeterpreis ab neun Euro anbieten.“

Die SPD hingegen, sieht die Kommune in der Pflicht: Können private Investoren bezahlbarem Wohnraum nicht gewährleisten, müsse sich die kommunale Ebene als Träger einbringen. Das Mieterschutzgesetz auf Bundesebene regle zudem, welche Kosten ein Vermieter nach Modernisierungen auf Mieter umlegen darf.

Kommunen in der Pflicht

Wer preiswerte neue Wohnungen baut, solle zusätzliche steuerliche Vorteile genießen, so die Idee. Ein Mietspiegel sei ebenso Aufgabe der Kommunen wie der soziale Wohnungsbau.

Die ganz klare Forderung der FDP hingegen lautet: „Bauen, bauen, bauen, denn mehr Wohnraum senkt die Preise.“ Der liberale Standpunkt sei „privat vor Staat“. Es gelte, komplizierte und überregulierende Bauvorschriften und Gesetze abzuschaffen, die steuerliche Absetzbarkeit zu verbessern und ein ausgewogenes Mietrecht zu entwickeln.

Privat vor Staat

Der Wohnungsbau werde im notwendigen Maße angeregt, wenn jeder Mieter zahlungsfähig sei, wofür ein sachgerecht ausgestaltetes Wohngeld sorge. Einen Mietpreisspiegel begrüßen die Liberalen auch.

Die Grünen betonen: Ziel müsse es sein, dass alle hier lebenden Menschen aus eigener Kraft menschenwürdig wohnen können, ohne sich bei anderem Lebensbedarf drastisch einschränken zu müssen. Ihre Mahnung: Wohnungsbaugesellschaften in kommunaler Trägerschaft müssten wieder am Gemeinwohl und nicht an Gewinnen ausgerichtet werden.

Gemeinwohl statt Gewinn

Kommunen müssten nicht zwangsweise selbst als Bauherren aktiv werden, sie könnten auch günstige Rahmenbedingungen schaffen. Auch neue Bürger-Genossenschaften sollen gezielt als Bauträger gefördert werden. Ein Mietpreisspiegel wird von den Grünen befürwortet.

Die Linke formuliert Kritik: Die Kreisverwaltung und die Kommunen würden den Wohnungsmarkt als weitgehend entspannt ansehen und orientierten sich an Statistiken. Dazu komme, dass soziale Schwierigkeiten oft gar nicht durch das Hilfesystem wahrgenommen würden.

Mietpreisspiegel ist ein Muss

Einen Mietpreisspiegel erachtet die Linke als unverzichtbar, denn bislang orientiere sich der Kreis mit den Mietrichtwerten an den Bestimmungen zum Wohngeldgesetz. Dies sehe für einige Kommunen sogar Rückstufungen vor. Dies sei nicht vermittelbar und habe mit der Realität nichts zu tun. Einen Kernfehler der Wohnungspolitik sieht die Partei in der fehlenden Gemeinnützigkeit von Baugesellschaften. Zwangsmaßnahmen seien allerdings ein letzter Schritt. Davon sei der Zollernalbkreis weit entfernt.

Die Freien Wähler weisen darauf hin, dass der Landkreis weder Eigentümer von geeignetem Bauland sei, noch Möglichkeiten habe, solche Grundstücke im Rahmen der Bauleitplanung zu entwickeln. Insofern richte sich diese Frage an die Kommunen. Bezahlbares Wohnen bedeute, dass nicht mehr als ein Drittel des Einkommens für Ausgaben rund um das Wohnen in Anspruch genommen werden.

Her mit bezahlbaren Bauplätzen

Bezahlbares Wohnen oder öffentlich geförderter Mietwohnungsbau könnten die Kommunen mit den Instrumenten der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme absichern, in dem diese ihre eigenen Mehrfamilienhaus-Grundstücke nicht zum Höchstpreis abgeben, sondern zum Festpreis gegen die Vorlage eines Konzepts für bezahlbaren Wohnraum. Wichtig sei, dass insgesamt bedarfsgerecht neue Wohnungen erstellt werden. Über diesen Weg komme es zu den sogenannten Sickereffekten. Daneben sei es auch wichtig, bezahlbare Bauplätze für die Familien zum Neubau eines Einfamilienhauses bereit zu stellen. Mietpreisspiegel und der Einstieg in den sozialen Wohnungsbau seien Sache der jeweiligen Kommune.

Die AfD erklärt, dass die Bautätigkeit unter den Rahmenbedingungen nicht mithalten könne. Planwirtschaftliche Eingriffe wie die Mietpreisbremse verschleppten das eigentliche Problem.

Rahmen stimmt nicht

Wirksamer und nachhaltiger seien Maßnahmen, die den Wohnungsbestand deutlich erhöhen. Hierzu gehörten die Ausweisung neuer und die Optimierung bestehender Baugebiete sowie die Beseitigung unnötiger Vorschriften und bürokratischer Hemmnisse. Zur Eigentumsförderung seien Grundstücke von der öffentlichen Hand zur Verfügung zu stellen und genossenschaftliches Wohnen zu fördern. Mieter, deren Einkommen für die Miete nicht reicht, möchte die AfD weiterhin durch ein angepasstes Wohngeld gefördert wissen.