Die Erinnerung der Überlebenden: Kreisarchiv erwirbt Videointerviews mit jüdischen KZ-Häftlingen

Von Stephanie Apelt

Das Kreisarchiv hat 104 Video-Interviews der USC Shoah Foundation mit jüdischen KZ-Häftlingen erworben. Das KZ-Museum Bisingen arbeitet schon damit.

Die Erinnerung der Überlebenden: Kreisarchiv erwirbt Videointerviews mit jüdischen KZ-Häftlingen

Sind froh über das neue Material, das ihnen dank der Interviews der USC Shoah Foundation zur Verfügung steht (v. l.): Brigitta Marquard- Schad (Initiative Gedenkstätte Eckerwald), Heinz Högerle (Gedenkstättenverbund Gäu-Neckar-Alb), Andreas Zekorn (Kreisarchivar) und Ines Mayer (Gedenkstätten KZ Bisingen). Im Hintergrund ist David Pretzel zu sehen, er war Häftling in Schörzingen.

Als im November 1996 die Ausstellung „Schwierigkeiten des Erinnerns“ in Bisingen eröffnet wurde, waren fünf Zeitzeugen, ehemalige Häftlinge des Bisinger Konzentrationslagers, dabei. Auch in den Jahren danach kam es immer wieder zum Austausch.

Doch es gibt immer weniger Zeitzeugen, die zum Beispiel in den Schulen einen persönlichen Eindruck von ihrer Leidenszeit in den Konzentrationslagern vermitteln können. „Dabei kommt es darauf an, die Erinnerungen der Überlebenden zu bewahren“, sagt Andreas Zekorn, Leiter des Kreisarchivs des Zollernalbkreises.

Viel Arbeit für den Kreisarchivar

Das Kreisarchiv hat jetzt einen wahren Datenschatz gehoben. Es hat 104 Video-Interviews von der USC Shoah Foundation mit überlebenden jüdischen KZ-Häftlingen, die sich in den hiesigen Konzentrationslagern des Unternehmens „Wüste“ befanden, erworben. Diese Interviews geben Einblick in die Leidenszeit der Häftlinge in den KZ. Sie gewähren aber auch einen Überblick über die gesamte Lebensgeschichte der Überlebenden.

Für den Kreisarchivar war es ein ganz schöner Aufwand, an das Material zu kommen. Gut ein halben Jahr ging von der ersten Kontaktaufnahme bis zum Erhalt des Päckchens mit der Festplatte ins Land. Um die 60 Dollar zahlte der Kreis pro Interview.

„Das ist ein sehr kostendeckender Preis“, so Zekorn. Schließlich erforderte es viel Mühe, die Video-Interviews überhaupt aufzunehmen. Eine umfangreiche Verschlagwortung mit detailliertem Zeitcode erleichtert es, mit dem Filmmaterial – ein Interview kann gut zwei bis fünf Stunden lang sein – überhaupt arbeiten zu können. Die Nutzung der Videos ist allerdings nicht ganz unproblematisch.

„So eindrücklich Zeitzeugenberichte sind, so subjektiv sind sie auch“, weiß Zekorn. Das fängt bei einfachen Verwechslungen von Orten und Namen an. „Zeitzeugen können die Vermittlung von Wissen ergänzen, aber nicht ersetzen.“

Fremdsprachige Interviews müssen zudem mühsam übersetzt werden. Auch das kostet wieder, für eine Stunden Interview ist im Schnitt mit 1200 Euro zu rechnen. Die Landeszentrale für Politische Bildung Baden-Württemberg trägt ihren Teil dazu bei. Doch einmal aufbereitet, sind die Interviews für den Einsatz in der Schule gedacht, für die Nutzung in den KZ-Gedenkstätten und natürlich für die Forschung.

Bisinger KZ-Museum nutzt Videos bereits

Gut zwei Dutzend der Video-Interviews mit Überlebenden aus dem Bisinger Konzentrationslager werden bereits im neu gestalteten KZ-Museum Bisingen präsentiert. Gewählt wurden kurze Ausschnitte von ein oder zwei Minuten Dauer.

„Wir haben alles selbst übersetzt und untertitelt“, erklärt Ines Mayer vom Gedenkstättenverein KZ Bisingen. Mittel über die Landeszentrale zu beantragen hätte zu lange gedauert.

„Wir wollten zum Eröffnungstermin alles haben.“ Der Gedenkstättenverein KZ Bisingen bedankte sich beim Pressetermin am Montag im Landratsamt noch einmal ausdrücklich für die Interviews und die stete Unterstützung.

Eckerwald-Gedenkstätte hat Dokumentationszentrum im Wald eingerichtet

Kein Museum, sondern ein Dokumentationszentrum im Wald (daher zu jeder Zeit zugänglich) weist die Initiative Gedenkstätte Eckerwald auf. Auch hier hat sich Brigitta Marquard-Schad an die Übersetzungen der Interviews gemacht.

„Es wartet noch viel Arbeit“, darüber ist sich Heinz Högerle, Vorsitzender des Gedenkstätenverbundes Gäu-Neckar-Alb im Klaren. „Doch das ist der Wahnsinn, was hier für eine Schatz liegt.“

Schulen oder Forschende, die Interesse an den Video-Interviews haben, können sich gerne mit Kreisarchivar Dr. Andreas Zekorn in Verbindung setzen.

So entstand die USC Shoah Foundation

Während der Dreharbeiten zu „Schindlers Liste“ im polnischen Krakau äußerten Überlebende den Wunsch, vor der Kamera über ihre Erinnerungen zu berichten. Dadurch angeregt, initiierte Regisseur Steven Spielberg ein Projekt zur Dokumentation von Zeitzeugenberichten des Holocaust. 1994 rief er dazu die Shoah Foundation ins Leben.

Von 1994 bis 1999 zeichnete die Organisation 52.000 Interviews in 56 Ländern und 32 Sprachen auf. Die meisten Interviewten sind jüdische Überlebende des Holocaust. Aber auch andere Verfolgte wie Sinti und Roma, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, politisch Verfolgte und Überlebende der Eugenikpolitik wurden interviewt.

2006 wurde die Shoah Foundation Teil der University of Southern Caliornia (USC). Daher heißt es heute USC Shoah Foundation. Nach Abschluss der Interviewphase und der Archivierung liegt der Hauptfokus der USC Foundation inzwischen auf der Bereitstellung des gesammelten Materials zu Forschungs- und Lehrzwecken.

Inzwischen wird das Archiv um Sammlungen von Interviews mit Überlebenden und Zeugen weiterer Genozide erweitert. So enthält es seit 2013 eine Sammlung von 65 Interviews mit Überlebenden des Genozids an den Tutsi in Ruanda 1994. Ein anderes Beispiele ist das Nanjing Massaker 1937/38. (Quelle: Freie Universität Berlin)